Dem Text wird als Motto eine kurze Passage aus dem
Vorwort von Chris Dercon, Mira Kho und Bert van Meggelen zu dem Buch Unpacking
Europe. Towards a Critical Reading (hg. von S. Hassan und I. Dadi,
Rotterdam 2001) vorangestellt:
In den »neuerlichen Angriffen
auf die Vereinigten Staaten [vom 11. September 2001] und der im Gang
befindlichen Antwort darauf, die von Europa unterstützt wird … kehrt Huntingtons Kampf der Kulturen
zurück. Der Diskurs und die Rhetorik des Zusammenstoßes (clash) zivilisierter,
demokratischer Nationen mit ‘anderen’, der so alt ist wie unser Zeitalter, hat
wieder seinen hässlichen Kopf erhoben.« (A.a.O., S. 7, Hervorhebung von mir,
HK.)
Stattdessen wären Dialoge zwischen den Kulturen anzustreben, welche die nicht nur hässliche, sondern auch unangemessene polarisierende Zweiteilung in die eigene und die anderen Kulturen hinter sich lässt. Dazu sucht der hier folgende Text beizutragen.
1. Warum
interkulturelle Philosophie?
2. Die Dimension des Interkulturellen
3. Die Nachbarschaft zur interkulturellen Kunst
2.
Wissenschaft und Technologie
2. Philosophie ist keine
spezifisch oder gar ausschließlich europäisch-westliche Angelegenheit
3. Wo, wann und wie entstand
Philosophie in den verschiedenen Regionen der Erde?
4. Der Durchbruch zur interkulturellen Philosophie und die Kritik des Eurozentrismus der europäisch-
westlichen Philosophie seit der Aufklärung
5. Die
doppelte Bewegung des Sich-öffnens und zugleich auch wieder -verschließens gegenüber anderen
Kulturen in der europäisch-westlichen
Philosophie nach Hegel
1. Das Denken in anderen Kulturen im kulturanthropologisch/ethnologischen Diskurs
2. Vergleichende Philosophie mit
ihren regionalen und methodischen Grenzen
1. Die Methode oder der Weg interkulturell
philosophischer Dialoge
2. Dialoge mit östlichen Philosophien (Indien,
China,Japan)
3. Dialoge mit islamischer Philosophie
4. Dialoge mit lateinamerikanischer
Philosophie
5. Dialoge mit afrikanischen und
anderen primär mündlich überlieferten Philosophien
Erweiterung und neue Präzisierung des Philosophiebegriffs und der Philosophiegeschichte
»Interkulturelle Philosophie – sie ist heute nötiger denn je.«
Gernot Böhme (Darmstadt, Oktober 2001)
Wir leben in einer Welt, in der auf vielen Gebieten, vor allem auf denen
der Wirtschaft, Politik, Kunst und Religion eine doppelte gegenläufige Bewegung
von Globalisierung und Regionalisierung vor sich geht. Die damit
zusammenhängenden Prozesse vollziehen sich nicht ohne schwerwiegende Probleme
und müssen auf jedem der genannten Gebiete gesondert betrachtet werden. Die
Ausbreitung der Wissenschaft und Technologie, wie sie in der westlichen Welt
entwickelt worden sind, auf die anderen Weltteile scheint am wenigsten von
Gegenbewegungen begleitet zu sein. Aber auch auf diesem Gebiet werden endogene
Wissensformen und Techniken anderer Kontinente gegen eine einseitige
Technisierung im westlichen Sinn ins Feld geführt.
Die verschiedenen Kulturen sind auf diese Weise weniger denn je hermetisch
von einander abgegrenzt. Zwischen ihnen findet vielfacher Austausch statt, und
sie vermischen sich in vielfältiger Hinsicht. Man kann das als einen Verlust an
spezifischen Eigentümlichkeiten der je eigenen Kultur betrachten. Andererseits
wird durch die Vereinheitlichung und ihre Gegenkräfte eine Dynamik freigesetzt,
die neue Lebensweisen ermöglicht. Eine kulturelle Uniformität, die sich in
mancher Hinsicht andeutet, gerade auch bei der jüngeren Generation, etwa in den
Vorlieben für »Fast food« oder Computerspiele, wird nicht erwünscht sein. In
ihr würden innere Vielfalt und die damit gegebenen Spannungsverhältnisse zu
sehr fehlen.
Die Entwicklungen der Globalisierung und Regionalisierung sowie des
weltweiten Kulturaustauschs und der Vermischung der Kulturen wird man nicht
einfach sich selbst überlassen können. Die politischen Steuerungsversuche, so
weit es sie gibt, sind in erschreckendem Maß hilflos und orientierungslos. Man
denke nur an den Umgang mit den Problemen der Zuwanderung in den westlichen
Industrieländern oder die Schutzlosigkeit gegen Terroranschläge, sogar in den
Zentren der Macht.. Es scheint unabweislich notwendig zu sein, dass auch von
philosophischer Seite aus auf diese Entwicklungen reflektiert wird, dass sie in
adäquater Weise beschrieben und theoretisch geklärt werden. Und es ist nicht
von der Hand zu weisen, dass auf dem Gebiet der Philosophie selbst entsprechende
Entwicklungen stattfinden, die dann freilich bewusst und kritisch vollzogen
werden sollten.
Erstaunlicherweise verhält sich die Philosophie der westlichen Welt im
Blick auf diese Aufgaben in ihrer Mehrheit äußerst spröde bis abweisend. Die
herkömmlichen Themen der eigenen Philosophiegeschichte und der
logisch-analytischen Klärung von Problemen, die im Vollzug der Wissenschaften
und im alltäglichen Sprachgebrauch auftreten, stehen so sehr im Vordergrund,
dass für Fragestellungen, die mit der aktuellen Weltsituation gegeben sind, nur
wenig Mittel und denkerische Energie zur Verfügung stehen. Insbesondere
scheinen die offiziellen Vertreter der westlichen Philosophie nur selten bereit
zu sein, sich für die Denkweisen in anderen Kulturen zu öffnen und mit ihnen in
Austausch zu treten.
In Wahrheit ist es ein Erbe kolonialen Denkens, dass Philosophie für die
westliche Geistesgeschichte reklamiert wird. Andere Kulturen werden als unfähig
erachtet, die besondere geistige Anstrengung der Philosophie zu vollbringen.
Sofern etwa in der chinesischen oder indischen Geistesgeschichte Texte von
großer denkerischer Intensität und Tiefe angetroffen werden, werden diese als
»Weisheit« qualifiziert, um sie von der besonderen intellektuellen Leistung der
Philosophie abzugrenzen. Martin Heidegger bezeichnet japanische und koreanische
Philosophen, die ihn besuchen, nicht als solche, sondern als »Denker«; es zeugt
von Verlegenheit, wenn er von dem Gedankenaustausch mit einem japanischen
Kollegen als einem Gespräch »zwischen einem [nicht namentlich genannten]
Japaner und [sich selbst als] einem
Fragenden« berichtet.[1]
Nun gibt es zwar seit dem Anfang des
19. Jahrhunderts an den europäischen Universitäten das Fach »Vergleichende«
oder »Komparative Philosophie«, in dem westliche und (fern)östliche
Philosophien neben einander gestellt werden. Das bleibt indessen ein
äußerliches Verfahren, bei dem die philosophischen Gehalte nicht wirklich auf
einander bezogen werden. Und es geschieht charakteristischerweise nicht in den
Abteilungen für Philosophie, sondern in denen für Sinologie, Indologie,
Japanologie usw., in denen neben den Sprachen, Literaturen, Religionen, der
Kunst sowie den politischen und gesellschaftlichen Systemen auch die
Philosophien im Verhältnis zur Situation in Europa und im Westen vergleichend
betrachtet werden. Ferner konstatieren und registrieren die Vertreter des
Faches Kulturanthropologie bzw. Ethnologie bei den Völkern, die sie besuchen
und untersuchen, gelegentlich auch deren Denksysteme (»systems of thought«),
aber sie sprechen nicht von deren Philosophien.
Einige wenige Philosophen
im Westen und auch in anderen Teilen der Welt, die sich – unter dem Namen der
»interkulturellen Philosophie« – der
Aufgabe stellen, die mit den Problemen der Vereinheitlichung und
Vermischung der Kulturen gegeben sind, und die den Austausch mit den
Philosophien anderer Kulturen suchen und praktizieren, geraten so in die Rolle
von Pionieren, die sich in einsamer oder doch vereinzelter Position um etwas
Neues bemühen, das von offizieller Seite und in der Breite der philosophischen
Arbeit (noch) nicht anerkannt wird. Die Fakultät für Philosophie an der Erasmus
Universität Rotterdam hat zwar für mich einen (den ersten) Lehrstuhl für
»Grundlagen der interkulturellen Philosophie« eingerichtet, die Arbeit dieses
»besonderen«, das heißt von einer Stiftung finanzierten, Lehrstuhls aber dann
in Forschung und Lehre bewusst und mit Nachdruck marginalisiert. Diese Randposition hat mich nicht gestört. Wie
anders soll etwas Neues in bestehende Institutionen eindringen, in denen jeder
seine eigene Domäne verteidigt und ausdehnen will?
An den deutschen Gymnasien, sofern dort Philosophie-Unterricht erteilt wird, ist die Aufgeschlossenheit für die interkulturelle Philosophie wesentlich größer. In der von ihm herausgegebenen Reihe »Philosophie. Beiträge zur Unterrichtspraxis« hat Jürgen Hengelbrock Unterrichtsmaterial zur interkulturellen und speziell zur afrikanischen Philosophie veröffentlicht, von dem auch regelmäßig Gebrauch gemacht wird. [2] Diese größere Aufgeschlossenheit beruht wohl darauf, dass die Lehrer an den Gymnasien sehr viel direkter und massiver mit Schülern konfrontiert sind, die selbst oder deren Eltern aus anderen Kulturen kommen. So entsteht das Bedürfnis, diese Situation auch philosophisch zu durchdenken und zu klären.
´
Die interkulturelle
Philosophie will nicht eine neue philosophische Disziplin sein – neben Geschichte
der Philosophie, Logik, Erkenntnistheorie, Ethik, philosophischer Anthropologie,
Wissenschaftstheorie, Rechtsphilosophie, Politischer und Sozialphilosophie
oder auch Kulturphilosophie, wobei die letztere ebenfalls bereits eine Art
Randposition einnimmt. Sie sollte alle philosophischen Disziplinen und Beschäftigungen
durchdringen; diese sollten jeweils die Dimension des Interkulturellen in
sich aufnehmen. Das Verhältnis der Kulturen zu einander, das seit der Aufklärung
eurozentrisch gedacht worden ist, gilt es philosophisch neu zu bestimmen.
Dies »betrifft eines der Kernprobleme unserer Zeit, von dessen Lösung die
Ermöglichung menschlichen und menschenwürdigen Lebens wesentlich mit abhängt.
Deshalb wird die Philosophie heute interkulturell sein, oder sie wird nichts
anderes sein als eine akademische Beschäftigung ohne gesellschaftliche Relevanz«.
[3]
Ram Adhar Mall, der aus Indien
stammt, aber schon seit vielen Jahren in Deutschland lehrt, hat es so
formuliert: »Interkulturalität … ist der Name einer philosophischen und
kulturellen Haltung, Einstellung und Einsicht. Diese Einsicht begleitet alle
Kulturen und Philosophien wie ein Schatten und verhindert, dass diese sich in
den absoluten Stand setzen. Weder ist die philosophia perennis jemandes
Besitz alleine, noch ist einer bestimmten Kultur ‘eine Entelechie eingeboren’
(Husserl)«;[4]
das letztere meint eine innere Ausrichtung, die bewirkt, dass alle anderen sich
auf sie zu beziehen und an ihr zu messen hätten. Mit diesem Aufruf zur
Selbstbescheidung wird freilich gegenüber der Hauptströmung der gesamten
Geschichte der westlichen Philosophie etwas grundsätzliche Neues eingefordert.
Die Grundorientierung der interkulturellen Philosophie liegt damit auf
derselben Linie wie Heideggers Kritik an der Metaphysik, die alles Seiende an
einem höchsten Seienden (Gott, transzendentales Subjekt oder absoluter Geist)
misst, Adornos Ablehnung des Identitätsdenkens, das keinen Raum für das
Besondere, Andere lässt, oder auch Wittgensteins Beschränkung auf die Analyse
von Sprachspielen, das heißt von Sprachfragmenten, die jeweils von einem
bestimmten Handlungszusammenhang aus einzugrenzen sind. Diese Linie lässt sich
durchziehen bis zu den Philosophen der Differenz (neben Levinas nenne ich
Foucault, Deleuze, Lyotard, Derrida, Kristeva, Irigaray), die sich vor aller
das Ganze umfassenden philosophischen Systematik dem Anderen zuwenden, dessen
Andersartigkeit nicht nur als das Andere (die spiegelbildliche Gegenseite) des
Eigenen verstanden wird. In diesem Sinn habe ich die Philosophien der Differenz
und ihre »Vorläufer« als (m)einen Weg zur interkulturellen Philosophie
dargestellt.[5]
Bei Mall vermisse ich eine klare
Abgrenzung der interkulturellen von der vergleichenden Philosophie. Dabei hat
er freilich die indische und die westliche Philosophie mit großer Kennerschaft
auf einander bezogen und viele verkürzte und einseitige Beurteilungen der
ersteren von der letzteren aus korrigiert. Und er hat – ähnlich wie der Wiener
Philosoph Franz M. Wimmer – darauf hingewiesen, dass vom Ansatz der interkulturellen
Philosophie aus die geschichtlichen Darstellungen der westlichen und
nicht-westlichen Philosophien von allen Absolutheitsansprüchen kritisch
gereinigt werden müssen.[6]
Da sich diese Philosophie als eine Vielzahl von Dialogen zwischen den
Philosophien der verschiedenen Kulturen vollzieht, spricht Wimmer mit Recht von
einem »Polylog«. Wichtig ist, dass in Bezug auf Einzelfragen die historischen
Potentiale der Philosophien verschiedener Kulturen ins Spiel gebracht werden
und zusammenwirken. Dabei ist mir klar, dass der Dialogbegriff der westlichen
philosophischen Tradition entstammt und im Blick auf andere philosophische
Traditionen nur als ein Angebot verstanden werden kann, das sich seiner
Begrenztheit und Überholbarkeit bewusst ist. Wimmers Ansatz setzt hingegen
einen, wenn auch selbstkritisch in Frage gestellten, inhaltlich und formal
vorgegebenen Philosophiebegriff voraus, der sich paradoxerweise von den
einzelnen philosophischen Disziplinen aus definiert, wie sie sich in der
westlichen Tradition herauskristallisieret haben.[7]
Dass sich interkulturelle
Philosophie methodisch als Dialog vollzieht, hat eine Reihe wichtiger
Implikationen. Entscheidend ist der gleiche Rang der Dialogpartner, die
Offenheit des Ergebnisses und die nicht nur diskursiv-sprachlichen Mittel und
Wege der Verständigung. Im Unterschied zum Diskursbegriff wie ihn die an der
Universität Frankfurt/M. wirkenden Philosophen Karl-Otto Apel und Jürgen
Habermas verwenden, der die Methode des vernünftigen Argumentierens zur
letztlich entscheidenden Grundlage macht, kann vom Dialogpartner erwartet
werden, dass er mir etwas zu sagen hat, das ich mir (auf Grund meiner Teilhabe
an einer allgemein menschlichen Vernunft) nicht auch selbst hätte sagen können.
Auch Raúl Fornet-Betancourt, in Lateinamerika
beheimatet und in Deutschland an der Technischen Hochschule Aachen lehrend,
verwendet für seinen Ansatz der interkulturellen Philosophie den Dialogbegriff
an zentraler Stelle. Er organisiert Seminare eines »philosophischen Dialogprogramms« und sucht deren Arbeit
theoretisch zu begründen. Er richtet sich besonders auf die mittel- und
südamerikanischen Kulturen und stellt der »Theologie der Befreiung«, die in
diesem Gebiet entwickelt worden ist,
philosophische und interdisziplinäre »Studien zur Befreiung und
Interkulturalität« zur Seite. Im Kontext der westlichen Philosophie hat er in
den Vertretern der »Diskursethik«, also vor allem Apel und Habermas,
Gesprächspartner gefunden, möchte sich aber auf die Dauer nicht auf eine
»Auseinandersetzung zwischen Diskursethik und Befreiungsethik« beschränken,
sondern sich auch den konkreten Problemen der interkulturellen Kommunikation
stellen.[8] In einer programmatisch konzipierten Schrift
zu seinem Ansatz der interkulturellen Philosophie, den er selbst als eine
»Wende« von »Wegen in die Inkulturation« zur »Interkulturalität« beschreibt,
stellt er deutlich und im Einzelnen heraus, dass es ihm um eine »neue Gestalt
der Philosophie« geht, um eine »Transformation« dessen, was Philosophie ist,
die diese von ihren jeweiligen »monokulturellen« Gestalten zu der des
»interkulturellen Dialogs« führt. Auf diese Weise überwindet die
interkulturelle Philosophie das »System der komparativen Philosophie« und
öffnet sich für »die Idee der Universalität im Sinne eines regulativen
Programms«, die nicht vorgegeben ist, sondern sich konkret herstellt.[9]
Bei
der Dimension des Interkulturellen geht es um regelmäßige und andauernde
Kontakte und Austausch zwischen Vertretern verschiedener Kulturen, die aber im
übrigen in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext verbleiben. Dies ist zur
Abgrenzung der Interkulturalität von der Multikulturalität gesagt. Bei der
letzteren handelt es sich um das Zusammenleben von Menschen, die aus
verschiedenen Kulturen kommen, auf dem Gebiet eines bestimmten Staates und im
Lebenszusammenhang einer bestimmten Gesellschaft. Die Probleme der
Interkulturalität und der Multikulturalität sind in vielen Hinsichten dieselben
oder doch ähnlich, und beide Problembereiche können fruchtbar auf einander
bezogen werden. Dennoch wird es gut sein, sie von einander zu unterscheiden.
Zudem beschränken wir uns in dieser Einführung auf die interkulturelle
Kommunikation auf dem Gebiet der Philosophie.
In einer Studie des niederländischen Autors J. van Brakel findet sich
ebenfalls eine Betonung der Nähe multikultureller und interkultureller
Fragestellungen und eine bewusste Beschränkung auf die philosophischen
Voraussetzungen der interkulturellen Kommunikation. Die nicht-sprachlichen
Aspekte dieser Kommunikation werden herausgestellt, die gerade auch dann eine
wichtige Rolle spielen, wenn der »unverbrüchliche Zusammenhang von Sprache und
Welt« aufgezeigt wird und die interkulturelle Kommunikation sich in Dialogen
vollzieht.[10]
Demgegenüber vertritt Jens Loenhoff in seiner Arbeit über »Interkulturelle
Verständigung« primär einen soziologischen und sprachwissenschaftlichen Ansatz
im Rahmen einer allgemeinen Kommunikationstheorie, freilich ohne deren
philosophische Implikationen zu vernachlässigen.[11]
Dass es bei der interkulturellen Philosophie
um Verstehen und deren Resultat, also Verständigung, geht, liegt auf der Hand.
Es ist deshalb naheliegend, dass Mall seinen Ansatz der interkulturellen
Philosophie als »Hermeneutik« präsentiert, und zwar als eine »Hermeneutik im
weltphilosophisch interkulturellen Kontext«. Dabei erweist es sich als
notwendig, das interkulturelle Verstehen von der Hermeneutik im Sinne
Hans-Georg Gadamers abzugrenzen. Die »Spannung zwischen Fremdheit und
Vertrautheit« nimmt beim
interkulturellen Verstehen noch andere Formen an, als es bei
Verstehensprozessen innerhalb der eigenen Kultur der Fall ist.[12]
In diesem Punkt würde ich die gesteigerte Fremdheit beim interkulturellen
Verstehen radikaler sehen und die Grenzen des Verstehens enger ziehen, so dass
auch zeitweise oder auf Dauer Unverstandenes übrig bleibt. Deshalb scheint es
mir fraglich, ob das gesamte Unternehmen der interkulturellen Philosophie
»Hermeneutik« heißen kann. Die interkulturellen Dialoge führen dazu,
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu konstatieren und Nicht-Verstehbares im
Kontext einer fremden Kultur gegebenenfalls stehen zu lassen und zu
respektieren.
Die Frage der gesteigerten Fremdheit
in der interkulturellen Kommunikation und ihrer Folgen für das Verstehen oder
Nicht-Verstehen des Anderen ist mit bemerkenswerter phänomenologischer Klarheit
und Schärfe von dem Bochumer Philosophen Bernhard Waldenfels untersucht worden.[13]
Seine »Topographie des Fremden« ist für die interkulturelle Philosophie von
großer Bedeutung. Sie führt gewissermaßen von selbst zu »interkulturellen
Diskursen«, wobei der Diskursbegriff freilich nicht im Sinn der
Habermas-Apelschen Diskursphilosophie aufzufassen ist, sondern einfach im Sinn
wissenschaftlich-philosophisch begründeten Sprechens.
Die besondere Stellung des Fremden, seine Eigenart und der Appell, der von
seinem reinen Vorhandensein ausgeht, sind zuerst von dem französischen
Philosophen jüdischen Glaubens Emmanuel Levinas thematisiert worden. Er sieht
im Fremdsein eine elementare Gegebenheit, die jeder aus der Distanz der
philosophischen Reflexion heraus entworfenen Ontologie vorhergeht. Vom Antlitz
des Fremden geht ein ethischer Anspruch aus, den das Ich nicht abweisen kann.
»Der Eintritt des Antlitzes in unsere Welt«, der in ihr eine
unauslöschliche »Spur« hinterlässt,
»geschieht im Ausgang von einer absolut fremden Sphäre – d.h. aber
gerade im Ausgang von einem Absoluten, was übrigens der eigentliche Name der
tiefen Fremdheit ist.«[14]
In Levinas’ Akzentuierung des
Fremden liegt eine wichtige Voraussetzung für die Untersuchungen der in Paris
lebenden Philosophin Julia Kristeva, die aus Bulgarien stammt, zur Frage des
Fremdseins, die von der Differenzphilosophie in ihren verschiedenen Formen
sowie von der Theorie und Praxis der Psychoanalyse ausgehen. Wenn indessen das
Fremdsein, auch das gesteigerte Fremdsein des Anderen aus einer anderen Kultur
oder die »tiefe Fremdheit« im Sinn von Levinas, jeder auch in sich selbst, in
den unbewussten Tiefen seiner Psyche, antreffen kann, gerät es doch wieder zu
einer universalen Struktur, die dann nicht mehr auf die konkrete Erfahrung der
Begegnung mit diesen Anderen angewiesen ist.[15]
Auch Herfried Münkler und Bernd
Ladewig kommen in ihrer »Einleitung« zu dem von ihnen und Karin Meßlinger
herausgegebenen Band einer Forschungsgruppe der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften: Die Herausforderung durch das Fremde zu dem
Ergebnis, dass »Fremdheit gradualisierbar« ist und dass es eine »definitive
Fremdheit in der kognitiv-kulturellen Bedeutungsdimension« gibt, die nicht auf
relatives, immer irgendwie überwindbares Fremdsein reduzierbar ist.[16]
Sie argumentieren jedoch nicht nur philosophisch, sondern vertreten einen
interdisziplinären Ansatz, der seine eigene Relevanz hat, aber außerhalb des
Horizonts dieser Einführung bleibt.
Ähnliches gilt für die Münchener Dissertation von Munasu Duala-M’bedy, der aus Kamerun stammt. In kritischer
Wendung gegen die Kulturanthropologie und ihre Verflechtung mit der kolonialen
Theorie und Praxis der westlichen Länder will er eine »Wissenschaft vom
Fremden« begründen, bei der »die Verdrängung der Humanität« vermieden wird, die
bedingt, dass der Andere nicht als Partner gleichen Rangs akzeptiert wird.
Duala-M’bedy hat dafür den Begriff Xenologie geprägt, der »als
Bezeichnung für den allgemeinen Symbolisierungsprozess der Fremdheitsstrukturen
und deren erkenntnistheoretische Fragen« dienen soll. Dabei wendet er sich
gegen eine »Symbolsprache«, die »Epitheta« wie »Wilde« oder »primitive«,
»schriftlose Naturvölker« verwendet.[17]
Auf der Grundlage dieses Forschungsansatzes ist der Sammelband angesiedelt: Das
Begehren des Fremden, der zugleich Levinas’ Gedanken des Anspruchs, der vom
Antlitz des Fremden ausgeht, ernst zu nehmen sucht.[18]
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Philosoph an der Universität-Gesamthochschule
Kassel, sucht diesen und andere Ansätze des Verstehens fremder Kulturen mit
einander ins Gespräch zu bringen, wie es in dem von ihm herausgegebenen Band: Verstehen
und Verständigung. Ethnologie – Xenologie – Interkulturelle Philosophie (München
2002) dokumentiert ist.
Die
Betonung der gesteigerten Fremdheit des Fremden aus anderen Kulturen soll
indessen nicht darüber hinweg täuschen, dass inter- und intrakulturelle
Probleme mit einander verflochten sind. Elmar Holenstein, Philosoph an der Eidgenössischen
Technischen Hochschule in Zürich, ist dieser Frage nachgegangen, indem er die
Reichweite des »Schulbeispiels Schweiz« untersucht, die ja wie kaum ein anderer
Staat in ihrer Binnenstruktur auf engstem Raum »plurikulturell« ist. Er kommt
zu dem Ergebnis, dass »interkulturelle Verständigung« möglich ist »dank der
intrakulturell ebenso notwendigen spezifisch-menschlichen Fähigkeit zum
Perspektivenwechsel«. Intra- und interkulturelles Verstehen beruhen demnach auf
der Fähigkeit des Menschen, »sich auf den Standpunkt anderer zu versetzen«.
Dies zeigt sich paradigmatisch in der Möglichkeit, fremde Sprachen zu lernen,
in denen man prinzipiell alles ausdrücken kann, was auch in der eigenen Sprache
artikulierbar ist, und mehr als das.[19]
Wenn gesteigerte Fremdheit des interkulturellen Verstehens für diese Konzeption
bedeutet, dass sie nichts anderes bedingt als ein einfaches Weitergehen auf
demselben Weg, auf dem intrakulturelles Verstehen möglich wird, geraten die
spezifischen Probleme der Interkulturalität freilich wieder aus dem Blickfeld.
Auch für Dieter Senghaas, Friedens-,
Konflikt- und Entwicklungsforscher an der Universität Bremen, ist unter den
heutigen kontingenten Bedingungen die europäische Problemlage mit derjenigen in
der gesamten Welt eng verknüpft. Der Zivilisierungsprozess der europäischen
Geschichte, der nicht in den Anfängen schon angelegt war und sich durch viele
Konflikte hindurch verwirklicht hat, führt schließlich zu der »Leitperspektive«
friedlicher Koexistenz. Dieser Prozess, der in der Terminologie Max Webers als
Übergang »traditionaler in moderne Gesellschaften« beschrieben wird, vollzieht
sich in nicht-europäischen Kulturen in vergleichbarer Weise, sofern er auch in
ihnen einen »Konflikt der Kulturen mit sich selbst« hervorruft. Dabei handelt
es sich um ein äußerst komplexes Geschehen, das unter jeweils verschiedenen
geschichtlichen Voraussetzungen »Modernisierungsschübe« und daraus
»resultierende kulturelle Umbruchsituationen« heraufführt.[20]
Der »herkömmlichen Philosophie« bescheinigt Senghaas, dass sie auf Grund
ihrer Begrenzung auf den eigenen Kulturraum »angesichts moderner Wirklichkeiten
notwendigerweise unterkomplex« ist. Vor allem eine Zweiteilung der Welt in die
feindlichen Lager: westlich und nicht-westlich, wie sie von Samuel P.
Huntington konzipiert wird,[21]
wird dieser Wirklichkeit nicht gerecht. Senghaas’ These, dass die Entwicklungen
außerhalb Europas »ohne europäisch-westlichen Bezug nicht zu denken sind«, ist
kontingent und nicht »kulturessentialistisch« gemeint. Sie entspricht der
Auffassung, dass der Universalismus der westlichen Kultur kontingent entstanden
und deshalb nur a posteriori erkennbar ist.[22]
Aus der Situation der Bezogenheit der europäisch-westlichen Kultur auf alle
anderen in der Welt vertretenen ergibt sich für »einen fruchtbaren
interkulturellen Dialog und damit auch für interkulturelle Philosophie« eine
ganz besondere Chance, weil im Kontext dieser Situation »alle Kulturen mehr als
je in der Vergangenheit … mit sich selbst in Konflikt geraten und darüber selbstreflexiv
werden«. Dabei stehen sich die verschiedenen Kulturen nicht als in sich
abgeschlossene Entitäten gegenüber, und das »interkulturelle Gespräch« ist
»zwischen kulturellen Segmenten quer durch die Welt« zu führen. Die besonderen
Bedingungen, unter denen Modernisierung und Verwestlichung in der ganzen Welt
vor sich gehen, verlangen indessen, dass die Eigenarten der jeweiligen Kultur
mit Sorgfalt und Respekt zu erfassen und zu berücksichtigen sind.
Es
gehört zu den Voraussetzungen von Dialogen, dass sie zwischen Partnern geführt
werden, deren Auffassungen dem Rang nach gleich und dem Inhalt nach verschieden
sind. Die Praxis interkulturell philosophischer Dialoge zeigt, dass sie auf dem
Gebiet der Philosophie möglich sind. In Wirtschaft und Politik, auch in
Wissenschaft und Technologie (im westlichen Sinn) besteht ein deutliches
Gefälle an Macht, Einfluss und Kompetenz zwischen den hochindustrialisierten
und -technisierten Ländern des Nordens und den häufig als Entwicklungsländer
bezeichneten Gebieten des Südens. Das findet seinen Ausdruck in der Theorie und
Praxis der Entwicklungspolitik. Von gleichen Positionen kann dabei (vorerst)
nicht die Rede sein. Und die Kommunikationsform der Dialoge ist allenfalls
partiell oder in Ansätzen zu verwirklichen. Diese herrschende Perspektive mag
eine Rolle spielen, wenn in der Philosophie die Voraussetzung der Gleichheit
dem Rang nach nur schwer allgemeine Anerkennung findet.
Auf dem Gebiet der Kunst ist die
Anerkennung der Gleichheit der Kulturen und die Praxis gegenseitiger
Kenntnisnahme und gegenseitigen Austauschs bereits weiter gediehen als in der
Philosophie. Der »Japonismus« van Goghs
und einiger Zeitgenossen, der Einfluss afrikanischer Masken auf Picasso, Braque
und De Vlaminck, bis hin zu den gegenseitigen Besuchen von Dogon-Künstlern aus
dem heutigen Mali und Malern der niederländischen Cobra-Gruppe oder der
»afrikanisch-europäischen Inspiration«, die vier togolesische und fünf deutsche
Künstler bei einer Zusammenarbeit in Pedakondji in Togo erfahren und die in
mehreren deutschen Museen dokumentiert wird, sind Meilensteine auf diesem Weg.[23]
Eine repräsentative Ausstellung von Werken zeitgenössischer westlicher
Künstler, die 1984 in New York stattfindet und die wesentliche Anregungen durch
nicht-westliche Kunstäußerungen aufzuzeigen sucht, hat als Titel »Primitivism«
in 20th century art, wobei »Primitivism« in Anführungsstrichen
steht. Eine umfangreiche und differenzierte Präsentation nicht-westlicher Kunst
durch westliche Kuratoren in der Ausstellung Magiciens de la Terre 1989
in Paris vermeidet diesen Begriff. Und als wiederum fünf Jahre später im Institut
du Monde Arabe in Paris Rencontres africaines auf dem Gebiet der
bildenden Kunst gezeigt werden, sind es arabische Organisatoren, die
subsaharische Kunst und subsaharische Ausstellungsmacher, die
nordafrikanisch-arabische Kunst auswählen und darbieten.[24]
Man wird also sagen können, dass auf
dem Gebiet der bildenden Kunst interkulturelle Dialoge nicht nur größere
Anerkennung finden, sondern auch eher begonnen haben als in der Philosophie.
Sie können die entsprechenden Versuche von Philosophen ermutigen und stärken.
Wenn es für das allgemeine Bewusstsein annehmbar erscheint, dass es Kunst, wenn
auch nicht unter diesem Namen, in allen Kulturen gibt und gegeben hat und dass
ein Austausch von Kunst zwischen den Kulturen interessant und für alle
Beteiligten förderlich ist, wird man eher geneigt sein, entsprechende Thesen
für die Philosophie als nicht verfehlt oder an der Sache vorbeigehend zu
beurteilen. So wird vielleicht auch der Eurozentrismus der westlichen
Philosophie seit der Aufklärung besser überwindbar. Und man kann davon
ausgehen, dass durch die Tatsache interkultureller Dialoge in Kunst und Philosophie
die Formen des Miteinander-Umgehens von Vertretern verschiedener Kulturen in
Wirtschaft und Politik und in Wissenschaft und Technologie die Anregung
erfahren, soweit es geht dialogischer zu sein. Auf dem Gebiet der
Religionen liegt diese Sache besonders kompliziert und erfordert eingehendere
Erörterung, die im 3. Abschnitt des 1. Kapitels vorgetragen wird.
Dass es in Kunst und Philosophie,
wenn auch mit zeitlicher Verschiebung, entsprechende Entwicklungen gibt, beruht
m.E. auf einer tiefer gehenden Nachbarschaft beider Phänomene. In diesem
Zusammenhang habe ich die zu verbreiteten Annahmen quer stehende These
aufgestellt, dass es in Kunst und Philosophie im Blick auf das eigentlich
Künstlerische bzw. eigentlich Philosophische keine Geschichte und jedenfalls
keinen Fortschritt gibt. Geschichtliche Entwicklungen und Fortschritte gibt es
lediglich im Blick auf die technischen Mittel und Möglichkeiten, die von
Künstlern und/oder Philosophen für ihre Arbeit benutzt werden. Aber
Computergrafiken sind nicht qualitativ besser oder weiter entwickelt als
Ölgemälde. Und gedruckte Texte oder auch digital gespeicherte haben keinen
Vorteil gegenüber philosophischen Äußerungen, die mit der Hand geschrieben oder
in mündlicher Überlieferung weiter gegeben worden sind.
Die Gemälde in den Höhlen von Lascaux, die mehr als 20.000 Jahre alt sind,
werden durch keine späteren Werke der bildenden Kunst übertroffen. Und es
ergibt keinen Sinn zu sagen, dass Kant und Hegel oder Heidegger und
Wittgenstein bessere Philosophien hervorgebracht haben, als Laozi und Kongzi
oder als Platon und Aristoteles, die Tausende von Jahren früher gelebt und
philosophisch gearbeitet haben, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Was
vor allem Hegel als Geschichte der Philosophie konzipiert hat und was seiner
Meinung nach durchaus und in wesentlicher Hinsicht Fortschritte enthält,
bezeichnet genau genommen Zusammenhänge des Weiterdenkens und Aufbauens auf
früher Gedachtem innerhalb eines bestimmten Traditionszusammenhanges, wobei
auch kritische Bezugnahmen an der Tagesordnung sind, ohne dass die späteren
Philosophien die vorangehenden in qualitativem Sinn übertreffen würden.[25]
Seit den Berichten an den »Club of Rome« über Grenzen
des Wachstums (hg. von D.L. Meadows u.a., 1972) und Menschheit am
Wendepunkt (hg. von M. Mesarovic/E. Pestel, 1974), sowie dem Bericht des
amerikanischen Präsidenten Carter Global 2000 (hg. vom »Council on
Environmental Quality« und vom US-Außenministerium) und dessen Fortschreibung Global
Future mit dem Untertitel »Es ist Zeit zu handeln« (1980/81) ist die Rede
von dem global village und dem »kleinen Planeten«, auf dem wir leben und
mit dessen geringer werdenden Ressourcen wir uns einrichten müssen, fast zu
einem Gemeinplatz geworden. Der Bericht der »World Commission on Environment
and Development« unter der Leitung von G.H. Brundtland: Our Common Future
(1987) sucht die Umweltweltprobleme und eine »dauerhafte Entwicklung«, die
durch eine maßvolle Politik gelenkt werden muss, im Weltmaßstab zusammen zu
bringen. Es ist jedoch fraglich, ob dies gelingen kann, wenn der Gedanke einer
zwar kontrollierten, aber im Prinzip ins Unendliche weitergehenden Entwicklung
festgehalten wird.
Inzwischen ist durch den
Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens und die zahlreichen ethnischen
Konflikte, die damit gepaart gehen und die auch an anderen Stellen der Welt
ausbrechen (man denke nur an Ruanda, Ost-Timor oder Zentralasien), auch die
Gegenbewegung zur Globalisierung für jedermann sichtbar. Diese gegenläufigen
Bewegungen, mit denen wir seitdem zu tun haben, geschehen indessen in
Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Technologie, Religion, Kunst und
Philosophie unter je verschiedenen Bedingungen, die eine genauere Analyse
berücksichtigen muss.
Es zeigt sich immer wieder, dass die Wirtschaft die
stärkste Kraft ist, die auf großräumige Entwicklungen und weltweite
Verflechtungen hindrängt. Die Ausdehnung des gemeinsamen Marktes, wie sie sich
in Europa vollzieht, um zu den ohnehin sehr viel größeren Wirtschaftseinheiten
Nordamerikas ein Gegengewicht bieten zu können, bis hin zur Einführung des Euro
an der Jahreswende von 2001 zu 2002, ist eines der hervorstechendsten
Beispiele. Aber auch die Zusammenarbeit der Länder, die Handelsbeschränkungen
aufheben oder vermindern wollen, und der 7 bis 8 größten Industriestaaten (ohne
oder mit Russland) machen regelmäßig von sich reden. Diese Entwicklungen der Märkte bedingen immer größere und
effektivere Produktionsweisen und Produktionseinrichtungen. Kleinbetriebe und
auf übersehbare Absatzgebiete eingerichtete Produktionsstätten werden in den
gewaltigen Sog dieser Ausdehnungsbestrebungen mit hinein gerissen und können
ihm auf die Dauer wenig entgegensetzen. Die Bürgerbewegungen, die sich gegen die Beschädigung der Umwelt durch
diese Tendenzen richten, sind buchstäblich vom herrschenden
wirtschaftlich-politischen System aufgesogen und in ihren Forderungen auf
minimale Maße zurückgebracht worden.
Die
internationalen Protestbewegungen, die gegen wirtschaftliche Globalisierung
kämpfen, weisen vor allem darauf hin, dass diese den reichen Ländern und
innerhalb dieser Länder einigen wenigen sehr viel mehr als der breiten Masse
zugute kommen. Die Schere zwischen reich und arm oder in den Industrieländern
zwischen reich und nicht-reich klafft allenthalben immer weiter auseinander.
Vor allem Subsistenzökonomien und lokale Märkte, wie es sie in Afrika und
anderen industriell weniger entwickelten Gebieten der Welt noch gibt, können
sich diesen Entwicklungen gar nicht oder nur sehr mühsam anschließen und
geraten in bitterste Armut. Schließlich sind hier die Krisen in der
hochentwickelten landwirtschaftlichen Produktion der westlichen Welt zu nennen
(BSE- und MKS-Krise), die Gegenkräfte zur Globalisierung auf den Plan rufen.
Die wenigen biologisch und umweltfreundlich produzierenden Agrarbetriebe
gewinnen in diesem Zusammenhang etwas an Boden und können ihre wirtschaftliche
Position stärken.
Die Politik sucht in erster Linie der wirtschaftlichen
Globalisierung zu folgen und für diese günstige Bedingungen zu schaffen. Die
Machtverhältnisse zwischen Wirtschaft und Politik lassen auch kaum etwas
anderes zu. Das lässt sich schon daran ablesen, dass das Jahresbudget eines
internationalen Konzerns den Haushalt eines Staates bei weitem übertrifft. Und
dies gilt auch für mittelgroße und große Staaten wie Deutschland oder die USA.
So soll dem gemeinsamen europäischen Markt eine politische Union der
entsprechenden Staaten folgen. Von Nordamerika geht ein wachsender Einfluss aus
auf die mittel- und südamerikanischen Staaten. Und die Liga der arabischen
Staaten ist in zunehmendem Maß um eine gemeinsame politische Linie bemüht. In
Afrika sind die Bestrebungen, zu regionalem Zusammenschlüssen zu kommen, wie
die Zusammenarbeit von Uganda, Kenia und Tansania in Ostafrika, die politische
Annäherung der ECOWAS-Staaten in Westafrika, und erst recht die panafrikanische
Bewegung sehr viel weniger erfolgreich. Aber auch hier bleibt die OAS in ihren
regelmäßigen Konferenzen um politische Koordination bemüht.
Im
weltweiten Maßstab nehmen die Einflussmöglichkeiten der UNO eher ab. Das hat
wohl mit dem Verschwinden des Ost-West-Gegensatzes zu tun, in dem den Vereinten
Nationen unter bestimmten Bedingungen eine Vermittlerrolle zufiel, da die
Länder der damals sogenannten »Dritten Welt« bei Konflikten mit zu entscheiden
hatten. Seitdem spielen die USA ihre Rolle als einzig übrig gebliebene
Supermacht, die überall in der Welt regulierend und die Interessen freier
demokratischer Politik schützend einzugreifen in der Lage und bereit ist, mehr
schlecht als recht. Dabei stehen entsprechende Aktionen (in Somalia, in der Region
des Persischen Golfs, besonders im Konflikt mit dem Irak und Afghanistan, und
auf dem Balkan) häufig quer zu den Einflussmöglichkeiten der UNO. Wenn die
amerikanische Regierung einen international breit angelegten Kampf gegen den
Terrorismus inszeniert (übrigens mit bewusster Einschaltung des
Sicherheitsrates der UNO), kehrt sie zu einer ideologischen Zweiteilung der
Welt zurück. So richtig es ist, zwischen dem Islam und dem Terrorismus zu
differenzieren, kann ein einfaches Freund-Feind-Denken zwischen Terroristen auf
der einen Seite und Ländern mit freiheitlich-demokratischen Verfassungen auf
der anderen Seite, das ja keineswegs der Wirklichkeit entspricht, nicht zu den
Bemühungen beitragen, der Regionalisierung als Differenzierung gerebht zu
werden, die inmitten der wirtschaftlichen und politischen Vereinheitlichung
kulturelle Sonderbedingungen anerkennt.
Vom Zerfall der Sowjetunion und
dem Jugoslawien, das Tito gegründet hat, sowie den ethnischen Konflikten, die
daraus entstanden sind, war schon die Rede. Der Begriff und die Sache der
»ethnischen Säuberungen« sind noch in schreckensvoller Erinnerung. Ebenso die
grausamen Militäreinsätze der türkischen Regierung gegen die
Selbstständigkeitsbestrebungen der kurdischen Minderheit. Ethnische Spannungen
und Kriege, die sich zwischen Hutu und Tutsi bis zum Völkermord gesteigert
haben, findet man an vielen Stellen in Afrika. Der Versuch, die ethnischen
Unterschiede positiv einzubringen, wie etwa in Äthiopien, wo in einem
demokratischen System an die Stelle politischer Parteien ethnische Gruppen
getreten sind, hat nicht zu überzeugenden Ergebnissen geführt. Der schwierige
Prozess, die Besonderheit der verschiedenen Regionen, die am ehesten kulturell
zu definieren ist, im Zusammenwachsen der Welt zu einer großen Einheit auf
friedlichem Weg zur Geltung zu bringen, ist in der Praxis noch nicht sehr
erfolgreich.
Im Spannungsfeld von wirtschaftlicher und politischer
Globalisierung und Regionalisierung sind die gigantischen Migrationsströme zu
erwähnen. Viele Menschen flüchten aus Konfliktgebieten in Regionen, wo sie
sicherer sind. Und viele suchen in den Industrieländern ein besseres Leben, als
es in den weniger industriell entwickelten Gebieten erreichbar ist.
Wirtschaftliche Interessen, denen es um billige oder in bestimmter Hinsicht
qualifizierte Arbeitskräfte geht, und politische Abschottungsmaßnahmen, die
einer wachsenden Anzahl sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge den Zugang zu den
Industrieländern verwehren sollen, sind
dabei oft nur mühsam auf einander abzustimmen. Die multikulturellen
Gesellschaften, die so entstehen, werden allermeist kritisch gesehen. Für die
dabei entstehenden Probleme findet die Politik selten adäquate Lösungen. Der
Hinweis darauf, dass in der Tatsache der Anwesenheit von Menschen aus vielen
verschiedenen Kulturen auf dem Gebiet eines Staates auch entschieden positive
Möglichkeiten liegen, der auch von philosophischer Seite aus gegeben wird,
findet wenig Gehör. Man kann gespannt sein, was sich bei dem in dieser Hinsicht
ziemlich einmaligen Experiment der Republik Südafrika ergeben wird, das den
Gedanken der »Rainbownation« bewusst als positiven Ansatz propagiert.
Die
ideologischen Unterschiede zwischen der westlichen und der islamischen Welt
können im Sinn einer neuen Polarisierung in zwei feindliche Lager aufgefasst
werden. Um dem entgegen zu wirken, spielt der Begriff des Dialogs in der
Politik eine nicht unbedeutende Rolle. Ein Dialog der Kulturen und der
Religionen soll die gemäßigten Kräfte beider Seiten zueinander führen und die Fundamentalisten
bzw. »hard liner«, die es in beiden Lagern gibt, isolieren. Ein Dialog, der auf
diese Weise funktionalisiert wird und politischen Zielen dienen soll, kann
freilich nur in einem eingeschränkten Sinn so heißen. Aber er kann dennoch ein
Element der Verständigung und des Ausgleichs bilden, das in der
wirtschaftlichen und politischen Doppelbewegung von Globalisierung und
Regionalisierung in der Lage ist, zu dem Entstehen eines Gleichgewichts
zwischen beiden etwas beizutragen.
Die Wissenschaften, die seit langem international
betrieben werden, haben ihre eigenen Bedingungen der Zusammenarbeit. Die
Experimente sehr avancierter Wissenschaften wie der theoretischen Physik
erfordern einen Aufwand auch an finanziellen Mitteln, den ein einzelner Staat
nicht zur Verfügung stellen kann. Für Biochemie und Pharmazie bieten sich
Standorte in der Umgebung entsprechender Industrien an, und die Genforschung
siedelt sich in Staaten an, die den Wissenschaftlern auf diesem ethisch
sensiblen Gebiet die größten Spielräume lassen. In allen Fächern und
Disziplinen sorgen zahllose Kongresse und Konferenzen für einen Austausch auch
über die Grenzen einzelner Länder und Kontinente hinweg. Auf die Sonderstellung
der Philosophie, die mit ihrer Nachbarschaft zur Kunst zusammenhängt, gehe ich
im 4. Abschnitt näher ein.
Insgesamt gibt es freilich ein
deutliches Gefälle zwischen den mehr und den weniger industriell entwickelten
Ländern, das einfach von den vorhandenen finanziellen Möglichkeiten abhängt.
Universitäten, Institute, Laboratorien, Bibliotheken, elektronische Apparate
usw. kosten viel Geld. Aber auch hier gibt es, gerade auch in neu entstehenden
Wissenschaften wie der Computerkunde, einzelne Gegenbewegungen. Es ist
erstaunlich genug, dass Deutschland auf dem zuletzt genannten Gebiet Fachkräfte
aus Indien, den osteuropäischen Ländern und den Balkanstaaten anwerben muss.
Geisteswissenschaften scheinen gewissermaßen Luxusfächer zu sein, die in
reichen Ländern am ehesten gedeihen, während in den Sozialwissenschaften und in
der christlichen Theologie bestimmte innovative emanzipatorische Impulse auch
von weniger entwickelten Teilen der Welt, etwa Süd- und Mittelamerika oder auch
Südafrika, ausgehen. Insbesondere sind hier die »Theologie der Befreiung« aus
Süd- und Mittelamerika und die »Schwarze Theologie« aus Südafrika zu erwähnen.
Aber auch »weiße Afrikaner« bemühen sich, die Verbindung zwischen Kolonisierung
und Missionierung kritisch zu sehen und zu korrigieren. Darauf komme ich im folgenden
Abschnitt zurück.
Schwierige politische und ethische Probleme entstehen
bei der Anwendung der Wissenschaften. Was gesellschaftlich und vor allem auch
militärisch relevant ist, wird oft genug am meisten gefördert. Die
wirtschaftliche, aber auch die politische oder in der öffentlichen Meinung
bestehende »Konjunktur« beeinflusst die Entwicklung und Förderung der
Wissenschaften. Diese Probleme spitzen sich zu, wenn bestimmte
wissenschaftliche Ergebnisse in der Waffentechnik verwendet werden. Dass die Ergebnisse
der Mikrophysik, insbesondere der Quantenmechanik, für den Bau von Atomwaffen
verwertet werden, hat zu Gewissenskonflikten bei den betroffenen
Wissenschaftlern und zu intensiven Reflexionen über die »Verantwortung der
Wissenschaft« geführt. Neben zahlreichen Texten, auch Zeitungsartikeln von
Carl-Friedrich von Weizsäcker ist hier die Präzisierung des
Verantwortungsbegriffs durch Hans Jonas zu erwähnen.[26]
Es geht um die im Grunde nicht zu beantwortende Frage: Kann der
Forschungsprozess sich selbst begrenzen oder von außen her, etwa mit
politischen oder rechtlichen Mitteln, so begrenzt werden, dass für die Menschen
schädlichen Anwendungen vermieden werden, jedenfalls sofern er riesige, für den
Bestand der Menschheit gefährliche Ausmaße annimmt?
Ähnliches
gilt für die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Produktion
chemischer oder biologischer Waffen. Es gehört zur weltweiten Verbreitung von
Wissenschaft und Technologie, dass Massenvernichtungsmittel, die auf
physikalischen, chemischen und biologischen Erkenntnissen beruhen, auch von
ideologisch fanatisierten oder schlichtweg verbrecherischen Individuen oder
Gruppen gebraucht werden können. Hier liegt im Zeitalter des international
operierenden Terrorismus eine konkrete Gefahr. Die Ergebnisse der Genforschung
können zur Manipulation der menschlichen Erbanlagen eingesetzt werden. Diese
Möglichkeit ruft geradezu Horrorvisionen hervor, die in Aldous Huxleys Schöner
neuer Welt einen noch geradezu harmlosen Vorläufer haben.[27]
Andererseits lassen sich die Ergebnisse dieser Forschung auch verwenden, um die
Anfälligkeit der Menschen für bestimmte Krankheiten zu vermindern oder um
Heilmittel gegen gefährliche Krankheiten zu erproben und herzustellen. Das
ethische Dilemma der Begrenzung der Forschung kann nicht durch prinzipielle
Beschlüsse, sondern nur dialogisch gelöst werden, indem durch Fachleute,
Vertreter gesellschaftlicher Gruppen, Politiker und Ethiker konkrete Fragen
beraten und entschieden werden.[28]
Die
technisierten und hochtechnisierten industriellen Produktionsweisen bedingen
gewaltige Steigerungen der Produktivität und Erleichterungen für die Menschen
von der Last schwerer Arbeit. Dies ist bis heute regional nicht gleichmäßig
über die verschiedenen Gebiete der Welt verteilt. Und es gibt unerwünschte
Nebenwirkungen dieser Produktionsweisen, sofern sie zu Belastungen der Umwelt
führen. Hier stellen endogene Technologien in wenig industrialisierten Ländern
eine Gegenbewegung dar. Diese sind letztlich weniger effektiv, zeigen aber doch
Möglichkeiten und Wege umweltschonender Produktion auf, die auch für die
Industrieländer relevant sein können. Die von den Niederlanden aus koordinierte
Bewegung COMPAS organisiert zahlreiche Modelle in vielen wenig
industrialisierten Ländern zur Förderung »endogener Entwicklung«.[29]
Die Computertechnologie
oder im weiteren Sinn die elektronischen Medien stoßen auch in den Fragen
der Globalisierung und Regionalisierung in theoretisches und praktisches Neuland
vor. Dass einfache Grundvorgänge eines dualen Rechensystems auf vielen Gebieten
eine immense Erhöhung der Effektivität ermöglichen und dass räumlicher Abstand
praktisch keine Rolle mehr spielt, stimuliert auch bei relativ jungen Menschen
und in relativ entlegenen Gebieten Phantasie und Experimentierfreudigkeit,
die zu erstaunlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten führen, sofern überhaupt
brauchbare Apparatur vorhanden ist. Es gilt freilich auch hier, was bei jeder
Technologie zu beachten ist, dass sie eine Eigendynamik entfaltet, die vergessen
machen kann, dass sie ein Mittel und nicht Selbstzweck ist. Schon seit längerem
wirft die »technische Zivilisation« Fragen auf, die auch von der Philosophie
angegangen werden müssen.
[30]
In der Geschichte haben die Religionen im Zusammenleben
der Völker und Kulturen eine höchst ambivalente Rolle gespielt. Das gilt
insbesondere für die sogenannten monotheistischen Hochreligionen, also
Judentum, Christentum und Islam. Einerseits predigen sie Toleranz und Frieden,
Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Und andererseits beanspruchen sie, dass sie
jeweils die einzig wahre Religion seien, der sich folgerichtig alle Menschen
anzuschließen hätten. Letzteres führt immer wieder zu Religionskriegen und zu
den Versuchen, die Menschen, die einer anderen Kultur und Religion angehören,
zu missionieren. Dabei werden notfalls kriegerische Mittel gebraucht oder es
wird mit gewaltsamer Kolonisierungs- und Unterdrückungspolitik
zusammengearbeitet. In der Summe sind bei weitem die meisten Kriege und
gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Geschichte der Menschheit von
Religionen oder aus religiösen Motiven geführt worden. Das wirkt bis heute
weiter, sei es in dem viele Jahrzehnte andauernden bewaffneten Konflikt
zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland, in der militanten Bewegung
des islamischen Djihad, den eine Gruppe von Palästinensern gegen Israel führt,
oder in den Kriegen auf dem Balkan zwischen islamischen Menschen albanischer
und anderer Abstammung und slawischen Gruppierungen, die der
serbisch-orthodoxen Kirche angehören.
Animismus,
Hinduismus und Buddhismus sind nicht monotheistisch und erheben nicht einen
solchen in sich unlogischen Absolutheits- und Universalitätsanspruch.
Hinduismus und Buddhismus werden dabei häufig auch zu den Hochreligionen
gerechnet und suchen Anhänger des Animismus zu missionieren. Dieses
Überlegenheitsdenken in Begriffen von hoch und niedrig steht ebenfalls quer zu
den sonst verkündigten Prinzipien der Toleranz und Menschenliebe. So gesehen,
gebührt dem Animismus das Lob, sich solcher Unlogik und Militanz nicht schuldig
zu machen. In der heutigen Zeit, in der auch in den Industrieländern viele nach
einem neuen Verhältnis zur Natur suchen, in dem diese respektiert und in Ehren
gehalten wird, sind die Verehrung der Natur und des Lebens im Animismus im Grunde
hochaktuell. Aber die Animisten haben häufig die Einschätzung internalisiert,
selbst auf einer niedrigeren Stufe zu stehen als die sogenannten
Hochreligionen. Das hängt freilich damit zusammen, dass in bestimmten
kolonisierten Gebieten mit dem Übertritt vor allem zum Christentum und Islam
ein sozialer Aufstieg gepaart geht.
Die
Vertreter der verschiedenen großen Religionen, besonders auch die Theologen,
gelegentlich im Konflikt mit den offiziellen Kirchen, arbeiten daran, die
praktischen und theoretischen Probleme zu überwinden, die durch den
Absolutheitsanspruch und die Missionierungsbestrebungen entstanden sind. Es
gibt zahlreiche Ansätze zu »interreligiösen Dialogen«, bei denen häufig auch
»ethische Perspektiven« im Vordergrund stehen. Ich möchte hier das Projekt
Weltethos des in gewisser Weise zum Ketzer abgestempelten katholischen
Theologen Hans Küng besonders hervorheben.[31]
Er sucht zu zeigen, dass »Dialogfähigkeit und Standfestigkeit« nicht notwendigerweise »Gegensätze« sind. Dabei
sagt er zu Recht, dass ein Dialog bei den beteiligten Partnern »Standpunkte«
voraussetzt. Der Schritt von dieser Voraussetzung zur Standfestigkeit führt
indessen nicht in überzeugender Weise zu einem absoluten oder als allein
richtig erklärten »Glaubensstandpunkt«.
Überdies gewahrt Küng »in der
Kulturlandschaft dieser Erde … gegenwärtig noch drei große …
religiöse Stromsysteme», nämlich (1) »die Religionen semitischen Ursprungs«,
die einen »prophetischen Charakter« haben: Judentum, Christentum und Islam; (2)
»die Religionen indischer Herkunft«, die einen »mystischen Charakter« haben:
frühe Religion der Upanishaden, Buddhismus und Hinduismus; (3) »die Religionen
chinesischer Tradition«, die eine »weisheitliche Ausprägung« zeigen:
Konfuzianismus und Daoismus. Das ist eine klare und auf Ausgewogenheit bedachte
Übersicht. Sie zeigt jedoch, dass auch Küng keinen Blick für den Animismus hat,
den er gegenwärtig für überholt anzusehen scheint, der aber immer
noch auf großen Teilen der irdischen Kulturlandschaft anzutreffen ist und
dessen Eigenart von Spiritualität (Geisterglaube) und Naturverbundenheit
bestimmt wird. Wie jede Form von
Absolutheitsanspruch von der Seite der interkulturellen Philosophie aus zu
kritisieren ist, hat diese auch auf die Auswahl der Religionen den Finger zu
legen, die den Animismus vergisst oder auslässt.[32]
Die afrikanische christliche
Theologie seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts nimmt die traditionell
afrikanischen Religionen, die durchweg animistisch sind, sehr wohl ernst, und
sie nimmt zahlreiche Elemente dieser Religionen in das Christentum auf.
Hervorstechende Beispiele sind: Ghana und (seit 1994) Südafrika. Der
»gemeinsame Boden«, auf dem christliche Mission und Kolonisation in Afrika (und
anderswo in der Welt) gewachsen sind, sowie die Art und Weise, wie beide unter
einer Decke gespielt haben, nicht nur in dem Sinn, dass die erstere immer
wieder »ideologische Rechtfertigungen« für die letztere hervorgebracht hat,
sind unbestritten.[33]
Dennoch erlebt das Christentum in der heutigen Zeit in Afrika südlich der
Sahara eine ungeahnte Konjunktur. Ähnliches gilt für den Islam in Ländern wie
Senegal, Mali, Niger oder den nördlichen Gebieten Nigerias. Im Sudan befindet
sich der nördliche islamische Teil mit der Hauptstadt Khartum mit dem südlichen
Teil, in dem überwiegend Christen wohnen, seit langem in einem
bürgerkriegsähnlichen Konflikt.
Für viele christliche Theologen
in Afrika wird zwar nicht die christliche Missionstätigkeit und ihre
theoretische Begründung, wohl aber die christliche Religion von der allgemeinen
Kritik am Kolonialismus ausgenommen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die
»nachkoloniale« Situation in Afrika von derjenigen in den arabischen und
fernöstlichen Ländern, wo christliche Mission von fundamentalistischen Moslems
oder Hindus nicht nur kritisiert, sondern entschieden bekämpft wird. In Afrika
südlich der Sahara werden den »Missionskirchen« an vielen Stellen unzählige
»unabhängige afrikanische christliche Kirchen« hinzugefügt. Allein in Südafrika
sind es mehr als 1000, und von Ghana sagt die niederländische Theologin Gerrie
ter Haar, dass die »Erstaunen erweckende Vielfalt« dieser Kirchen »den
individuellen Gläubigen ein breites Band an Wahlmöglichkeiten« bietet.[34]
Der südafrikanische Theologe Gerrit Brand, der zur Bevölkerungsgruppe der
»Boeren« gehört, versucht, auf der Grundlage einer Reihe mehr historisch
argumentierender Beiträge am Beispiel der »Lehre von der Erlösung« eine
»Typologie der bestehenden Ansätze« schwarzer oder afrikanischer christlicher
Theologie zu entwickeln.[35]
Sofern dabei animistische und christliche religiöse Motive nach heutigen
Einsichten und Bedürfnissen mit einander verbunden werden, ist ein solcher
Ausgangspunkt am ehesten geeignet, im Verhältnis der Religionen zu einander
Offenheit und dialogische Wechselbeziehungen zu ermöglichen.
Von der Vorreiterrolle der interkulturellen Kunst
gegenüber der interkulturellen Philosophie war im Abschnitt 3 der Einleitung
bereits die Rede. Man kann sagen, dass die Kunst insofern an den Prozessen der
Globalisierung beteiligt ist, als die westliche Kunst seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts zunehmend Anregungen von der Kunst nicht-westlicher Länder
erfahren hat, auch wenn diese dort traditionellerweise nicht unter dem Namen
von »Kunst« produziert und gesellschaftlich verwendet worden ist.
Bekanntermaßen werden Masken, kleine und große Holzplastiken,
Fruchtbarkeitssymbole, Ahnenpfähle und dergleichen in Afrika, Südamerika oder
den ozeanischen Gebieten in rituellen Zusammenhängen gebraucht. Besonders
beeindruckt bin ich von den gewaltigen Holzplastiken der Asmat im indonesischen
Teil Neuguineas, die zu jedem der jährlich wiederkehrenden religiösen Feste neu
hergestellt werden.[36]
Wenn es wahr ist, dass die Pyramiden als Grabmäler im alten Ägypten, die aus
Stein gemeißelten Statuen der Götter in der griechischen und römischen Antike,
die romanische und gotische Architektur christlicher Kirchen im Mittelalter,
das Theater und die epische Literatur in der Antike, im England und Spanien der
beginnenden Neuzeit, sowie in den klassischen Produktionen vieler europäischer
Länder und die Musik im Europa der klassischen und romantischen Periode
weltweite Höhepunkte erreicht haben, gilt dasselbe für die Holzschnitzkunst der
Asmat und anderer ethnischer Gruppen in den genannten Gebieten bis in unsere
Zeit.
Die Kunstproduktion der
nicht-westlichen Länder hat sich indessen auf die Interessen und Bedürfnisse
westlicher Touristen und Kunsthändler eingestellt. Es kommt zu dem Phänomen der
»Airport Art«, das sind Kunstwerke, die in nicht-westlichen Ländern gemacht und
dem Geschmack der westlichen Besucher angepasst werden, so dass letztere zum
Kauf und zur Mitnahme als Erinnerungsstück angeregt werden. In den westlichen
Museen für Völkerkunde werden viele Ausstellungsstücke je länger desto mehr
nicht mehr als Dokumente des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens in
anderen Teilen der Welt, sondern als Kunstgegenstände aus anderen Kulturen
präsentiert. Der Reichtum asiatischer, ozeanischer und afrikanischer Kunst, der
in westlichen Museen vorhanden ist und gezeigt wird, ist unermesslich. Und auf
den internationalen Kunstmärkten finden sich immer mehr Kunstwerke aus
nicht-westlichen Ländern zu ständig steigenden Preisen. Dabei ist sowohl die
quantitative Zunahme als auch die Konzentration auf qualitativ sehr hochwertige
Kunstwerke zu beobachten. Die erstgenannte Tendenz zeigt sich etwa in der
Tatsache, dass afrikanische Kunst auch in großen Warenhäusern der westlichen
Welt angeboten wird. Für die letztere nenne ich als Beispiel den Katalog zu der
Ausstellung »Ife, Akan und Benin. Gold und Bronzen aus Westafrika« im
Schmuckmuseum Pforzheim im Sommer 2000, die von der »Stiftung Vergessene
Kulturgüter« organisiert worden ist.[37]
Es ist
bekannt, dass in der Musik eine Reihe neuer Musikstile wie Jazz oder Reggae,
bestimmte Richtungen der Popmusik und die Benutzung von Trommeln, die sich auch
in der westlichen Welt größter Beliebtheit erfreuen, von Afrika und der afrikanischen Diaspora in Nord-, Mittel-
und Südamerika ausgegangen sind. Einerseits gibt es eine scharfe gegenseitige
Abgrenzung dieser Stilrichtungen und der klassisch-romantischen sowie der
modern-klassischen Musikausübung von einander, wobei die letzteren in den
westlichen Ländern beheimatet sind und auch in anderen Teilen der Welt, etwa
China, Japan oder Südafrika hoch geschätzt werden. In dieser Hinsicht lassen
sich weit verbreitete Gemeinsamkeiten des Geschmacks quer zu den jeweiligen
nationalen oder kulturell zu definierenden Zugehörigkeiten (westlich, östlich,
afrikanisch, ozeanisch und dergleichen) beobachten. Andererseits öffnen sich
die genannten neuen Stilrichtungen und die klassisch bestimmte Musikausübung in
letzter Zeit auch für einander. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass in den
Gesangsabteilungen der westlichen Hochschulen für Musik auch Unterricht für
Sänger der Popmusik (»Belting voice«) angeboten wird.
Es ist schwer zu begreifen, dass in der Philosophie die
doppelte Bewegung von Globalisierung und Regionalisierung kaum eine Rolle
spielt. In der offiziellen westlichen Philosophie, wie sie an den Universitäten
betrieben wird, wird auf dieses Geschehen kaum reflektiert. Und in ihrem
eigenen Bereich bestehen große Hindernisse, entsprechende Prozesse zuzulassen.
In der westlichen Philosophie herrscht noch immer eine eurozentrische
Grundkonzeption vor, die Philosophie im eigentlichen Sinn auf Europa begrenzt
wissen will. Diese Position wird zwar hier und da durchbrochen, aber nicht
wirklich überwunden. (Siehe dazu Kapitel II.) Die philosophischen Aspekte der
Ethnologie und die seit dem 19. Jahrhundert aufkommende Vergleichende
Philosophie mit ihren Möglichkeiten und Grenzen sind in der Einleitung bereits
erwähnt worden und sollen im Kapitel III. genauer betrachtet werden. Es passt
zu diesem Bild der Gesamtsituation, dass die verschiedenen Ansätze einer
interkulturellen Philosophie, die international bereits zahlreiche wichtige
Forschungsergebnisse hervorgebracht haben, in den Curricula der
Philosophie-Ausbildung der westlichen und auch der nicht-westlichen
Universitäten noch keinen oder einen sehr marginalen Platz gefunden haben.
Kapitel IV. bietet eine Übersicht dieser Ansätze. Der tiefere Grund hierfür
liegt wohl darin, dass der Philosophiebegriff selbst zur Diskussion gestellt
wird, wenn die Denkarbeit, die in anderen Kulturen geleistet wird, in den
internationalen philosophischen Diskurs, der bisher zwischen westlichen Ländern
unter Einbeziehung einiger fernöstlicher Länder geführt wird, im vollen Umfang
berücksichtigt werden soll. In den »Abschließenden Überlegungen« wird
ausgeführt, dass eine Erweiterung und
neue Präzisierung des Philosophiebegriffs und der Philosophiegeschichte
notwendig sind, die weitgehend noch immer euroopazentrisch gedacht werden.
Man
kann immerhin auf die Debatten zur Frage: Universalismus oder Relativismus
verweisen, in denen allgemeine, für die gesamte Welt gültige und besondere, nur
für die jeweilige Kultur relevante Denkweisen und Orientierungen zu einander
ins Verhältnis gesetzt werden. Diese Debatten sind vor allem durch die
Erforschung der vielen verschiedenen Kulturen in der Ethnologie oder
Kulturanthropologie auf die Tagesordnung wissenschaftlich-philosophischer
Erörterung gesetzt worden. Auch wenn in der Ethnologie für die jeweiligen
empirisch untersuchten Kulturen nicht deren verschiedene Philosophien
thematisiert worden sind, bilden doch die verschiedenen Verhaltensformen und
ihre Begründung, die unterschiedlichen Normen und Werte, an denen sich diese
Kulturen orientieren, Anlass genug, nach Differenzen und Gemeinsamkeiten zu
fragen. Nachdem Franz Boas, einer der Begründer der US-amerikanischen
Ethnologie, auf der Grundlage empirischer Feldforschung einen
Kulturrelativismus proklamiert hat, der jede Kultur nach ihren eigenen
Standards zu verstehen sucht, ist dieser Auffassung durch andere auch
widersprochen worden. Es erscheint notwendig, kulturelle Universalien (cultural
universals) anzunehmen, um überhaupt
die Verstehbarkeit und Vergleichbarkeit verschiedener Kulturen zu ermöglichen.[38]
Die Konzeption, dass für
interkulturelles Verstehen beides vorausgesetzt werden müsse: Universales, von
den jeweiligen Kulturen Unabhängiges, und Besonderes, nur für diese
Spezifisches, wird auch von dem afrikanischen Philosophen Kwasil Wiredu
vertreten. Als »Cultural universals« nennt er »die drei höchsten Gesetze des
Denkens und Verhaltens«, nämlich das logische Prinzip des »verbotenen
Widerspruchs«, das wissenschaftstheoretisch grundlegende der »Induktion« und
das ethische des »Kategorischen Imperativs«.[39]
Alle drei verraten jedoch bereits durch ihre Herkunft aus der westlichen
philosophischen Tradition ihre kulturelle Bestimmtheit.
Clifford Geertz, einer der
US-amerikanischen Ethnologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
widersetzt sich indessen dem Universalismus als »Anti-Relativismus«.[40]
Er sucht einen Zugang zum Verstehen fremder Kulturen, der für diese einen
allgemeinen Bezugsrahmen zur Verfügung stellt. Das Verfahren einer »dicken
Beschreibung«, durch das er den Sinn (meaning) der jeweiligen Kultur zu
erfassen sucht, ist einerseits den philosophischen Analysen von
Sprachfragmenten entlehnt, wie Gilbert Ryle sie unternommen hat, und
andererseits einem zeichentheoretischen Ansatz verpflichtet, der mit Max Weber
davon ausgeht, dass »der Mensch in ein selbstgesponnenes Netz von Bedeutungen
ausgespannt ist«. Dieses Verfahren, das er ethnographisch nennt, richtet sich
auch auf die feinsten Strukturen; es ist »mikroskopisch«.[41]
Eine andere mögliche Lösung des Dilemmas: Universalismus oder Relativismus liegt darin, dass man kulturelle Universalien zwar voraussetzt, aber als konkret nicht ausgeformt und dementsprechend nicht benennbar annimmt. Diese Voraussetzung liegt etwa dem Verfahren der Dekonstruktion zugrunde, das von Jacques Derrida praktiziert wird. Jan Hoogland schreibt in einem Artikel in niederländischer Sprache, dass er für einen »änigmatischen« Universalismus plädiert, der von unbekannt und unbenennbar bleibenden Universalien (des Wahren, Guten oder Gerechten) ausgeht, die in den jeweiligen »tatsächlichen Gestalten« enthalten sind und in einer vergleichenden Betrachtung annäherungsweise erschlossen werden können. [42] Das Modell der Sprache kann dies verdeutlichen. Alle Menschen haben zwar Sprache, aber die Sprachen der verschiedenen Völker und Völkergruppen sind jeweils verschieden. Eine Universalsprache, auf die sich die verschiedenen Sprachen beziehen lassen, gibt es nicht. Dennoch ist im Wege des Erlernens anderer Sprachen und der Übersetzung aus einer Sprache in andere zwischen allen Menschen Verständigung möglich. Dann liegt der Akzent freilich auf dem konkret Verschiedenen, in dem es jeweils eine Ausformung des formal Allgemeinen zu erfassen gilt. Letzteres kann dann und muss dann inmitten des Verschiedenen oder Besonderen aufgesucht, in immer erneuten Durchgängen durch es anvisiert werden.
Bei der begrifflichen Erörterung der Frage nach
Universalismus oder Relativismus bleibt außerhalb der Betrachtung, dass gerade
auch von Europa und der westlichen Welt aus bestimmte Auffassungen, die
unverkennbar von den spezifischen Bedingungen der eigenen Kultur geprägt sind,
als universal gültige angesehen und als solche auch den Vertretern anderer
Kulturen gegenüber proklamiert worden sind. Dies gilt insbesondere für das
westliche Denken seit der Aufklärung. In dieser Periode der europäischen
Geistesgeschichte ist die Auffassung Gemeingut, dass die europäische Kultur als
der Höhepunkt aller geschichtlichen Entwicklungen auf der gesamten Erde
anzusehen sei. Die umfassende Verwendung des Begriffs »Fortschritt« ermöglicht
die Konzeption einer Höherentwicklung in allen Teilen der Welt von so genannten
primitiven Anfängen zur Zivilisation und Humanität im Europa des 18.
Jahrhunderts. Diese Konzeption muss heute als äußerst problematisch gelten, hat
aber zum ersten Mal den Gedanken einer »Weltgeschichte« entstehen lassen, die
alle besonderen Geschichten der verschiedenen Regionen der Erde und ihrer
Kulturen in sich vereinigt. Darin liegt eine wesentliche theoretische
Voraussetzung für den in der Gegenwart praktisch sich vollziehenden Prozess der
Globalisierung.
Ferner
hat diese Konzeption der Theorie und Praxis der Kolonisierung großer Teile der
Welt von Europa aus Vorschub geleistet. Im Zusammenhang mit dem
Kolonisierungsprozess ist das
Verhältnis der Kulturen zueinander definitiv eurozentrisch aufgefasst worden.
Die Welt bildet eine Einheit, die politisch, wirtschaftlich und auch kulturell
von Europa aus beherrscht wird. Diese Auffassung ist bis in die Gegenwart
hinein theoretisch und praktisch wirksam. Auch heute noch werden
parlamentarische Demokratie, freie Marktwirtschaft und christliche Religion als
universelle Konzepte angesehen, die für die ganze bewohnte Erde gültig sein
sollen. Dabei soll nicht verkannt werden, dass diese Konzepte in der Tat auch
für die nicht-europäische Welt von großer Bedeutung sind. Aber auch im Blick
auf diese durchaus bedeutsamen Beiträge Europas für die Welt im Ganzen muss man
das Denkmodell mit einem Fragezeichen versehen, das sich - gewissermaßen als
Einbahnstraße - von Europa aus auf die übrige Welt richtet.
Um den
Eurozentrismus der westlichen Philosophie seit der Aufklärung angemessen
erfassen und kritisieren zu können, soll zunächst der darin vorausgesetzte
Kulturbegriff durch einen neuen, für die gesamten folgenden Erörterungen
grundlegenden Kulturbegriff ersetzt werden. Ferner soll herausgestellt werden,
dass unter der Voraussetzung dieses Begriffs von Kultur Philosophie keine
ausschließlich europäisch-westliche Angelegenheit ist, sondern – wie die Kunst
– in spezifischer Weise zu jeder Kultur
gehört. Forschungen zur Entstehung der Philosophie in verschiedenen Regionen
der Erde sind auf dem Weg zu dieser These, die selbst aber erst mit dem
Durchbruch zur interkulturellen Philosophie klar und entschieden formuliert
werden kann. Von hier aus ergibt sich im Kontext dieses Kapitels die
Notwendigkeit einer Kritik des Eurozentrismus der Aufklärungsphilosophie bis
hin zu Hegel und einer vorsichtigen Analyse der doppelten Bewegung des
Sich-öffnens und zugleich auch wieder -verschließens gegenüber anderen Kulturen
in der europäisch-westlichen Philosophie nach Hegel.
Unter den Bedingungen eines Denkens, das die Prämissen
der Aufklärungsphilosophie, insbesondere die umfassende Verwendung des
Fortschrittsbegriffs, nicht mehr anerkennt, ist der Begriff Kultur neu zu
bestimmen. Es muss als vermessen erscheinen, die eigene Kultur als Höhepunkt
der Entwicklung in allen anderen Kulturen aufzufassen. Anstatt von einem
Universum auszugehen, das von vornherein alle Kulturen umfasst und in der
europäisch-westlichen Welt seinen Höhepunkt und Mittelpunkt hat, möchte ich den
Gedanken eines »Multiversums« der Kulturen einführen, durch den die Vielfalt
der Kulturen mit ihren politischen, wirtschaftlichen, gedanklichen und
religiösen Strukturen betont wird. Den Ausdruck »Multiversum« übernehme ich von
Ernst Bloch, der ihn zuerst 1956 in
einem Vortrag über Differenzierungen im Begriff Fortschritt vor der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gebraucht hat.[43]
Dabei ist bemerkenswert, dass dieser Ausdruck bei Bloch nicht nur eine
geographische, sondern auch eine zeitliche Dimension hat.
Die mit
dem Begriff eines Multiversums der Kulturen gegebene Konzeption des
Verhältnisses der Kulturen zueinander macht eine Neubestimmung des
Kulturbegriffs notwendig. Von dieser Voraussetzung aus möchte ich jede
hierarchische und prinzipiell auf ständige Höherentwicklung angelegte
Auffassung von Kultur vermeiden. In ihrem allgemeinsten und grundlegenden Sinn
möchte ich unter Kultur verstehen: die Bemühung einer Gruppe von Menschen,
eine bestimmte Lebensform so zu gestalten, dass sie inmitten anderer Kulturen
und inmitten der Natur auf die Dauer Bestand haben kann. Dazu gehört wesentlich
die Anerkennung der Anderen innerhalb der eigenen Kultur, aber auch der anderen
Kulturen und der zugehörigen natürlichen Lebensräume in ihren eigenen Rechten.
Fortschritte und Höherentwicklungen sollen damit nicht ausgeschlossen sein,
aber sie sind in ihren jeweiligen Bereichen konkret zu bestimmen, und in ihren
positiven wie auch möglichen negativen Aspekten zu erfassen. Grundsätzlich
neige ich dazu, Fortschritte am ehesten im wissenschaftlich-technologischen
Bereich anzunehmen und weniger im Bereich der eigentlich menschlichen Fragen,
wie es in der Formulierung Theodor W. Adornos zum Ausdruck kommt: Kein
universalgeschichtlicher Fortschritt »führt vom Wilden zur Humanität, sehr wohl
einer von der Steinschleuder zu Megabombe«.[44]
Von dieser
Begriffsbestimmung aus kann man sagen, dass alle Kulturen, die heute noch
bestehen, gleich alt sind, weil sie sich von den Anfängen der Menschheit an bis
heute unter den genannten Bedingungen im Sein erhalten haben. Dass sie gleich
alt sind, bedeutet dann aber auch, dass sie jeweils auf ihre Weise die Rolle
oder Aufgabe einer Kultur erfüllt haben und insofern gleichberechtigt sind. Im
»Multiversum« der Kulturen kann die eine von der anderen nur etwas übernehmen,
sofern beide – oder auch mehrere – von sich aus damit übereinstimmen. Von daher
ergibt sich die Frage, welche Funktion oder Aufgabe die Philosophie im Kontext
des so verstandenen Multiversums der Kulturen haben kann. Zu ihrer Beantwortung
ist es ein notwendiger Schritt, die Einstellungen der zeitgenössischen europäisch-westlichen
Philosophie zu anderen Kulturen und ihren Philosophien kritisch zu
hinterfragen.
Bekanntermaßen ist das Wort »Philosophie« europäisch-westlichen
Ursprungs. Die Herkunft von dem griechischen philo-sophia ist leicht
ersichtlich. Damit ist indessen nichts über den Ursprung oder die Herkunft der
Sache gesagt, die damit gemeint ist.
Zweifellos
kann man einen Ursprungsort der Philosophie im antiken Griechenland,
genauer im Stadtstaat Athen, lokalisieren. Dabei wird man eine zu einfache
Herleitung Vom Mythos zum Logos, wie sie nicht nur in dem Buch von
Wilhelm Nestle mit diesem Titel (1942, 2. Aufl.) vorgenommen wird, zu vermeiden
suchen müssen. Einerseits steckt in den Mythen, wie auch in den epischen
Dichtungen Homers und den Tragödien von Aischylos und Sophokles, die wichtige
Quellen für diese Mythen sind, sehr viel Philosophisches: eine Deutung der Welt
und des Lebens, die um rationale Begründung bemüht ist, gerade auch weil dieses
Bemühen in den genannten Zusammenhängen gezwungen ist, seine eigene Begrenztheit
zu erkennen. Andererseits enthalten die philosophischen Entwürfe seit Thales
und Anaximander zahlreiche mythologische Elemente. Man denke nur daran, dass
Parmenides seine Lehre vom Sein von der Göttin Dike empfängt und dass sie es
ist, die ihre Autorität einem anderen Prinzip unterordnet, wenn sie dazu
auffordert: "Laß allein die Vernunft [den Logos] die Entscheidung
fällen",[45] oder daran,
wie häufig Platon, etwa in den Dialogen Phaidros, Vom Staat oder
Timaios, mythische Bilder und Gleichnisse gebraucht, die nicht in
diskursive Erörterungen aufgelöst werden.
Ferner ist
es von großer Wichtigkeit, dass der griechische und damit der
europäisch-westliche Ursprung der Philosophie weiter zurückreichende Wurzeln
hat in den ägyptischen Mysterien und in der hermetischen Weisheit des vorderen
Orients, insbesondere in der orphischen Lehre. Die platonische Gleichung: soma
= sema (Leib = Grab),[46]
die so folgenreich für die Geschichte des europäisch-westlichen Denkens war und
ist, lässt sich ohne die Verwurzelung in der altorphischen Seelenlehre nicht
erklären. Dass u.a. Pythagoras und Platon von Griechenland aus nach Ägypten
gereist sind, um dort religiöse und wissenschaftliche Lehren kennen zu lernen,
ist bekannt genug. Das Eigene und Besondere der antik-griechischen Philosophie
lässt sich nur vor dem Hintergrund des Zusammenhangs mit den Mythen, den Tragödien
und den afrikanischen und vorderasiatischen Weisheitslehren adäquat erfassen.
In der neuplatonischen Philosophie ist dann erneut eine starke Wechselwirkung
mit orientalischem und ägyptischem Denken, insbesondere mit der christlichen
und außerchristlichen Gnosis, zu bemerken. Als Exponenten dieser
hellenistisch-orientalisch beeinflussten Denkweise seien hier Proklos und
Plotin genannt.
Die
Fiktion einer zusammenhängenden Tradition der Philosophie von Thales bis zu
Hegel, wie sie von dem letzteren begründet worden ist, wird sich keineswegs
halten lassen. Trotzdem war und ist diese Fiktion sehr folgenreich, und die
nachhegelsche europäisch-westliche Philosophie hat im Blick auf ihre eigene
Geschichte häufig nicht viel anderes getan, als die Linie zu verlängern: bis zu
Nietzsche, Heidegger oder Wittgenstein bzw. auch bis zu Habermas oder Rorty.
Heidegger hat sich in dieser Sache vielleicht am radikalsten ausgesprochen:
europäische Philosophie, das sei ein Pleonasmus, das europäische Denken sei
philosophisch und die Philosophie sei europäisch.[47]
Aber auch Nietzsche, der von seinem philosophischen Lehrer Schopenhauer auf die
Bedeutung des Buddhismus und der indischen Philosophie hingewiesen worden ist,
richtet sich in seiner Auseinandersetzung mit der bisherigen Philosophie ganz
auf die europäisch-westliche Tradition, die er freilich als »christlichen
Platonismus« bezeichnet.
Tatsächlich
macht Nietzsche mit dieser Formel zugleich deutlich, dass die christliche
Lehre, die ja offensichtlich ihren Ursprung im Vorderen Orient hat, dann aber
griechisch-hellenistisch und später lateinisch und vom arabischen
Aristotelismus aus überformt worden ist, als solche das europäisch-westliche
Denken mitbestimmt hat. Hier ist an die griechischen und lateinischen
Kirchenväter, an Augustinus und seine Auseinandersetzungen mit dem
Neuplatonismus, sowie an den mittelalterlichen Aristotelismus zu erinnern.
Luthers reformatorische Unternehmung bestand so gesehen zu einem guten Teil in
dem Aufweis originär jüdisch-israelitischen Denkens in den biblischen Texten.
Dies ist freilich in der lutherischen Orthodoxie, insbesondere durch
Melanchthon und andere protestantische Humanisten, rasch wieder zurückgenommen
worden.
Wenn man
auf diese Weise die Verflochtenheit des europäisch-westlichen Denkens mit
außereuropäischen Philosophien herausstellt, ergibt sich auch eine innere
Differenzierung des ersteren. Der Blick wird geschärft nicht nur für die
Besonderheiten der angelsächsischen und der kontinentalen europäisch-westlichen
Philosophien, sondern auch für die spezifische Prägung der letzteren in den
verschiedenen Ländern des europäischen Kontinents: die Gebiete mit romanischen
Sprachen unterscheiden sich auf charakteristische Weise von denen mit
germanischen oder slawischen sprachlichen Traditionen. Und es zeigt sich, dass
die Philosophen der Vereinigten Staaten von Amerika eigene Probleme haben, wenn
sie sich zur indianischen Vergangenheit ihres Landes und zu den spezifischen
Traditionen des Bevölkerungsanteils mit afrikanischer Herkunft in Beziehung
setzen wollen.
Die hier
vertretene Betrachtungsweise der europäisch-westlichen Philosophie führt
weiterhin zu der Frage, welche anderen Gebiete in der Welt neben den genannten außereuropäischen
Traditionen eigene philosophische Denkweisen gehabt haben oder haben,
einschließlich des Gesichtspunkts wo, wann und wie diese begründet worden
sind. Schließlich wird es nicht nur um deutlich erkennbare und zu belegende
philosophische Überlieferungen gehen, sondern auch um die Frage, ob nicht zu
jeder menschlichen Kultur eine spezifische Form der Philosophie gehört.
Bei der Beantwortung der Frage, welche anderen Gebiete in
der Welt eine eigene philosophische Tradition haben, stellt sich häufig als
erstes der Vergleich mit China und Indien ein. Das Fach »Vergleichende
Philosophie«, das heutzutage an europäisch-westlichen Universitäten gelehrt
wird, richtet sich auf chinesische und indische, kurz »östliche« Philosophie.
Der Vergleich zwischen westlichen und östlichen Philosophien in diesem Sinn
bildet auch den Forschungsgegenstand eines großen Instituts auf Hawaii, einer
Inselgruppe, die ja häufig als der am weitesten vorgeschobene Posten der
westlichen Welt in Richtung auf den Fernen Osten betrachtet wird. Auf die
besondere Problematik der Vergleichenden Philosophie komme ich im nächsten
Kapitel ausführlicher zurück.
Einen
anderen Ausgangspunkt als den des bloßen Vergleichs oder der möglichen
Integration in ein formales Modell wählen die Autoren Ram Adhar Mall und Heinz
Hülsmann in ihrem Buch: Die drei Geburtsorte der Philosophie. China, Indien,
Europa (Bonn 1989). Sie arbeiten daran, dass »unser Philosophieren sich
enteuropäisiert«, der Anspruch der Dominanz des europäisch-westlichen Denkens
entkräftet wird, indem gleichrangig neben diesem indische und chinesische
Philosophien behandelt werden. Dabei suchen sie »darauf zu achten, dass
gleichzeitig zu der Schriftkultur die lebendigen Traditionsbestände von Ritual,
mündlicher Überlieferung wirksam bleiben«. Und sie sind sich dessen bewusst,
dass man neben »China, Indien, Europa« an andere Teile der Welt: »Afrika,
Australien, Südamerika« als mögliche Geburtsorte der Philosophie denken kann.
Abgesehen davon, dass diese Aufzählung immer noch unvollständig ist, hätte im
Titel des Buches der bestimmte Artikel »Die drei Geburtsorte der
Philosophie« wegbleiben müssen, wenn die Autoren die erwähnten Hinweise folgerichtig
zu Ende gedacht hätten. In späteren Arbeiten hat Mall ausdrücklich eine
breitere Perspektive gewählt. So enthält sein in der Einleitung bereits
herangezogenes Buch Philosophie im Vergleich der Kulturen. Eine Einführung
in die interkulturelle Philosophie (s. dort Anm. 4) neben grundsätzlichen
Erörterungen zu »Begriff und Inhalt der interkulturellen Philosophie« und
eingehenden methodologischen Überlegungen zur »Hermeneutik im interkulturellen
Kontext« eine kurze Darstellung »einiger wesentlicher Aspekte der chinesischen,
indischen, europäischen«, sowie auch der »afrikanischen und
lateinamerikanischen Philosophie".
Für Afrika
als Geburtsort der Philosophie kann auf eine lebhafte Auseinandersetzung
afrikanischer Philosophen verwiesen werden, die sich je länger desto mehr neben
der Prägung ihres Denkens durch die Denkstile der früheren Kolonialmächte auch
ihren eigenen philosophischen Überlieferungen zuwenden. Ich möchte zur
Veranschaulichung dieser Tendenz das Projekt der »Sage Philosophy« (Weisheitsphilosophie)
des kenianischen Philosophen Henry Odera Oruka und des aus Mali stammenden und
lange Zeit im Senegal wirksamen Amadou Hampaté Bâ nennen,[48]
die Bemühung um die Philosophien der Akan im heutigen Ghana und der Giukyu im
heutigen Kenia durch Kwame Gyekye und Gerald Joseph Wanjohi, die sich
weitgehend des Materials der Sprichwörter bedienen[49],
sowie der Yoruba durch Segun Gbadegesin und Sophie B. Oluwole, die ihre
Einsichten vor allem aus der Sprache und der oralen Literatur gewinnen[50].
Das sind indessen nur einige Beispiele, die aus größeren Zusammenhängen
herausgegriffen sind. Wichtig erscheint mir, dass hier philosophische
Traditionen in den internationalen philosophischen Diskurs eingebracht werden,
die sich weitgehend auf primär mündliche Formen der Kommunikation und
Überlieferung berufen.
Die
eigenständige mittel- und südamerikanische Philosophie, die sich in den letzten
Jahrzehnten als »Philosophie der Befreiung« profiliert, aber auf einen
vielstimmigen Chor von Beiträgen zurückgeht, die sich zunehmend auch »dem
Horizont der Volksweisheit des Sich-Befindens« öffnen, wird von Raúl
Fornet-Betancourt sachkundig und detailliert dargestellt. Er will damit
ausdrücklich in Ergänzung zu Mall und Hülsmann auch von Lateinamerika als
»möglichem eigenem Ort der Philosophie sprechen«. Gegen eine lange zeit der
Vorherrschaft europäisch-westlicher philosophischer Strömungen bringt sich nach
seiner Darstellung auch die »indianische Stimme« stärker zu Gehör.[51]
Bereits ein Jahr vor dem erwähnten Werk von Mall und Hülsmann
ist in der damaligen DDR ein Buch erschienen, das von acht Autoren gemeinsam
erarbeitet worden ist und in dem die für jenes Werk charakteristische
Beschränkung überwunden ist: Wie und warum entstand Philosophie in
verschiedenen Regionen der Erde?[52]
Die Autoren dieses Buches »möchten ihren Beitrag dazu leisten, den Blick zu
weiten und die gesamte Weltkarte der Philosophie zu betrachten«, auf der
dann neben den drei oben genannten, im akademischen Betrieb schon fleißig
miteinander verglichenen Philosophien auch diejenigen Japans, des islamischen
Bereichs, des subsaharischen Afrika, des präkolonialen Mexiko und der
kolonialen und nachkolonialen Perioden Lateinamerikas einen Platz bekommen. In
dem Konzept einer möglichst umfassenden »vergleichenden Philosophiegeschichte
auf marxistischer Grundlage« soll ausdrücklich die Eigenbedeutung des
außereuropäischen Denkens gewürdigt und die »Vielgestaltigkeit bei der
Entstehung von philosophischem Denken« herausgestellt werden.
Obwohl im
Vorwort dieses Buches betont wird: »Jedes Volk hat mit seiner Geschichte einen
Beitrag zum Werden der Welt von heute geleistet«, bleibt die Liste der
»verschiedenen Regionen der Erde« selektiv, in denen Philosophie entstand und –
von den Voraussetzungen eines marxistischen Philosophiebegriffs aus – entstehen
konnte. Vorausgesetzt sind bestimmte »gesellschaftliche Bedingungen«, eine
»bestimmte Form von früher Klassengesellschaft« und »die in den jeweiligen
Gesellschaften vollzogene Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit«. In
den hier behandelten Regionen gibt es demgemäss vorphilosophische
geschichtliche Perioden, in denen es zwar Religion, aber keine Philosophie oder
allenfalls »protophilosophische Elemente unter der Hülle der Religion« gegeben
hat. Große Gebiete der Erde bleiben nach dieser Auffassung offenbar bis heute
auf einer solchen protophilosophischen Entwicklungsstufe stehen.
Hier
stellt sich die Frage, ob nicht die »Weltkarte der Philosophie« in der Weise
ausgeweitet werden müsste, dass sie mit einer Weltkarte der Kulturen identisch
ist. Wird nicht von dem genannten Autoren-Kollektiv noch immer von einem
europäisch-westlichen Philosophiebegriff aus gedacht, der zudem noch an der
akademischen Philosophie dieses Weltteils orientiert ist? Eine Beschränkung des
Buches liegt ferner darin, dass das Paradigma der Naturevolution auch die
Aussagen über die Geschichte der Menschheit bestimmt. Mit dem philosophischen
Denken erreicht die Menschheit eine Entwicklungsstufe, die gegenüber den
vorausliegenden ein höheres Niveau darstellen soll. Demgegenüber möchte ich
hier die Auffassung verteidigen, dass Philosophie – wie die Kunst – schon in
den frühesten Zeiten der Menschheit angetroffen werden kann. Von dieser
Auffassung muss man ausgehen, wenn man die These ernstnehmen will, dass zu
jeder Kultur eine spezifische Form der Philosophie gehört. Auch von diesem
Ausgangspunkt aus gesehen ist es eine ȟberaus wichtige, aber ebenso
komplizierte Frage«, wie die »Beziehung zwischen Philosophemen und religiösen
Bewusstseinsinhalten« zu denken ist. Zwischen beiden ist keine scharfe Trennung
möglich, das lehren uns die mittelalterlichen und die heutigen konfessionell
gebundenen Philosophien der
europäisch-westlichen Tradition, aber auch die indische, afrikanische und
andere Philosophien.
Darüber
hinaus ist es schwer, von dem genannten Ausgangspunkt aus zu entscheiden, was
innerhalb und außerhalb des akademischen Rahmens als »große« oder »echte«
Philosophie zu gelten hat. Zweifellos kann dies nicht von den Gesichtspunkten
der Evolution oder des Fortschritts aus geschehen. Denn die Lehren Laozis oder
Zoroasters, die Kodifizierung des Ma'at im ägyptischen Totenbuch oder die
Sammlung von Weißheitssprüchen in den Büchern Proverbia, Prediger und Hohes
Lied im Alten Testament, die klassischen Philosophien der
europäisch-westlichen Tradition eines Platon oder Aristoteles sind gewiss nicht
durch Spätere übertroffen oder als überholt zu betrachten. In diesem Punkt kann
ich mich auf den Hegel der ersten Jenaer Jahre seines Wirkens (1801/02) berufen,
der ganz anders als der spätere evolutionistisch denkende Philosoph, darauf aus
ist, nicht Neues zu bieten, sondern das "älteste Alte"
wiederherzustellen. Er formuliert treffend: »Jede [große oder echte]
Philosophie ist in sich vollendet, und hat, wie ein ächtes Kunstwerk, die
Totalität in sich.«[53]
So gesehen, wäre viel gewonnen, wenn im Titel des Buches der acht DDR-Autoren
wohl der bestimmte Artikel stünde, den sie gerade nicht verwenden: »Wie und
warum entstand Philosophie in den verschiedenen Regionen der Erde?«
Die Frage
nach dem »Warum« hat dabei noch ihre eigene Problematik. Sie setzt voraus, dass
es außerhalb ihrer selbst liegende Entstehungsgründe der Philosophie gibt,
nämlich »bestimmte gesellschaftliche Bedingungen« mit grundlegenden ökonomischen
Gegebenheiten (»Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit«). Demgegenüber
ist meine These in der Auffassung begründet, dass das Philosophieren – wie das
Machen von Kunst – ein eigenständiges, in jeder menschlichen Kultur auf
spezifische Weise, freilich nicht notwendig unter dem Begriff »Philosophie«
(oder im Vergleichsfall »Kunst«) anzutreffendes Attribut des Menschseins ist.
Welche gesellschaftlich-geschichtlichen Bedingungen das Entstehen von
Philosophie evozieren, wird in den »Abschließenden Überlegungen« erörtert. Hier
ist im Blick auf die im Titel des besprochenen Werkes nicht gestellte Frage
nach dem »Wo« eindeutig festzustellen: in jeder menschlichen Kultur.
Wenn wir in diesem Zusammenhang die Frage nach dem »Wann«
stellen, ist damit nicht eine Jahreszahl oder eine Periode in der
Menschheitsgeschichte gemeint. Die ältesten, in Abschnitt 3 der Einleitung
bereits erwähnten Kulturäußerungen von Menschen, die wir als Kunst ansehen
müssen, sind mehr als 20.000 Jahre alt. Man kann dabei an die Felszeichnungen
in Namibia oder an die Höhlenmalerei in Südfrankreich erinnern. Die ältesten
schriftlichen Dokumente des Philosophierens: Rig-Veda und Artharva-Veda aus der
indischen Überlieferung sind in der Zeit 2000-1000 vor unserer
Zeitrechnung entstanden.[54]
Wie weit die Entstehung primär mündlich überlieferter Philosophien zurückreicht,
deren Rang den primär schriftlich tradierten im Prinzip nicht nachstehen
muss, lässt sich nicht in Jahreszahlen angeben. Dieser Prozess gehört meines
Erachtens mit der Entstehungsgeschichte menschlicher Kulturen als solcher
zusammen.
Schließlich
hängt auch die Untersuchung der Frage nach dem »Wie« des Entstehens von
Philosophie – ebenso wie die Erörterung der nicht leicht beantwortbaren
Warum-Frage und die Diskussion des Wo? und Wann? – auf das Genaueste zusammen
mit dem Philosophiebegriff, der all diesen Fragen zugrunde liegt, wie auch mit
der Konzeption einer interkulturellen
Philosophie, die diesen Namen wirklich verdient. Die Autoren des hier
zur Diskussion stehenden Buches stützen sich auf eine Formulierung des
Leipziger Philosophen Helmut Seidel: »Unter Philosophie wollen wir alle
Versuche fassen, die darauf aus waren bzw. sind, die Totalität der Welt
rational zu erkennen, die Stellung des Menschen in der Welt, seine Tätigkeit
und sein Verhalten zu ihr zu begreifen und zu begründen.«[55]
Ich kann
von diesem Philosophiebegriff ebenfalls ausgehen, wenn ich ihn (1) einfacher
fasse und (2) den darin verwendeten Rationalitätsbegriff einer kritischen
Revision unterziehe. Dann wäre zu formulieren, dass als Philosophie jede
Deutung der Welt und des menschlichen Lebens gelten soll, die mit dem Anspruch
auf rationale Begründbarkeit unternommen wird. Rationale Begründbarkeit steht
dabei nicht in erster Linie und vor allem nicht ausschließlich für logische
Konsistenz oder argumentative Richtigkeit – diese gehören vielmehr auf
selbstverständliche Weise dazu –, sondern für einen Denkzusammenhang, der sich
in jeder Hinsicht nur der eigenen Mittel des Denkens bedient. Dass nicht einfachhin
von rationaler Begründbarkeit die Rede ist, sondern von dem Anspruch darauf,
soll heißen, dass der Philosophierende sich den spezifischen Mitteln des
Denkens verpflichtet weiß, aber nicht, dass er davon ausgeht, mit diesen
Mitteln jederzeit zu umfassenden Deutungen der Welt und des menschlichen Lebens
gelangen zu können. Jener Anspruch und diese Verpflichtung bedeuten indessen
wohl, dass der Philosophierende den »Weg des Denkens«, wenn er ihn schon nicht
in jedem Fall bis zu Ende gehen kann, in seinen prinzipiellen Möglichkeiten und
Begrenzungen zu reflektieren hat. Dabei ist es charakteristisch, dass die
Begrenzungen für den »Weg des Denkens« häufig genug, gerade auch in »frühen«
Denkzusammenhängen, durch Aporien (Ausweglosigkeiten) markiert werden.
Wenn wir
dieses Philosophieverständnis voraussetzen, ist es nicht verwunderlich, dass
philosophische Denkzusammenhänge auch in mythischen oder religiösen Erzählungen
und dichterischen Aussagen anzutreffen sind. Dabei ist die Festlegung bereits
von Mall und Hülsmann durch ihren Hinweis auf »Rituale« und »mündliche
Überlieferungen« aufgegeben bzw. als eurozentrisch erkannt worden, dass
Philosophie sich nur in schriftlichen Dokumenten finden lasse. Darüber hinaus
kann Philosophisches in Mythisches, Poetisches oder allgemein Künstlerisches
und Religiöses eingebettet sein. In seinen frühen Formen und in bestimmten
philosophischen Richtungen auch bis heute scheint dies der Normalfall
(gewesen) zu sein. Die Entstehungsgeschichte der Philosophie als Philosophie
wäre dann die Geschichte der relativen Herauslösung des Philosophischen aus
den genannten Kontexten und einer Verselbstständigung, die bis heute als
unabgeschlossen – und im Blick auf das philosophische Denken mit seinen
prinzipiellen Möglichkeiten und Begrenzungen sowie seinen, wie es scheint,
unvermeidlichen aporetischen Charakterzügen als unabschließbar – aufzufassen
ist.
Von einer Konzeption der Philosophie aus, die zwar breit
angelegt ist und einen eurozentrischen Ausgangspunkt bewusst vermeidet, aber im
Blick auf andere Kulturen selektiv verfährt, wobei dann die eigene
Philosophie die Auswahlkriterien liefert, ist noch ein entscheidender Schritt
zu vollziehen bis zur Konstituierung der interkulturellen Philosophie. Franz M.
Wimmer hat in seinem Buch: Interkulturelle Philosophie wichtige
Bausteine einer teils historischen, teils theoretischen Grundlegung dieses
neuen Typs von Philosophie beigebracht. Er entscheidet sich bewusst für diesen
gemischten und unvollständig bleibenden Grundlegungsversuch. Dabei steht im
Vordergrund, dass er »die These von der Notwendigkeit und der Möglichkeit einer
interkulturellen Orientierung der Philosophiehistorie« ausarbeiten
möchte.[56]
Mit der »Reflexion auf die Denkformen« der europäisch-westlichen Tradition,
»wie sie vor der kolonialistischen Phase unserer Geschichte entwickelt
wurden«, will er einen ersten Schritt tun, um »die Deformationen der
Blickweisen« offen zu legen, »die ein euroopazentriertes
Superioritätsbewusstsein verursacht oder doch erleichtert haben«.[57]
Alle
Unterschiede zwischen Menschen aus verschiedenen Regionen sind nach Wimmers
Auffassung insgesamt kulturell bedingt – und nicht etwa durch die Zugehörigkeit
zu verschiedenen Rassen erklärbar. Da die letztere Erklärung häufig genug auch
von Philosophen vorgebracht worden ist, findet Wimmer es »unumgänglich, die
These von der Einzigkeit der Philosophieentwicklung in Europa in den Kontext
des Rassismus zu stellen«.[58]
Die »Einschätzung der Anderen« als Barbaren, Exoten und Heiden, die für das
europäisch-westliche Denken seit seinen Anfängen bis ins 19. Jahrhundert
kennzeichnend ist, lässt die elementare »Achtung der Anderen« vermissen, die
für die interkulturelle Philosophie vorausgesetzt werden muss.[59]
Die Darstellung dieses Ersten Bandes einer Grundlegung der
interkulturellen Philosophie endet mit der Periode des Kolonialismus, in der
sich die negativen Einstellungen in der europäisch-westlichen Philosophie zum
Denken in anderen Kulturen noch erheblich zuspitzen, bevor im nachkolonialen
Zeitalter einer »global sich vereinheitlichenden Kultur« die Konzeption einer
interkulturellen Philosophie als etwas prinzipiell Neues auf die Tagesordnung
philosophischer Diskussionen gesetzt werden kann.
Es ist
freilich unverkennbar, wenn auch im Einzelnen nicht leicht anzugeben, auf
welche Weise im nachkolonialen Zeitalter kolonial bestimmtes Denken und
politisch-ökonomisches Handeln weiterwirken. Einerseits übernehmen in vielen
afrikanischen und anderen ehemals kolonisierten Ländern einzelne mächtige
Gruppen (ethnische Gruppen, Clans, Familien) Rollen und Funktionen der früheren
Kolonialherren. Andererseits werden von Europa und Nordamerika aus Programme
der Entwicklungshilfe konzipiert und ausgeführt, die ohne weiteres davon ausgehen, dass politisch, wirtschaftlich
und kulturell in der ganzen Welt europäisch-westliche Verhältnisse entstehen
werden oder entstehen können. Eine genauere Kenntnis der spezifischen
Bedingungen anderer Kulturen ist kaum vorhanden und scheint für diese
Konzeptionen keine wesentliche Rolle zu spielen. Das ist auch auf
philosophischem Gebiet zu bemerken. Der Typ vernünftigen Argumentierens, wie er
in der Tradition der Aufklärung entwickelt worden ist, versteht sich selbst als
Modell auch für die interkulturelle philosophische Kommunikation.
Bevor wir uns der Situation nach der Aufklärung zuwenden,
wollen wir jedoch die Argumentationslinie Wimmers fortsetzen und die Philosophie
im Zeitalter des beginnenden Kolonialismus untersuchen. Der Kolonialismus
und die Philosophie der Aufklärung, mit den Systemen des Deutschen Idealismus
in ihrem Gefolge, gehören deutlich zusammen. Die Aufklärungsdenker (Voltaire
und die Enzyklopädisten in Frankreich, Hume und Locke in England, Lessing
und Kant in Deutschland, um nur einige wenige herausragende Namen zu nennen)
betrachten – gemäß den allgemeinen Denkvoraussetzungen ihrer Epoche – die
eigene Zeit als den Höhepunkt aller geschichtlichen Entwicklung und die eigene
Kultur als den zentralen Bezugspunkt für alle anderen Kulturen. Von einfachsten
Anfängen entwickelt sich die Geschichte in beständigem Fortschritt bis zu
den Höhen der Gegenwart. Dabei wird die Vergangenheit als »dunkel« und die
Gegenwart als »erleuchtet« angesehen.
Es scheint
ein merkwürdiger Widerspruch zu sein, dass Kant, der Denker der Vernunft und
der Freiheit und zugleich auch einer der Verkünder der Menschenrechte, des
Weltbürgertums und des ewigen Friedens in Bezug auf andere Kulturen
offensichtlich rassistische Vorurteile hegt. Dieser Widerspruch wird indessen
verständlicher, wenn man bedenkt, dass Vernunft, Freiheit usw. nach Kant auch
innerhalb der europäischen Kultur nur den wirtschaftlich selbstständigen
männlichen Bürgern zukommen. Zur Verdeutlichung seiner Einstellung zu anderen
Kulturen werden hier einige wenige Aussagen über Neger und andere nicht-weiße
Rassen angeführt, die im Prinzip beliebig vermehrt werden können. Diese
Aussagen finden sich vor allem in den Manuskripten zu einer Vorlesung über Physische
Geographie, die Kant von 1756 bis 1796 regelmäßig gehalten hat und in
einigen kleineren Schriften zum Begriff der Rasse, aber auch in systematisch
zentraleren Schriften wie Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und
Erhabenen, Metaphysik der Sitten, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in
weltbürgerlicher Absicht und Zum ewigen Frieden.
Was Kant
z.B. über die Neger sagt, ist äußerst drastisch und übernimmt im Kontext
philosophisch-wissenschaftlicher Systematik »zum Teil schier infantile
rassische Vorbehalte und Vorurteile«.[60]
Der Neger ist ein Wilder ohne jede Feinheit der Bildung, und der Wilde dient
der plastischen Darstellung der »Bösartigkeit der menschlichen Natur«.[61]
Der Hautfarbe wird eine geradezu metaphysische Bedeutung zugeschrieben, die
»zur Unterscheidung der Menschengattung in sichtbarlich verschiedene Klassen
berechtigt«.[62] »Die
Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen. Die
gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer,
und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften.«[63]
Sklaverei
findet sich vor allem in Afrika, denn der Neger ist am besten als Sklave
geeignet. Er ist »nämlich stark, fleischig, gelenk, aber unter der reichlichen
Versorgung seines Mutterlandes faul, weichlich und tändelnd«.[64]
Seine Faulheit muss deshalb »durch die Regierung und den Zwang gemäßigt«
werden.[65]
Bei Vergehen muss die Bestrafung drastisch sein; sie »haben eine dicke Haut«,
und des gewünschten Effekts wegen ist es notwendig, dass man sie mit
»gespaltenen Röhren peitscht«.[66]
Sklaverei setzt nach Kant ein Verbrechen voraus; sie ist »eine spezielle Form
von Bestrafung für begangene Untaten – ein Mittel der Erziehung«.[67]
Man wird
sagen müssen, dass Kant auch für seine Zeit und die damals zur Verfügung
stehende Literatur besonders schlecht über nicht-europäische Kulturen und deren
Bildungsstand informiert war.[68]
Dabei hätte er auf Grund der Tatsache, dass er in seiner Schulklasse zeitweise
einen Negerjungen als Mitschüler hatte, direkte Kenntnisse über diese »Rasse«
erwerben können. Und er hätte wissen müssen, dass zwischen 1730 und 1740 an den
Universitäten zu Halle, Wittenberg und Jena der Philosoph Amo Guinea-Africanus
(aus dem heutigen Ghana) gelehrt und (in lateinischer Sprache, wie es damals
üblich war) eine Reihe wichtiger Arbeiten zur Rechtsphilosophie, Anthropologie
und philosophischen Methodologie veröffentlicht hat.[69]
Bei Hegel
lässt sich zeigen, wie die rassistischen Vorurteile, die er vom Denken der
Aufklärung übernimmt, im Zusammenhang des Systems der Vernunft einen Platz
bekommen und von diesem aus gerechtfertigt werden. Den Kolonialismus erklärt
Hegel aus der wirtschaftlichen Dynamik des frühen Kapitalismus. Nach seiner
Analyse der »bürgerlichen Gesellschaft« in den Grundlinien der Philosophie
des Rechts entwickeln sich darin trotz des allgemeinen Wachstums scharfe
Widersprüche, z.B. zwischen reich und arm.[70]
Um solche Widersprüche überwinden zu können, drängen die europäischen Nationen
über ihre Grenzen hinaus zum Meer. (§ 247) Es kommt zu einer Belebung der
Seefahrt und des Handels mit überseeischen Gebieten. Die Kolonien sind in
derselben Weise Ausdehnungsraum dieses Wachstums wie das Meer. Dass dort
Menschen wohnen, denen das Recht auf ihr eigenes Gebiet bestritten und genommen
wird, kommt Hegel nicht in den Sinn. Es geht um Länder mit wichtigen
Rohstoffquellen und auch um neue Absatzgebiete. Eine eigene Bedeutung erhalten
die kolonisierten Gebiete lediglich, sofern sich dort weiße Siedler dauerhaft
niederlassen und auf fremdem Boden ein Stück Europa verwirklichen. Das
Musterbeispiel hierfür ist bei Hegel bereits Nordamerika. (§ 248)
Die
eigentlich enthüllenden Passagen finden sich in den Vorlesungen zur
Philosophie der Weltgeschichte. Im Zuge einleitender Ausführungen erörtert
Hegel die »geographischen Grundlagen der Weltgeschichte«. Dabei zeigt sich,
dass Asien (mit der Ausnahme von Teilen des heutigen China und des indischen
Subkontinents) und Afrika (mit der Ausnahme Ägyptens und einiger Küstengebiete) schon wegen ihrer geographischen
Eigenart nicht zum Schauplatz der Geschichte werden konnten. Da es sich nach
Hegels Meinung bei diesen Gebieten um eine Übergewicht der »Talebene« bzw. des
»Hochlandes« handelt, fehlt ihnen die Spannung einer Landschaft, die in Berg
und Tal, Hochland und Flachland gegliedert ist, die vom Naturzusammenhang aus
vorausgesetzt werden muss, damit sich dort Geschichte abspielen kann.[71]
Und die klimatischen Bedingungen großer Hitze widersprechen der Voraussetzung,
dass »die gemäßigte Zone das Theater für das Schauspiel der
Weltgeschichte« bieten muss.[72]
Deshalb können diese Gebiete weltgeschichtlich niemals eine Rolle spielen.
Ein
weiterer Grund, warum Afrika nicht an der Weltgeschichte teilhaben kann, ist in
Hegels System der Philosophie selbst verankert. Es gibt in Afrika zwar
»Familiensittlichkeit« und »Horden«, aber keinen Staat. Geschichte ist für
Hegel Geschichte von Staaten. In Afrika herrscht indessen nach seiner
Auffassung »das Verhältnis des Despotismus; die äußere Gewalt ist selbst
willkürlich«.[73] Diese
Ausführungen zeugen davon, dass Hegel von den politischen Systemen in den
afrikanischen Gesellschaften so gut wie keine Kenntnis besitzt. Seine Quellen
sind Reiseerzählungen und Berichte christlicher Missionare, unter denen sich,
besonders für die politischen Verhältnisse, ein Werk von G.A. Cavazzi befindet:
Istoria descrizione dei tre regni Congo, Matamba, Angola, das bereits
1687 in Bologna erschienen war.
Auch auf
anderen Gebieten zeigt sich die groteske Unkenntnis des sonst so gründlichen
Philosophen, z.B. wenn er sagt, dass »der König von Dahomey ... 3333 Frauen«
hat. Hier handelt es sich nicht, wie Hegel meint, um ein historisches, sondern
wohl um ein aus der spekulativen Vorliebe für die Zahl 3 entstandenes
»Mißverhältnis«, das »ins Grenzenlose ... geht«.[74]
Auf dem religiösen Gebiet gehören Afrika, aber auch die Eskimos und die
chinesische Staatsreligion, wie Hegel auch in seinen Vorlesungen zur
Philosophie der Religion ausführt, zu den »Religionen der [direkten und
indirekten] Zauberei«.[75]
Dazu gehören magische Praktiken wie der Versuch, »den Naturmächten zu
gebieten«, und der Fetischglaube, der sich an äußere Gegenstände heftet, die
der Mensch zugleich in seiner Gewalt behält. »An Verehrung Gottes ist hier
nicht zu denken, nicht an die Anerkennung des allgemeinen Geistes im Gegensatze
zu dem des Individuums«.[76]
Ein
entscheidender Punkt ist - ähnlich wie bei Kant - Hegels Beurteilung der
Sklaverei. Wie kann es sein, dass von einer Philosophie der »konkreten
Freiheit« aus, wie man Hegels politische Philosophie oft genannt hat, die
Sklaverei gerechtfertigt wird? Nach Hegel bekundet die angeblich weit
verbreitete Sitte, »Menschenfleisch zu essen«, die indessen nicht näher belegt
wird, die »vollkommene Verachtung« und die »Wertlosigkeit des Menschen«
in Afrika. Daraus »erklärt sich, dass in Afrika die Sklaverei das
Grundverhältnis des Rechts bildet«. In diesem Zusammenhang erscheint es
berechtigt, dass sich die Europäer, obwohl die Sklaverei »an und für sich
Unrecht ist«, in großem Stil am Sklavenhandel beteiligen.[77]
Eine genauere Analyse hat mich zu dem Ergebnis gebracht, dass man diese
Einstellung innerhalb der Systematik des Hegelschen Denkens nur so erklären kann,
dass »die Afrikaner als Menschen in einer Art Zwischenzustand existieren.
Einerseits haben sie keinen Staat, keine Religion; sie sind wie die Tiere«.
Andererseits wird ihnen »eine Art von Staat« zugestanden und »ihre Religion
kennt erste Formen einer geistigen ‘Vermittlung’ durch belebt vorgestellte
‘natürliche Gegenstände’«, das heißt sie tragen auf gewisse Weise auch
menschliche Züge. Letztlich sind es aber für Hegel keine wirklich freien
menschlichen Wesen, die von den Europäern zu Sklaven gemacht und als
Handelsware verkauft werden.[78]
Vor diesem
Hintergrund wird auch Hegels Konzeption der Philosophiegeschichte verständlich,
die zwar eine Vorgeschichte in China und Indien, Persien, Babylonien und
Kleinasien hat, die aber als Philosophie erst mit Thales und Anaximander,
Heraklit und Parmenides, sowie anderen griechischen Denkern vor Sokrates
beginnt. Diese Geschichte entfaltet sich dann im griechisch-römisch
beherrschten Mittelmeerraum und gelangt schließlich im Europa nördlich der
Alpen zur Vollendung. Das heißt, sie ist auf die Region Europa begrenzt. Dass
die Gebiete, die sich schon von ihren natürlichen Voraussetzungen aus nicht als
»Theater für das Schauspiel der Weltgeschichte« eignen, keinesfalls als Heimat
oder Geburtsort der Philosophie in Frage kommen, in der nach seiner Meinung der
höchste Gipfel der menschlichen Bildung zum Ausdruck kommt, versteht sich für
Hegel von selbst.
Vom Standpunkt der interkulturellen Philosophie aus lässt
sich beobachten, dass nach Hegel in der europäisch-westlichen
Philosophie eine Verschiebung des Urteils über andere Kulturen stattfindet, die
aber nicht konsequent zu Ende gedacht wird. Diese eigenartige Bewegungsstruktur
soll hier durch einige kurze Hinweise verdeutlicht werden. Artur Schopenhauer
entlehnt die Begriffe des Nichts und des Leidens dem Denken des Buddhismus, um
seine pessimistische Weltauffassung artikulieren zu können. In diesem Punkt
bleibt ihm Friedrich Nietzsche treu, der sich im übrigen weitgehend von seinen
Auffassungen abgewendet hat. Nietzsche liest die indischen Veden und zitiert
aus der Rigveda:
»Im
Herzen sinnend spüren weise Seher
das alte
Band, das Sein und Nichtsein bindet.«[79]
In zahlreichen vergleichenden Betrachtungen des
Christentums und des Buddhismus kennzeichnet er das erstere als reaktiven, den
letzteren als aktiven Nihilismus. Damit ist gemeint, dass die buddhistische
Religion ihre Anhänger auffordert, das Leiden nicht einfach hinzunehmen,
sondern dagegen zu kämpfen, um schließlich Heiterkeit, Ruhe und Freiheit von
Begierden zu erreichen.
Nietzsches
Faszination von der persischen Religion und ihrem Stifter Zarathustra ist
bekannt. Die Gestalt des Zarathustra wird zum Verkünder seiner wichtigsten
Lehren, insbesondere in dem Buch das dessen Namen im Titel trägt: der Lehre vom »Übermenschen« und von der
»ewigen Wiederkehr des Gleichen«.[80]
Indessen, soweit es die Geschichte der Philosophie betrifft, sieht er deren
Anfang im antiken Griechenland und nirgendwo anders. Er erkennt zwar an, dass
das griechische Denken seine Wurzeln in orientalischen Traditionen hat, wenn er
der Einordnung von Zarathustra neben Heraklit, den frühen indischen Denkern
neben den Eleaten, den ägyptischen neben Empedokles, den chinesischen neben
Pythagoras und den jüdischen neben Anaxagoras zustimmt.[81]
Aber es waren die Griechen, welche die Philosophie zu dem gemacht haben was sie
ist, im Unterschied zu orientalischen Mythologien. Sie haben die Philosophie
ein für allemal gerechtfertigt.
Wenn wir
mehr zeitgenössische Philosophen zunächst in französischen Kontext betrachten,
können wir Georges Batailles Analysen zu Hegel und Nietzsche und zur politisch-ideologischen
Situation des aufkommenden Nationalsozialismus heranziehen. Darin wird durch
den Hinweis auf die Praxis des Opfers in archaischen Kulturen eine vergessene
oder verdrängte Dimension des menschlichen Bewusstseins ins Spiel gebracht. Aber
dieser Hinweis gerät durch die zeitliche und kulturspezifische Charakteristik
des Archaischen in eine Rousseauische Perspektive, die sich aus der Umkehrung
des Fortschritts zum Besseren begründet.
Offensichtlich
sind für Maurice Merleau-Ponty die kulturanthropologischen Forschungen von
Marcel Mauss und Claude Lévi-Strauss von großem Interesse, die in bestimmten
indianischen Kulturen Nord-, Mittel- und Südamerikas am Beispiel des Gebens von
Geschenken ein anderes mitmenschliches Verhältnis und ein anderes
Weltverhältnis aufzeigen. Im Grunde findet er jedoch in diesen Forschungen nur
eine Illustration seines Rückgangs auf präreflexive Strukturen des Bewusstseins
und des Sich-verhaltens im Allgemeinen.
Florian
Vetsch zeigt in seiner Züricher Dissertation, dass Martin Heideggers Anhang
der interkulturellen Auseinandersetzung (Würzburg 1992) eine etwas genauere
Betrachtung verdient. Einerseits will Heidegger die Philosophie strikt auf
Europa begrenzt wissen. Dabei erhält deutsche Philosophie die Aufgabe, die Hauptfrage
der Philosophie, wie sie von den Griechen in der Zeit vor Sokrates gestellt
worden ist, dass »Seiendes ist und ein Seyn west«, wieder freizulegen und neu
zu fragen.[82]
Andererseits findet er gerade für diese Frage viel Interesse bei japanischen
und koreanischen Philosophen, mit denen er darüber Dialoge führt. Und er zeigt
eine große Offenheit für die Andersartigkeit des fernöstlichen Denkens, wie es
sich in seinen Grundworten artikuliert.[83]
Diese doppelte Haltung erklärt sich zum Teil aus Heideggers Terminologie. Was
er »Metaphysik« oder auch ganz
allgemein »Philosophie« nennt, ereignet sich von Parmenides und Platon bis zu
Hegel und Nietzsche. Und von dieser Periode sucht er sich gerade abzusetzen,
indem er seine eigene Unternehmung, die nach der Philosophie einsetzt,
»Denken« nennt. Er bezeichnet seine Dialoge mit japanischen und koreanischen
Kollegen demgemäss als »Gespräche von Denkern«. Jedoch, seine nicht-westlichen
Gesprächspartner schließen sich dieser Terminologie nicht an und nennen sich mit
dem griechischen Wort »Philosophen«.
Schließlich sei Jacques Derrida
erwähnt. Er zieht eine deutliche Linie vom Logozentrismus der
europäisch-westlichen Philosophie (von Platon bis Hegel) über den
Phonozentrismus (den er vor allem bei Platon, Rousseau und Hegel nachweist) zum
Ethnozentrismus (der nach seiner Auffassung für die »Epoche Rousseaus«
charakteristisch ist, die er bis einschließlich Lévi-Strauss dauern lässt).[84]
Er stellt eine Affinität fest zwischen Dekolonisierung und Dekonstruktion, und
er verweist ebenfalls auf die Sprache, die den Zugang zum Anderen und seinem
Denken ermöglicht und reguliert. In diesem Zusammenhang wendet er sich gegen
»jede Einsprachigkeit [monolinguisme] und jedes Sprechen in einer
Richtung [monologisme]«, die unvermeidlich zu Herrschaftsansprüchen
führen.[85]
Aber er gelangt nicht zu einer genaueren Ausarbeitung der Kritik des
Ethnozentrismus der europäisch-westlichen Philosophie oder der Affinität
zwischen Dekolonisierung und Dekonstruktion. Sein philosophisches Betätigungsfeld
bleibt allein die europäisch-westliche Tradition.
Es soll indessen nicht verkannt werden, dass ohne die immanente
Kritik der europäisch-westlichen Philosophie, wie sie von Nietzsche, Heidegger,
Derrida u.a. ausgearbeitet worden ist, der Schritt zur interkulturellen Philosophie
nicht möglich gewesen wäre. Es war notwendig, die Geschichte der »Metaphysik«
von Platon bis Hegel als eine Gestalt des Philosophierens zu erfassen,
die sich selbst zu Unrecht als die Philosophie proklamiert hat. Dies
ist geschehen und geschieht noch immer, indem die Absolutheitsansprüche des
Denkens innerhalb dieser Geschichte unterminiert werden. Die Bewegung des
Kritisierens und Unterminierens kann sich aber – etwa in Derridas Projekt
der Dekonstruktion – als notwendige philosophische Arbeit in der Nachgeschichte
dieser Metaphysik selbst affirmieren. Nicht diese Bewegung als solche, die
für die gegenwärtige Situation der europäisch-westlichen Philosophie charakteristisch
ist, wohl aber die damit verbundene Selbstbescheidung des Denkens in seinen
prinzipiellen Möglichkeiten und Begrenzungen bewirkt die Offenheit für ein
anderes, nicht mehr in diesem Sinne metaphysisch begründetes Denken, das
für die europäisch-westliche Geschichte von der Zukunft erwartet werden kann
und für das sich in anderen Kulturen spezifische Formen finden lassen.
Während sich in der Philosophie nach Hegel schrittweise,
aber sehr zögerlich eine Öffnung gegenüber anderen Kulturen ergeben hat, bevor
schließlich so etwas wie interkulturelle Philosophie möglich wurde, ist in der
Ethnologie oder Kulturanthropologie seit etwa 1870 das Denken in anderen
Kulturen in der Weise einer empirischen Wissenschaft thematisiert worden. Die
anderen Kulturen, denen sich die Ethnologen zuwenden, bezeichnen sie selbst
zunächst als »primitiv«, versuchen aber je länger desto mehr den wertenden
Gesichtspunkt, der in diesem Begriff liegt, zu vermeiden und sprechen von »schriftlosen«,
»dem zahlenmäßigen und räumlichen Umfang nach kleinen« (small-scale),
»gesellschaftlich nicht sehr gegliederten« (unstratified) oder »technologisch
einfachen« Kulturen.[86]
Dabei gehört es zum Blick der Ethnologen, dass sie das Denken dieser Kulturen
nicht als Philosophie wahrnehmen und klassifizieren. In der hier folgenden
Darstellung der Thematisierung des Denkens in anderen Kulturen in der
Ethnologie folge ich weitgehend einem Buch des aus dem damaligen Zaïre
stammenden und seit langem in den USA lehrenden Valentin Y. Mudimbe, der für
das subsaharische Afrika zeigt, auf welche Weise der
kulturanthropologisch/ethnologische Diskurs als ein Teil der »kolonialen
Struktur« und deren beginnender Auflösung zu verstehen ist.[87]
Als ein
Vorläufer und eine parallele Unternehmung der interkulturellen Philosophie kann
die Vergleichende oder Komparative Philosophie gelten, die bereits zu Wilhelm
von Humboldts und Hegels Zeiten mit der »Entdeckung«, Übersetzung und
kritischen Würdigung der Bhagavad-Gita und anderer Schriften der älteren
indischen philosophischen Literatur beginnt[88]
und die sich bis heute vornehmlich der östlichen (indischen, chinesischen,
japanischen) Philosophie zuwendet. Die regionale Begrenzung und auch der
methodische Unterschied zur interkulturellen Philosophie sind jedoch klar
heraus zu stellen.
Als der Begründer der Kulturanthropologie, die später
zur Selbstkennzeichnung den Namen Ethnologie oder Ethnographie bevorzugt, kann
Edward B. Tylor gelten. Sein Buch Primitive culture. Researches into the
development of mythology, philosophy, religion, art and custom erscheint
1871.[89]
Er will nicht etwa behaupten, die »wilden Rassen« hätten in ihrer »primitiven
Kultur« Philosophie gekannt oder ausgearbeitet. Er möchte auf den »Ursprung
philosophischer Meinung« in den »verachteten Ideen« dieser Menschen hinweisen,
deren spätere Entwicklung zu so etwas wie Philosophie geführt hat und deshalb
für diese bis heute nicht ohne Bedeutung ist. Auch für Lucien Lévy-Bruhl ist
klar, dass das Denken der Menschen mit einer »primitiven Seele« der
Philosophie, insbesondere der Logik, nicht fähig ist.[90]
Mudimbe konstatiert einen »erkenntnistheoretischen Bruch« zwischen »Lévy-Bruhls
Kommentaren über das Prälogische [des Denkens der Afrikaner] und Malinowskis
Funktionalismus«, in dem mit neuen »begrifflichen Werkzeugen« gearbeitet wird,
wie »autonome Regel, gesellschaftliche Norm und die [besondere]
Erkenntnistheorie und Einzigartigartigkeit regionaler kultureller Systeme«. Die
Kulturanthropologie bleibt für ihn jedoch bis hin zu Michel Leiris, Margaret
Mead und Carl Sagan von einem doppelten »Ethnozentrismus« bestimmt: »einem der
erkenntnistheoretischen Herleitung und einem des ideologischen Zusammenhangs«.
Der erste lässt sich darauf zurückführen, dass
»menschliche Erfahrungen« zum Objekt wissenschaftlicher Beobachtungen
gemacht werden, der zweite ist in wechselnder Weise abhängig von »der
Auffassung des Wissenschaftlers vom Bewusstsein, den wissenschaftlichen
Modellen seiner Zeit und den kulturellen und sozialen Normen seiner
Gesellschaft«. Dies führt in der »kolonialen Erfahrung« zu einem »Diskurs der
Macht und des Wissens«.[91]
Nach
Lévy-Bruhl verschwindet der Begriff des »Primitiven« mehr und mehr aus dem
begrifflichen Instrumentarium der Kulturanthropologie, und die eigenen
methodischen Ausgangspunkte werden zunehmend kritisch gesehen. Statt von
Kulturanthropologie wird von Ethnologie und – noch vorsichtiger – von
Ethnographie gesprochen. Aber es bleibt die Schwierigkeit, dass das »Auge des
Ethnographen« das des objektiven Beobachters ist.[92]
Das lässt sich letztlich auch durch die Methode der »teilnehmenden Beobachtung«
bei der »Feldarbeit« des Ethnologen nicht vermeiden. Im Rahmen dieser
Möglichkeiten findet sich eine weitgehende Anerkennung der Besonderheit und
Eigenständigkeit der afrikanischen Kulturen, in seinem Fall insbesondere der
Dogon (in heutigen Mali), bei dem französischen Ethnologen Marcel Griaule. Er
hat in vielen Jahren, in denen er immer wieder längere Perioden in einem Dorf
der Dogon gelebt hat (Ogol du Bas), nicht nur die sehr spezifischen
astronomischen Kenntnisse dieses Volkes, seine reichhaltigen Mythen, Sitten und
Gebräuche, sowie »die Systeme der Institutionen und Riten«, sondern auch ein
Beispiel seiner philosophischen Auffassungen
kennen gelernt und aufgezeichnet. Wenn er auch den Begriff Philosophie
oder den des »Sage« nicht verwendet, der (im französisch- und englischsprachigen
Afrika) für Philosophen im traditionellen Lebenszusammenhang üblich geworden ist, hat er der Sache nach
in den »Gesprächen mit Ogotemmêli« dessen philosophische Lehren in einer Art
Gesprächsprotokoll aufgeschrieben.[93]
In diesem Punkt bildet seine Arbeit eine Ausnahme im kulturanthropologisch/ethnologischen
Diskurs, der das Denken als solches und die philosophischen Auffassungen der
untersuchten Völker sonst nicht als solche thematisiert.
Derrida
sucht zu zeigen, dass der Ethnozentrismus in der Ethnologie, der auch die
Blindheit für Philosophie bei den untersuchten Völkern bedingt, bis hin zu
Claude Lévi-Strauss nicht überwunden wird. Am Beispiel des Kapitels
»Schreibstunde« in dem Buch von Lévi-Strauss Traurige Tropen (Köln 1960)
macht Derrida deutlich, dass der Ethnologe Lévi-Strauss einen zu engen Begriff
der Schrift verwendet, der an der alphabetischen Schrift orientiert ist. Obwohl
er von bedeutungsvollen Einritzungen auf den Kalebassen der Nambikwara, eines
südamerikanischen Indianervolkes, berichtet, verweigert er ihnen die Fähigkeit
der Schrift. Er bleibt damit dem »scheinbaren Paradox« Rousseaus verhaftet:
»Mit ein und derselben Geste verachtet man die alphabetische Schrift«, das sie
»serviles Instrument eines gesprochenen Wortes« ist, »das seine Fülle und
Selbstpräsenz erträumt,« und »verweigert den nicht-alphabetischen
Zeichen die Ehre, überhaupt Schrift zu sein.«[94]
So erweist sich, dass das Bemühen von Lévi-Strauss, dem Wilden Denken
(Frankfurt/M. 1968) seine eigene Würde und Bedeutung zu geben, wie
einflussreich es auch gewesen sein mag, nicht durchschlagend ist, sofern es in
dem ethnozentrischen Gegensatz von Wildheit und Zivilisation stecken
bleibt.
Johannes
Fabian, selbst Ethnologe, bringt die methodologische Kalamität seines Fachs auf
den Punkt, wenn er zeigt, dass der Andere der anderen Kultur, die Gegenstand
dieser Wissenschaft ist, als Anderer auf einer früheren Stufe der menschlichen
Evolution angesiedelt wird. Obwohl sich im Einzelnen durchaus Vergleiche
zwischen den Beobachtungen in den untersuchten Kulturen und in der eigenen
Vergangenheit ergeben, ist es ein Fehler, diese Kulturen auf einer früheren
Entwicklungsstufe der Kultur zu fixieren. Letzten Endes ist es das
Entwicklungsdenken oder noch allgemeiner: das Zeitdenken der Ethnologie, durch
das der Andere der anderen Kultur nicht in seiner Verschiedenheit und
Gleichrangigkeit erfasst wird.[95]
Was bei ihm vor allem nicht gesucht und deshalb auch nicht gefunden wird, ist
(wie zu Hegels Zeiten) Philosophie. In zwei willkürlich gewählten aktuellen
Lehrbüchern der »Cultural Anthropology« werden zwar Sprache und Strukturen der
Sprache, Religion, besonders auch Kosmologie, Kunst in ihren verschiedenen
Formen oder auch das Rechtswesen in eigenen Kapiteln behandelt, aber
Philosophie oder philosophische Weisheitslehre (sagacity) werden nicht erwähnt.[96]
Demgegenüber hat Paul Radin, der
die von den Ethnologen untersuchten Kulturen noch »primitiv« nennt, ihre Fähigkeit
zur Philosophie klar erfasst und eindrucksvolle Beispiele dafür veröffentlicht.
[97]
Der belgische Missionar Placide Tempels hat die Sprache und
Sprachstrukturen der Luba, eines Volkes in Zentralafrika, zum Ausgangspunkt
der Erfassung der Bantu Philosophie (Heidelberg 1956, nicht im Buchhandel
erschienene flämische Originalausgabe 1945) gemacht. Kwame Gyekye und Gerald
J. Wanjohi haben für die Akan in Ghana und die Gikuyu in Kenia deren Sprichwörter
als primäre Quelle ihrer Philosophie herangezogen.
[98]
Herny Odera Oruka, selbst Sohn eines philosophischen Weisheitslehrers
(sage) der Luo, eines Volkes im heutigen Westkenia, und an schwedischen und
US-amerikanischen Universitäten ausgebildeter Philosoph, sowie Amadou Hampaté Bâ, selbst Schüler des
»Sage de Bandiagara«, der Hauptstadt des Dogon-Gebiets, und an französischen
Universitäten ausgebildeter Philosoph, haben die Personengruppe der philosophischen
Weisheitslehrer in den traditionellen afrikanischen Gemeinschaften als solche
herausgestellt und ihre Funktion und Beispiele ihrer Lehren bekannt gemacht.
[99]
Wilhelm von Humboldts Abhandlung Über die unter dem
Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Mahabharata (Berlin 1826), die
Hegel in den von ihm herausgegebenen »Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik«
(Jahrgang 1827) ausführlich bespricht,
[100]
markiert den Anfang einer genaueren Kenntnisnahme und Würdigung
der indischen Philosophie in der europäisch-westlichen Tradition. Humboldt
bezieht sich unter anderem auf die Ausgabe und lateinische Übersetzung der
Bhagavad-Gita von August Wilhelm Schlegel (Berlin 1823) und benutzt
die Auszüge aus den Veden, die in englischer Übersetzung von Henry Thomas
Colebrooke in den Transactions of the Royal Asiatic Society (Bd I,
Calcutta 1798) herausgegeben worden sind. Während Humboldt
ziemlich unterschiedslos von »indischer Mythologie und Philosophie« spricht
und für eine genaue und gründliche Kenntnis jedes einzelnen Textes eintritt,
bevor ein Vergleich mit anderen Texten aus demselben inhaltlichen Zusammenhang
erfolgen kann, sucht Hegel deutlich zu machen, dass es sich hier um »Quellen«
der Philosophie im Sinn von Vorformen handelt und dass es gilt, »eine Kenntnis
von allgemeiner indischer Lehre« anzustreben. Die einzelnen Lehrstücke
der indischen Philosophie, insbesondere die Yoga-Lehre, erfüllen nach seiner
Darstellung nicht die Forderungen, die man an eine systematisch aufgebaute
wirkliche Philosophie stellen muss. Humboldts und Schlegels Bemühungen um
die Texte bezeugen eine Offenheit gegenüber dem indischen Denken, das sie
den deutschen Lesern nahe bringen wollen. Hegel vertieft sich ebenfalls gründlich
in die Problemlage, kommt aber im Grunde zu einer weitgehenden, wenn auch
»versteckten« oder ironisch gebrochenen Kritik. Das zeigt sich besonders deutlich
in seiner Auseinandersetzung mit Colebrookes These, das indische Einheitsdenken
bedinge in der Theologie einen Monotheismus. Obgleich »diese Bestimmung nicht
unrichtig ist«, kann die indische Religion, weil der Gottesbegriff nicht konkret
ist, »eben so sehr der tollste Pantheismus« sein. Sofern aber nach der indischen
Lehre das Eine zugleich in Allem ist, und zwar in allen empirischen Dingen,
ist dies nach Hegel nicht nur Pantheismus, sondern eine »Allesgötterei«.
[101]
Die Erforschung
des indischen Denkens und zunehmend auch des chinesischen Denkens, besonders
des Daoismus und des Konfuzianismus, führen im 19. und 20. Jahrhundert zu
zahlreichen hervorragenden Ergebnissen. Ich nenne nur einige wenige Namen:
Paul Deussen, Max Weber, Friedrich Heiler, Walter Otto, Nathan Söderblom,
Gerard van der Leeuw, Mircea Eliade, Richard Wilhelm, Gustav Mensching, Helmuth
von Glasenapp. Ihre Arbeiten sind von ihnen selbst nicht in erster Linie als
philosophisch oder als Beiträge zur Vergleichenden Philosophie, sondern als
religionsphilosophisch, -soziologisch, -wissenschaftlich, -phänomenologisch,
-historisch klassifiziert. Die vergleichenden Aspekte sind in der Tat nicht
von allgemein oder grundsätzlich philosophischer Art. Im europäisch-westlichen
philosophischen Diskurs werden sie nicht als Beiträge zur philosophischen
Problematik und Literatur im strikten Sinn zur Kenntnis genommen. Ähnliches
gilt für die bahnbrechenden Arbeiten von James Legge zu den Klassikern der
chinesischen Philosophie oder von Joseph Needham zur chinesischen Wissenschaftsphilosophie
und -geschichte. Der organisatorische Zusammenhang, in dem diese Arbeiten
an den europäisch-westlichen Universitäten ausgeführt werden und in Forschung
und Lehre eine Rolle spielen, sind dann auch nicht die Abteilungen, Institute
oder Seminare für Philosophie, sondern speziell religionswissenschaftliche
oder -soziologische Institute oder philosophische Lehrstühle in den Abteilungen
für Indologie und Sinologie. Das japanische
Denken kommt erst später ins Bild. Es wird direkter auf Probleme bezogen,
die im europäisch-westlichen Sinn als eigentlich philosophisch gelten, und
von hier aus kommt es sehr bald zu interkulturell philosophischen Fragestellungen.
Das Besondere dieses fernöstlichen Denkens im Vergleich zur europäisch-westlichen
Tradition der Philosophie wird von japanischer Seite eindringlich formuliert.
Auf Kitaro Nishida, Keiji Nishitani und auch auf die zusammenfassende Präsentation
der Philosophie der Kyoto-Schule durch Ryôsuke Ohashi
[102]
komme ich im nächsten Kapitel ausführlicher
zurück. Wie die
japanische wird auch die indische Philosophie seit den 20er Jahren des 20.
Jahrhunderts von einheimischen Autoren in einer Weise präsentiert, die weltweite
Beachtung und Anerkennung findet. Dafür stehen Namen wie Sri Radakrishnan,
Sri Aurobindo, Raymondo Pannikar, Ram Adhar Mall. Indische Philosophen gehen
auch vergleichende Studien mit westlichem Denken an.
[103]
Dasselbe lässt sich von der chinesischen Philosophie sagen,
auch wenn Namen wie Wang Gung-Hsing, Lin Yutang, Fung Yu-Lan oder Liu Wu-chi
weniger bekannt sind. Vergleiche mit dem Westen, besonders mit Heidegger,
finden sich auch hier recht häufig.
[104]
In der Ära Mao Tsetungs und ihrer Nachgeschichte werden
die sogenannten philosophischen Auseinandersetzungen, die im Rahmen der sozialistisch-kommunistischen
Länder auch international ein breites Echo finden, von politisch-ideologischen
Prämissen aus geführt.
[105]
Vergleichende
Philosophie kommt innerhalb der europäisch-westlichen Arbeitszusammenhänge
nur mühsam in Gang. Wichtige Namen sind Paul O. Ingram, Frederick J. Streng,
Robert E. Allinson, Roger T. Ames. Das Institut Philosophy East and West
in Honolulu hat mehr als hundert Mitarbeiter. Die Ergebnisse lassen indessen
zu wünschen übrig. Der anfängliche Gedanke des Instituts in Honolulu (1939),
eine Weltphilosophie als Synthese der östlichen und westlichen zu entwickeln,
verflacht zu einer Ansammlung von Detailanalysen zur nicht-westlichen (=östlichen)
Philosophie. Und auch die Versuche einer Global History of Philosophy können
die in sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen.
[106]
Die Begrenzung auf östliche und westliche Philosophie als
Bezugsrahmen der Vergleichenden Philosophie wird von den Vertretern dieses
Faches auf keine Weise adäquat begründet. Auch das Argument, dass es neben
der europäisch-westlichen Tradition keine Texte einer schriftlich überlieferten
Philosophie gibt, ist ja keineswegs stichhaltig. Dagegen wäre nicht nur die
arabische philosophische Tradition ins Feld zu führen, sondern auch die Geschichte
der äthiopischen Philosophie, deren älteste Dokumente immerhin ins 5. Jahrhundert
n.Chr. zurückreichen. Ich werde am Beispiel der subsaharisch afrikanischen
Philosophie zeigen, dass primär mündlich tradierte philosophische Inhalte
den schriftlich fixierten Texten prinzipiell im Rang nicht nachstehen. Die Methode
des Vergleichens philosophischer Inhalte und Traditionen bedeutet, dass ein
äußeres Herangehen gewählt wird. Das kann den verschiedenen Inhalten
dieser Philosophien nicht gerecht werden. Die Inhalte werden unvermeidlicherweise
auf einander einwirken, wenn sie neben
einander gestellt werden. Deshalb ist für die interkulturelle Philosophie
die Methode – oder besser – der Weg von Dialogen zu bevorzugen. Dazu ist oben
(in der Einleitung) bereits einiges bemerkt worden. Genauer ist darauf am
Beginn des nächsten Kapitels einzugehen. Eine ausführliche
und gründliche Untersuchung zur Vergleichenden oder Komparativen Philosophie,
die auch die methodischen Fragen angeht, hat der belgische Sinologe und Philosoph
Ulrich Libbrecht vorgelegt. Im ersten Band seiner Studie stellt er »Ansatz
und Entwicklung eines komparativen Modells« vor. Er möchte, ausgehend von
chinesischer, indischer und westlicher Philosophie, die grundsätzlichen Wege
und Möglichkeiten des Philosophierens formal erfassen. Es handelt sich dabei
nicht um ein »passives Vergleichen«, weil nicht Inhalte und Strukturen des
Denkens inventarisiert werden, wie sie an der Oberfläche erkennbar sind, sondern
um ein Durchdringen zu den »Tiefenstrukturen«, die auf charakteristische Weise
unterschieden sind und doch zusammengehören. Auf diesem Wege erweisen sich
die philosophischen Systeme weithin als »intellektueller Ausdruck
der Weltreligionen«.
[107]
Die drei
grundsätzlich möglichen philosophischen Systeme sind im Kern (1) westlicher
Rationalismus, dem (2) indischer Mystizismus gegenübersteht, die beide eine
je verschiedene Beziehung zum (3) chinesischen Naturalismus unterhalten. Die
beiden ersten Systeme kennen einen Zugang zu einer intelligiblen Welt, der
logisch unterbaut oder erfahrungsmäßig erlebt wird, während das dritte für
einen konsequenten Immanentismus steht. Wenn es im Westen um eine aktive,
auf richtiges Handeln gerichtete Grundkonzeption geht, sind für die indische
Tradition »Ruhe und Einsamkeit, Leere und Nicht-handeln« charakteristisch.
Die chinesische Philosophie wird demgegenüber durch ein Harmoniestreben gekennzeichnet,
das physische und psychische Komponenten mit einander verbindet.
[108]
Nun beansprucht
Libbrecht zwar nicht, damit schon alle möglichen Weisen des Philosophierens
erfasst zu haben. Das vorgestellte Modell gleicht vielmehr einer Schwarz-Weiß-Darstellung,
die nur die möglichen Extreme verzeichnet. Dazwischen lassen sich nach seiner
Auffassung beliebig viele andere Weisen des Philosophierens als verschiedene
Grautöne ansiedeln. So behandelt er in Teil II die indianische Weltanschauung,
die dem chinesischen Daoismus und seinem Naturbegriff verwandt ist, und das
Denken in Japan und in Irland, die in der östlichen bzw. westlichen Welt einen
Kontrapunkt zu Naturalismus und Rationalismus bilden.
[109]
Dennoch lassen sich auf diesem Weg die regionalen und methodischen
Grenzen der Vergleichenden Philosophie nicht überwinden. Wenn Libbrecht »eine gleichwertige
Herangehensweise aller Kulturen mit einer geschriebenen Geschichte« als Ausgangspunkt
wählt,
[110]
wo bleiben dann die Kulturen, die keine geschriebene, sondern
eine primär mündliche Überlieferung kennen? Worauf basiert die Voraussetzung,
dass sich auf der Grundlage der chinesischen, indischen und westlichen Philosophie
ein Modell entwickeln lässt, das alle anderen Philosophien auf der Erde mit
umfasst? Auch die Bevorzugung systematischen Philosophierens ist nicht näher
begründet. Daneben gibt es eine ganze Palette anderer Weisen zu philosophieren,
die dem Systemdenken gleichwertig sind. Gerade das dialogische Philosophieren
ist hier zu nennen, das in der westlichen Tradition sein großes Vorbild in
Platon findet, aber auch das aphoristische Philosophieren, das im Westen von
keinen Geringeren als Friedrich Nietzsche und dem späteren Ludwig Wittgenstein
praktiziert wird, oder auch Theodor W. Adornos Versuche, an die Stelle der
Systeme Essays und Modelle zur Erfassung von Konstellationen zu setzen, sowie
schließlich eine eher narrative Philosophie, die in der französischen Tradition
wichtige Vertreter kennt (Albert Camus, Jean-Paul Sartre, Luce Irigaray, Julia
Kristeva) und die für die subsaharisch afrikanische Philosophie sehr kennzeichnend
ist.
Philosophie scheint sich dem »Auge des Ethnographen« weitestgehend
zu entziehen, auch wenn er – wie etwa Michel Leiris – allen Ernstes darum
ringt, eigene, europäisch-westliche Voraussetzungen des Sehens so wenig wie
möglich ins Spiel zu bringen.
[111]
Vergleichende Philosophie geht von einem Philosophiebegriff
aus, der sich an primär schriftlichen Formen der Kommunikation und Überlieferung
orientiert, der aber auch im Rahmen dieser nicht ausgewiesenen oder eigens
begründeten Begrenzung selektiv angelegt ist, sofern er arabische und äthiopische
Philosophie nicht einbezieht. Und die Methode des Vergleichens bleibt eine
äußerliche Herangehensweise. Der »Durchbruch zur interkulturellen Philosophie«,
der im II. Kapitel im Kontext des europäisch-westlichen philosophischen Diskurses
beschrieben worden ist, lässt sich an dieser Stelle so zusammenfassen, dass
(1) nicht nur (a) die Verschränkung des ethnographischen mit dem kolonialen
Blick, sondern auch (b) die notwendigerweise objektivierende Blickrichtung
des empirischen Beobachtens und Beschreibens überwunden werden und dass (2)
die Begrenzung der Vergleichenden Philosophie (a) auf »Kulturen mit einer
geschriebenen Geschichte« sowie auf Grund unklarer Auswahlkriterien und (b)
durch die äußerlich bleibende Methode des Vergleichens überschritten werden.
Zugleich soll betont werden, dass dieser Durchbruch bisher erst in einigen
Ansätzen vollzogen ist, die hier beispielhaft vorgestellt werden sollen. Philosophie
gehört – wie Kunst – zur conditio humana und ist im Zusammenhang mit
bestimmten gesellschaftlich-geschichtlichen Bedingungen, auf die ich in den
»Abschließenden Überlegungen« näher eingehe, in allen Kulturen anzutreffen.
Die Philosophien der verschiedenen Kulturen sind – wie diese insgesamt – dem
Rang nach gleich und dem Inhalt nach verschieden. Es gibt keine Höherentwicklung
von früheren zu späteren Philosophien und kein grundsätzliches Höher- oder
Tieferstehen gleichzeitig neben einander bestehender Kulturen und ihrer Philosophien.
In methodischer Hinsicht kann es hier nicht darum gehen, die Philosophien
verschiedener Kulturen empirisch zu erforschen und zu beschreiben. Sie entziehen
sich einer solchen Herangehensweise und würden sich bei ihrer Anwendung womöglich
in Nichts auflösen Von europäisch-westlicher philosophischer Seite aus erscheint
für den Umgang der Philosophen/Philosophien verschiedener Kulturen mit einander
die Methode oder der Weg von Dialogen am angemessensten zu sein, die/der in
dieser Tradition am stärksten Offenheit für den/die Anderen und Gleichrangigkeit
der verschiedenen Partner ermöglicht.
In der
Einleitung sind bereits einige Merkmale von Dialogen, insbesondere interkulturell
philosophischen Dialogen genannt worden: (1) Die Dialogpartner sind dem Rang
nach gleich, ihre Auffassungen dem Inhalt nach verschieden, (2) Dialoge sind
durch Offenheit im Blick auf das zu erreichende Ergebnis gekennzeichnet, (3)
die Mittel und Wege, die zum Verständnis führen, sind nicht nur diskursiv-sprachlicher
Art, (4) Dialogen liegt die Erwartung zu Grunde, dass der/die Andere/n mir
etwas zu sagen hat (haben), das ich mir auf keine Weise, etwa auf Grund meiner
Teilhabe an der allgemeinen menschlichen Vernunft, auch selbst hätte sagen
können. Diese Merkmale sollen hier in einen etwas weiteren Kontext einbezogen
und ergänzt werden. Nicht nur
bei interkulturell philosophischen Dialogen, sondern bei Dialogen allgemein
ist es wichtig, dass die Personen, die am Dialog teilnehmen, im Idealfall
leiblich anwesend sind. Dabei findet bereits vorsprachlich vielfacher Austausch
statt. Das Antlitz des Dialogpartners qualifiziert ihn als solchen. Wenn jemanden
der Blick des/der Anderen trifft, sind darauf unterschiedliche Antworten möglich.
Die Blicke der Dialogpartner können sich positiv begegnen, indifferent bleiben
oder sich ausweichen. Außer dem Blickkontakt gibt es eine Reihe anderer multisensorischer
Wechselbezüge. Dazu gehören auch die Gestik und der Tonfall, die den sprachlich
geführten Dialog begleiten und im Prozess des gegenseitigen Verstehens eine
Rolle spielen. Dialoge kommen nur zu Stande, wenn
für das Thema, um das es geht, ein gewisses Vorverständnis bei den Dialogpartnern
vorhanden ist. Man kann es vielleicht auch vorsichtiger so ausdrücken, dass
ein vorgeschlagenes Thema bei den Betroffenen eine Resonanz erzeugen muss,
die nicht notwendigerweise bereits inhaltlich weitgehend artikuliert zu sein
braucht. Ein Dialog, wenn er zustande kommt, unterliegt zwar bestimmten Regeln,
ist aber an diese nicht in einem äußerlichen verfahrensmäßigen Sinn gebunden.
Es sind eher die Regeln der Höflichkeit, die ein spontanes Agieren und Reagieren
nicht ausschließen. Grundsätzlich erkennen sich die Dialogpartner – wie gesagt
– gegenseitig als gleichberechtigt an. Sie versammeln sich gewissermaßen um
die offene Mitte eines »Zwischen«, das sie verbindet und in ihren Standpunkten
auch frei lässt. Martin Buber hat in seinen »Schriften
zum dialogischen Prinzip« eindringliche Analysen zu diesem Zwischen vorgelegt.
Es geht ihm um den Dialog des Ich mit dem Du, der durch eine Instanz zwischen
beiden vermittelt wird. Diese Instanz ist unverfügbar und wird von den Beteiligten
als Geschenk erfahren.
[112]
An den interkulturellen Dialogen, die uns hier beschäftigen,
werden in der Regel mehrere Personen beteiligt sein. Dementsprechend ist das
Zwischen von etwas anderer Art, vielleicht weniger intim und wohl auch weniger
intensiv. Ferner sprechen wir bewusst von Dialogen in der Mehrzahl, da interkulturelle
Verständigung eine vielfältige und häufig zu wiederholende Anwendung des »dialogischen
Prinzips« erfordert. Dennoch lässt es sich nicht vermeiden,
dass bei Dialogen auch Machtpositionen im Spiel sind, die auf Lebensalter,
Energie und Kompetenz der Beteiligten beruhen und die zu dem »zwanglosen Zwang«
des besseren Arguments, von dem Aristoteles spricht, hinzutreten. Freilich
kann und soll in Dialogen so viel wie möglich argumentiert werden. Aber man
muss sich irren können, und man muss beschämt sein können, ohne dass dies
zum Abbruch des Dialogs führt. Die Meinung des Einzelnen muss sich nicht vor
der Instanz eines herrschenden Diskurses oder gängiger Auffassungen rechtfertigen.
»Wer überhaupt etwas meint, meint auch immer etwas Richtiges«, hat Hans-Georg
Gadamer einmal gesagt. Das Ergebnis eines Dialogs beruht deshalb nicht auf
der überlegenen Position des einen oder anderen der Beteiligten. Es ist auch
nicht als »Verschmelzung der Horizonte« der Beteiligten zu charakterisieren,
wie es bei Gadamer geschieht.
[113]
An den platonischen Dialogen kann man ablesen, dass ihr
Ergebnis in ihrem Vollzug zur Erscheinung kommt. In seinem neuesten Platon-Buch hat
Gernot Böhme von der Technischen Hochschule Darmstadt die Dialogform der Platonischen
Philosophie so beschrieben, dass darin »philosophische Gedankengänge … in
einer Gesprächssituation« entwickelt werden, das heißt »aus den Voraussetzungen
heraus, die bei den Gesprächspartnern unterstellt werden oder von ihnen selbst
gemacht werden«.
[114]
Die theoretische Begründung der Dialoge »als Weg der Erkenntnisgewinnung«
nennt Platon Dialektik. Diese Methode oder der Weg der Dialektik wird von
ihm doppelt charakterisiert. Nach dem Dialog Politeia (Vom Staat, 531e5f.)
geht es einerseits um das »lógon didónai«, das am besten mit »Rechenschaft
ablegen« übersetzt wird, und andererseits um das »apodéchesthai«, das für
ein nicht passiv gemeintes »Rede entgegennehmen« steht. Der »entgegennehmende
Teil, in der Regel Sokrates, ist [vielmehr] der eigentlich aktive«. Die auch
als Maieutik (Hebammenkunst) bekannte Gesprächsführung von Sokrates beruht
darauf, dass er sich die richtigen »Fragen einfallen lassen« kann und dass
in seinem Entgegennehmen der Antworten ein »Akt der Billigung« liegt, »durch
die ein möglicher Konsensus konstituiert wird«. Nun setzt die Rolle des Sokrates in
den Platonischen Dialogen eine überlegene Sachkompetenz voraus. Meist besteht
ein Lehrer-Schüler-Verhältnis mit dem zugehörigen Autoritäts- und Machtsgefälle,
das aber ausschließlich auf der größeren Sachkompetenz begründet ist. Sokrates
nimmt sich und seine überlegene Position in der Gesprächssituation auch stets
wieder zurück, indem er darauf besteht, dass die gewonnenen Erkenntnisse nicht
die seinen sind, sondern von den Gesprächspartnern eingebracht werden und
an den Vollzug des Dialogs gebunden sind. Diese Erkenntnisse lassen sich nicht
auch als Teile eines systematischen Lehrgebäudes darstellen, das die Philosophie
Platons enthält. Damit würde man die »trotz aller Strenge immer wieder spürbaren
spielerischen und tentativen Züge seiner Philosophie« verkennen.
Die Minimierung der Gewaltverhältnisse,
wie sie in philosophischen Dialogen
möglich ist und für den interkulturellen Umgang mit einander aus westlicher
Sicht am angemessensten erscheint, hat eine unmittelbare politische Konsequenz.
Sie enthält die Aufforderung an andere Formen der Kommunikation in der Politik,
Wirtschaft, Wissenschaft oder Kunst diese dialogischer zu machen. Man kann
auch sagen, dass Dialoge eine Gegeninstanz der stärker auf Machtunterschieden
beruhenden Kommunikationsformen bilden. In Dialogen, insbesondere in interkulturellen
Dialogen bleiben Elemente des Nichtverstehens. Ein Dialog ist nur, was er
ist, wenn er auch scheitern kann. Wichtig ist der Respekt vor den Auffassungen
des Anderen, auch wenn man sie im eigenen Verständnishorizont nicht unterbringen
kann. Dieser Respekt beruht auf dem Vertrauen zu dem Partner, der sich der
Situation des Dialogs ausgesetzt hat. Freilich ist in Dialogen oder an ihrer
Grenze festzuhalten, dass nur Respekt verdient, wer selbst respektiert. Und
es muss klar sein, dass die Kommunikationsform der Dialoge eine Zugangsmöglichkeit
zur interkulturellen Philosophie ist, die von europäisch-westlicher Seit aus
konzipiert und angeboten wird. Damit ist zugleich gesagt, dass in den Dialogen
die Offenheit eingeschlossen ist, zu anderen Kommunikationsformen überzugehen,
wenn sich diese als angemessener erweisen. Interkulturell philosophische Dialoge
konstituieren sich, sofern zwischen den Philosophen/Philosophien verschiedener
Kulturen gemeinsam interessierende Themen bearbeitet werden. Dabei kann das
Interesse an dem Beitrag des/der Anderen besonders auch darauf beruhen, dass
er/sie von seinen/ihren Voraussetzungen aus etwas einbringen kann/können,
das im Arsenal der Denkmittel oder -möglichkeiten der eigenen Tradition gerade
nicht aufzufinden oder darin verschüttet und in Vergessenheit geraten ist.
Es ist unstreitig, dass interkulturelle Philosophie sich als eine Vielzahl
solcher Dialoge vollzieht, die dann wieder durch das Wort »Polylog« in der
Einzahl bezeichnet werden kann. Darauf ist oben (s. Anm. 7 und den zugehörigen
Text) bereits hingewiesen worden. Die Zeitschrift polylog, in ihrer
gedruckten und in ihrer Internetversion,
[115]
wird diesem Anspruch auf vorbildliche Weise gerecht. Deshalb
mache ich bei der Darstellung interkulturell philosophischer Dialoge zwischen
westlichen und verschiedenen nicht-westlichen Philosophien unter anderem von
dieser Zeitschrift dankbar Gebrauch. Die hier
folgende Darstellung interkulturell philosophischer Dialoge schließt sich
im übrigen weitgehend bei der Arbeit von verschiedenen Gesellschaften und
Institutionen an, die auf diesem Gebiet tätig sind. Die Gesellschaft für
interkulturelle Philosophie (GIP) mit Sitz in Köln (gegründet 1990) und
einer großen Zahl von Mitgliedern aus aller Welt hat Schwestergesellschaften
in Österreich: Wiener Gesellschaft für interkulturelle Philosophie
(WiGIP) und in den Niederlanden: Nederlands-Vlaamse Vereniging voor Interculturele
Filosofie (NVVIF) mit Sitz in Rotterdam. Mit der Arbeit dieser Gesellschaften
eng verbunden ist das Publikationsorgan Studien zur interkulturellen Philosophie
(hg. von H. Kimmerle und R.A. Mall im Rodopi Verlag in Amsterdam und Atlanta,
GA), in denen Beiträge in deutscher, englischer und französischer Sprache
veröffentlicht werden und von denen in der Zeit von 1993 bis 2001 elf Bände
erschienen sind. An der Erasmus Universität Rotterdam gibt es einen Arbeitszusammenhang
zur interkulturellen Philosophie, der 1990 mit der Einrichtung eines besonderen
(das heißt von einer Stiftung finanzierten) Lehrstuhls für Grundlagen der
interkulturellen Philosophie, mit einem Schwerpunkt auf afrikanischer
Philosophie, begonnen hat. Und im Institut für Philosophie der Ruhr-Universität
Bochum arbeitet Jürgen Hengelbrock, auch in Verbindung mit dem Fachverband
Philosophie (für Philosophielehrer an Gymnasien) kontinuierlich an Fragen
der interkulturellen Philosophie, insbesondere dem Dialog mit afrikanischer
Philosophie. Von diesen Gesellschaften und Institutionen aus haben sich zahlreiche
individuelle und institutionelle Kontakte und Projekte der Zusammenarbeit
ergeben mit Philosophen und philosophischen Einrichtungen in anderen Kulturen.
Dialoge und Auseinandersetzungen westlicher
Philosophie mit philosophischen Traditionen in bestimmten anderen Kulturen
werden von verschiedenen Universitäten, Institutionen und einzelnen Personen
organisiert. Für die Ost-West-Dialoge ist noch einmal das Institut und das
Publikationsorgan Philosophy East and West in Honolulu zu erwähnen.
Auf diesem Gebiet arbeiten auch Robert E. Allinson von der Chinese University
of Hong Kong, die School voor Comparatieve Filosofie in Antwerpen
und die Stichting Filosofie Oost-West in Utrecht, wobei letztere seit
einigen Jahren auch afrikanische Philosophie in ihr Programm aufgenommen hat.
Um afrikanisch-westliche Dialoge bemühen sich die Society for African Philosophy
in North-America (SAPINA) und auch einige afrikanische Universitäten,
besonders in Kinshasa, Addis Abeba, Nairobi, Lagos, Ibadan, Legon-Accra, Abidjan,
Dakar und Pretoria. Den Dialogen mit lateinamerikanischer Philosophie widmet
sich – wie in der Einleitung schon erwähnt – eine Gruppe um den in Aachen
lehrenden Raúl Fornet-Betancourt in Zusammenarbeit
mit dem Verlag für interkulturelle Kommunikation (IKO) in Frankfurt/Main.
Es versteht
sich von selbst, dass diese Aufzählung, die den Erfahrungshintergrund des
hier vorliegenden Textes umschreibt, subjektiv eingefärbt ist. Die Reihenfolge
der Darstellung: Dialoge mit östlichen Philosophien (Indien, China, Japan),
mit islamischer Philosophie, mit latein- bzw. iberoamerikanischer Philosophie,
mit afrikanischer und anderen primär mündlich überlieferten Philosophien sucht
der zeitlichen Abfolge nachzugehen, in der diese Philosophien seit der Aufklärung
als mögliche Dialogpartner in den Horizont der europäisch-westlichen Philosophie
getreten sind. Dabei ist klar, dass innerhalb der westlichen Philosophie bestimmte
Positionen als Ausgangspunkte eingenommen werden. Es wären gewiss auch Dialoge
über die entsprechenden Themen innerhalb der europäisch-westlichen Philosophie
möglich und notwendig. Insofern sind intrakulturelle und interkulturelle philosophische
Dialoge mit einander verbunden. Ich möchte indessen an der Besonderheit der
interkulturellen Dialoge festhalten, wie sie von europäisch-westlichen Auffassungen
aus mit Philosophen und Philosophien anderer Kulturen geführt werden und bei
denen – wie oben gezeigt – ein höherer Grad an zu überwindender und bestehen
bleibender Fremdheit vorauszusetzen ist.
Der Buddhismus als religiöse Theorie und Praxis mit deutlichen
philosophischen Lehrinhalten ist in Indien entstanden. Als die Lebenszeit
seines Stifters, Buddha Siddhârta, auch Gautama genannt, »sind von der europäischen
Forschung die Jahre um 560-480 v.Chr. ermittelt worden«.
[116]
Das muss als der Versuch einer Präzisierung verschiedener
Angaben gewertet werden, die in früher Zeit von Anhängern dieser Religion
gemacht worden sind. In der Zeit von ca. 250 – ca. 700 n.Chr. hat sich der
Buddhismus nach Indonesien, China, Japan und Tibet ausgedehnt, wo seine Lehren
auf je spezifische Weise weiter entwickelt worden sind. Die philosophischen
Aspekte des Buddhismus bilden demgemäss für die östlichen Philosophien von
Indien, China und Japan, die hier entsprechend der gängigen Forschungspraxis
als repräsentativ ausgewählt worden sind, einen gewissen gemeinsamen Nenner,
wobei die je spezifischen Weiterentwicklungen freilich nicht vergessen werden.
Deshalb soll ein Beitrag des Buddhismus zu einem weltweit, aber gerade auch
im Westen aktuellen philosophischen Thema den Anfang der Darstellung von Dialogen
mit diesen Philosophien bilden. Ich beziehe mich auf das Thema »Gerechtigkeit«
und referiere hier einen Artikel von Sungtaek Cho, Professor für Religious
Studies an der New York State University in Stony Brook, den er in der
Zeitschrift polylog veröffentlicht hat.
[117]
Cho bezieht
sich auf den Mahayana-Buddhismus, der die ursprüngliche Lehre, den Hinayana-Buddhismus,
in den ersten drei Jahrhunderten n.Chr.
weiter ausgearbeitet hat und der dann in China, »oft gerade in Zeiten politischer
Instabilität«, eine wichtige Rolle gespielt hat. Die »ureigenste Natur des
Buddhismus als ein ontologischer Diskurs, der auf die individuelle Erlösung
durch eine innere Transformation zielt«, die schließlich zum »Erwachen« oder
zur »Erleuchtung« führt, bedingt eine nicht gering einzuschätzende Schwierigkeit
für die Ausarbeitung einer sozialen und politischen Philosophie, eine Schwierigkeit,
die der Buddhismus freilich mit anderen Erlösungsreligionen teilt. Indessen
sieht Cho im Begriff der »Selbstlosigkeit«, der in der buddhistischen Lehre
zentral ist, eine »Basis für eine buddhistische Theorie von sozialer Gerechtigkeit«. Von dieser Basis aus bezieht er die buddhistischen
Auffassungen auf das im Westen tonangebende Werk des amerikanischen Philosophen
John Rawls: A Theory of Justice (Cambridge, MA 1971, deutsche Übers.
1977). Während
Rawls’ Theorie, unabhängig von den »moralischen Neigungen in den Individuen«,
Gerechtigkeit in den »sozialen Institutionen« zu verankern sucht, wird »das
buddhistische Modell weniger Wert auf soziale Institutionen und mehr Wert
auf persönliches Verhalten, vor allem auf persönliche Qualitäten wie Mitleid
und Wohlwollen legen«. Für Rawls ist »das Erreichen von sozialer Gerechtigkeit
ein Selbstzweck«, für den Buddhismus dagegen »muss letztendlich auch die Frage
der sozialen Gerechtigkeit zurück auf den Weg zur Erleuchtung führen«. Das
Ideal des Bodhisattvas, das den Buddhisten zu einem »Anwärter auf die Buddhaschaft«
macht, bedeutet, dass der Bodhisattva sein eigenes Selbst aufgibt und zum
Selbst der ganzen Welt erweitert, um »die Last alles Leidens« nicht nur der
Menschen, sondern aller »lebenden Wesen« auf sich zu nehmen. Dabei ergibt
sich dann eine Übereinstimmung mit Rawls’ Theorie. »Genau wie Rawls’ Gründerväter
gezwungen sind, sich vorzustellen, dass sie möglicherweise irgendwer
in der Gesellschaft sein könnten, um die Fairness ihrer Gesetze zu gewährleisten,
so verlangt die Lehre von der Selbstlosigkeit, dass sich Buddhisten tatsächlich
als jeder innerhalb der Gesellschaft sehen«. In dieser religiösen Forderung
an die Buddhisten liegt nach Cho eine philosophische Erkenntnis, sofern sie
»eine solide rationale Basis für das soziale Handeln« bietet.
Auf diese
Weise wird deutlich, dass im Mahayana-Buddhismus in seiner chinesischen Ausprägung
Motive liegen, die für heutige philosophische Fragen wichtig sind. Sie können
zu Fragestellungen in der westlichen Philosophie ins Verhältnis gesetzt werden,
um ein umfassenderes Modell zur Lösung der entsprechenden Fragen zu erarbeiten.
Das Motiv der Selbstlosigkeit hat dabei in den östlichen Philosophien ältere
Wurzeln als die Aufstellung des Bodhisattva-Ideals im Buddhismus der ersten
Jahrhunderte n.Chr. Es reicht zurück in die Periode der Vedas und der Upanishaden
in der indischen Philosophie, die für die Zeit von 2500-600 v.Chr. angesetzt
wird. Seine eigentliche Wurzel muss man wohl in dem Gedanken sehen, dass brahman
(das Absolute in seiner objektiven Gestalt) zugleich atman (das Absolute
in seiner subjektiven Gestalt) ist. Diese frühe Form des Einheitsdenkens wird
in philosophisch-religiösen Systemen vielfach weiter ausgearbeitet, die von
den Upanishaden ausgehen und unter dem Namen Advaita Vedanta (Nicht-Zweiheit
lehrende Veda-Philosophie) tradiert werden. »Als solche sind sie orthodox-hinduistisch
und gehören zu den anerkannten darshana’s (wörtlich Betrachtungsweisen),
wie auch Yoga und Samkhya«.
[118]
Douwe Tiermersma,
der den Arbeitszusammenhang der interkulturellen Philosophie in Rotterdam
weiterführt, betont die aktuelle Bedeutung der Advaita Vedanta-Tradition,
die mit den Upanishaden, sowie der Bhagavadgitaö und den Brahma-
und Vedanta-Sutras (600 v.Chr.-200 n.Chr.) beginnt und über Gaudapada,
Govinda und Shankara (im 8. Jahrhundert n.Chr.), Ramanuja und Madhva (im 12.
und 13. Jahrhundert) bis zu Ramakrishna und Ramana Maharshi (im 19. und 20.
Jahrhundert) führt. Nach Tiemersma liegt die aktuelle Bedeutung dieser Tradition
darin, dass sie in der Situation eines radikalen Relativismus, eines Verlusts
an Gewissheit in theoretischen und praktischen Zusammenhängen, wie sie durch
Nietzsche oder die französischen Differenzphilosophen
markiert wird, einen Weg aufzeigen kann. Dabei geht es nicht nur um das spezifische
Problem der sozialen Gerechtigkeit, sondern um eine mystische Erfahrung, in
der das Selbst sich zum Selbst »alles dessen was lebt« erweitert, so dass
das Selbst-sein auch das Sein des/der Anderen umfasst. Diese Auffassungen
der hinduistischen Philosophie werden auf den Rotterdamer Advaita-Symposien
mit westlichen Konzeptionen von Hume und Kant bis zu Heidegger und Ricoeur
und der jüdischen Dialog-Philosophie (insbesondere Rosenzweig, Buber und Levinas)
ins Gespräch gebracht.
[119]
Für eine
zusammenfassende deutschsprachige Darstellung der aktuellen Bedeutung des
Buddhismus und Hinduismus als Dialogpartner westlicher Philosophie und Religion
sind zwei Bücher Ram Adhar Malls zu erwähnen, des Gründers und langjährigen
Präsidenten der »Gesellschaft für interkulturelle Philosophie«, der ja – wie
oben bereits bemerkt – aus Indien kommt und seit langen Jahren in Deutschland
forscht und lehrt: Buddhismus. Religion der Postmoderne? (Hildesheim1990)
und Der Hinduismus. Seine Stellung in der Vielfalt der Religionen (Darmstadt
1997). Zur Vervollständigung
der philosophischen Tradition und aktuellen Situation in China, wie sie in
vielfältigen Bezugnahmen und Auseinandersetzungen von westlicher Seite aus
vorausgesetzt werden, ist auf die Jahrtausende alten, aber bis heute immer
wieder relevanten Strömungen des Daoismus und des Konfuzianismus einzugehen.
Dabei kann es hier nicht das Ziel sein, diese philosophischen Strömungen in
ihrer für China gegebenen Bedeutung zu beschreiben, auch nicht in dem Sinn,
dass so Material für Vergleiche oder Dialoge mit westlichem Denken bereit
gestellt wird. Das geschieht in anderen Zusammenhängen wie dem der Sinologie
und der komparativen Philosophie, deren Wichtigkeit unbestritten ist. Für
die interkulturell philosophische Arbeit ist festzuhalten, was ich in meinem
ersten Afrika-Buch vorangestellt habe, dass sie »von allem Anfang an dialogisch
zu sein versucht«.
[120]
In dieser
Perspektive ist es indessen wohl bedeutsam, dass klassische Texte der Sinologie
und vergleichenden Religionswissenschaft heute in großen Auflagen nachgedruckt
werden. Dies gilt zum Beispiel für das Buch von Helmuth von Glasenapp: Die
fünf Weltreligionen, das 1963 erschienen ist und 2001 in der viel gelesenen
»Diederichs Gelben Reihe«, die sich um die Verbreitung des Wissens um die
»Weltkulturen« bemüht, neu aufgelegt wird.
[121]
Darin wird das große Interesse westlicher Leser an diesem
Wissen sichtbar. Die hier zu besprechenden Strömungen des chinesischen Denkens:
Daosimus und Konfuzianismus werden bei von Glasenapp treffend unter dem Begriff
des »Chinesischen Universismus« zusammengefasst, der auch die Forderung einer
»praktischen Verwirklichung der universellen Harmonie« beinhaltet. Dass in
seiner Auswahl der »fünf Weltreligionen« die frühe Religion der Upanishaden,
das Judentum und der Animismus fehlen, lasse ich hier auf sich beruhen.
[122]
Dagegen ist es wichtig zu betonen, dass im Daoismus und
Konfuzianismus philosophische Gesichtspunkte, besonders die einer rationalen
Kosmologie und einer politisch verbindlichen Ethik, deutlich im Vordergrund
stehen. In den
Veranstaltungen der Stichting Filosofie Oost-West werden für den Kontext
der chinesischen Philosophie neben dem Buddhismus der Konfuzianismus von dem
Amsterdamer Philosophen Karel van der Leeuw und der Daoismus, zusammen mit
dem Yangismus, von der belgischen Sinologin Patricia Konings behandelt. Der
Aufgabenstellung dieser Stiftung entsprechend geht es darum, die Wissensvermittlung
so einzurichten, dass »die Übereinstimmungen und Unterschiede in Hinsicht
auf das europäische Denken sichtbar werden«. Der Begriff Natur in Beziehung
zur Natur des Menschen und die daraus herzuleitenden ethischen Verpflichtungen
wie Authentizität und Sorge um den eigenen Körper stehen im Vordergrund.
[123]
Vor allem
möchte ich hier jedoch den von Robert E. Allinson herausgegebenen Sammelband:
Understanding the Chinese Mindl diskutieren, in dem neben Vertretern
der Chinese University of Hong Kong, zu denen auch Allinson gehört,
maßgebliche US-amerikanische Kenner der chinesischen Philosophie sowie der
Direktor des Department of East Asian Studies der Universität von Oslo
geschrieben haben.
[124]
Neben den methodisch wichtigen Beiträgen von Robert E.
Allinson: »An Overview of the Chinese Mind«, John E. Smith: »Interpreting
across Boundaries« und Lao Sze-Kwang: »On Understanding Chinese Philosophy:
An Inquiry and a Proposal« beziehe ich mich auf die Artikel von Chung-Ying
Cheng zum Daoismus und von Antonio S. Cua zum Konfuzianismus. Allinson
definiert Philosophie als »Selbstreflexion einer Kultur«, die das Selbst-Verständnis
(self-understanding) dieser Kultur artikuliert. Von hier aus begründet er
die hermeneutisch recht gewagte These, dass es gilt, das Selbst-Verständnis
der einen (nämlich fremden) durch das Selbst-Verständnis einer anderen (nämlich
eigenen) Kultur zu verstehen. Darin sind meines Erachtens zwei Thesen zusammengebracht:
(1) Das Verstehen einer anderen Kultur in ihrer Eigenart hat von der Position
des Verstehens der Eigenart der eigenen Kultur auszugehen. (2) Philosophen
einer bestimmten Kultur, das heißt diejenigen, die das Selbst-Verständnis
dieser Kultur artikulieren, sind am ehesten in der Lage und auf Grund ihrer
Tätigkeit prädisponiert, Philosophen einer anderen Kultur, die deren Selbst-Verständnis
artikulieren, zu verstehen.
[125]
Eine solche
Verstehensbemühung, die unter Philosophen stattfindet, hält er für wesensgemäß
»dialogisch«. Ihr Resultat wird durch die Doppelheit von Übereinstimmungen
und Unterschieden gekennzeichnet, wie es auch durch Van der Leeuw formuliert
wird. Die »Unterschiede müssen nicht antithetisch sein; sie können komplementär
sein«, wobei de facto das letztere in der Regel der Fall ist. Das zeigt
sich auch in der allgemeinen Charakteristik des westlichen Denkens als »theoretisch«
oder »kognitiv ausgerichtet« und des chinesischen als »orientierend«, - eine
Kennzeichnung, die von Lao Sze-Kwang sehr viel genauer ausgearbeitet und bestätigt
wird. Der vorausgesetzten Definition von Philosophie gemäß, die breiter ist
als eine ausschließlich auf Wissen gerichtete Unternehmung, können beide Denkweisen
in gleicher Weise als philosophisch gelten. Was Allinson nicht in den Blick
fasst, sind Fälle des Nicht-Verstehens, Selbst-Verständnisse einer anderen
Kultur, die im Horizont der eigenen auf keine Weise unterzubringen sind.
John E. Smith
von der Yale University in den USA betont dann auch stärker die »Grenzen«,
die das »interkulturelle Verstehen« überwinden muss. Die Möglichkeit der Vollzugsform
des Dialogs für dieses Verstehen sieht er in den intrakulturellen Dialogen
begründet, die Philosophen mit einander führen. In diesem Punkt schätzt er
die chinesische Philosophie als »bewundernswert gut ausgerüstet« ein, da ihre
eigene philosophische Kultur wesentlich homogener ist als die in sich sehr
differenzierte westliche, so dass sie »intensivere« und durch bessere Feinabstimmung
gekennzeichnete (more finely focused) interne Dialoge führen kann. Als Modell
hierfür verweist er auf den Dialog, den Mengzi (Mencius) mit Kongzi (Confucius)
angeht, indem er die Ideen seines Vorgängers als richtig übernimmt, aber die
Diskussion durch eine eigene These auch entscheidend weiterbringt. Seine entschiedene
Auffassung von dem »ursprünglichen Gutsein der menschlichen Natur« liefert
dann wieder für Jahrhunderte neuen Stoff für Diskussionen.
[126]
Ein Vergleich
des Daoismus mit der Geschichte der westlichen Metaphysik bringt Chung-Ying
Cheng von der University of Hawaii ebenfalls zu der Annahme eines komplementären
Verhältnisses beider, aber – wie bei Smith – mit
Hervorhebung der Vorteile der chinesischen Tradition. Dabei scheint
mir die höhere Bewertung der chinesischen Philosophie gegenüber der westlichen
auf einer zu pauschalen Beurteilung der letzteren zu beruhen. Von Parmenides
her sieht Cheng die westliche Metaphysik auf die Frage nach dem »ontologischen
Sein« konzentriert, während die chinesische Philosophie in ihrer allgemeinsten
Fragestellung auf das »kosmologische Werden« ausgerichtet ist. Das macht er
am Charakter der jeweiligen Sprachen fest, der im Fall des Griechischen (und
der übrigen europäischen Sprachen) phonetisch ist und das Hören besonders
auszeichnet und im Fall des Chinesischen eine bildhafte Sprache (image-language),
die das Sehen bevorzugt. Im Fall der ersteren bedingt dies eine Trennung des
Wahrnehmbaren vom Nicht-wahrnehmbaren (separation of the sensible from the
non-sensible), im Fall der letzteren gerade deren innere Zusammengehörigkeit
(cohesion). Das Seinsdenken, wie es von Parmenides’
Lehrgedicht ausgeht (»nur das Seiende ist, das Nichtseiende ist nicht«), vermag
das Nichtsein nicht in gleicher Weise zu erfassen. Es wird der Offenheit im
Werden letztlich nicht gerecht. Das Denken des dao als des »Suchens
nach dem Weg«, wie es vom Yijing (I Ging) und von Laotzis Daodejing
(Tao te king) ausgeht, ist ein Denken in Polaritäten (Yin und Yang), das
Sein und Nichtsein in der »natürlichen Erfahrung des Wandels und der Transformation
der Dinge« am Werk sieht. Das westliche Denken erreicht so einen höheren Abstraktionsgrad,
und/aber das chinesische ist nicht nur historisch, sondern auch philosophisch
das ursprünglichere, weil es »sich auf die ursprüngliche menschliche Erfahrung
des Bestehens und der Welt gründet« und dadurch die Trennung in Natürliches
(Wahrnehmbares) und Übernatürliches (Nicht-wahrnehmbares) vermeidet. Denn
»Metaphysik soll nicht die Wirklichkeit überschreiten, sondern sie umfassen«.
[127]
Antonius S. Cua von der Catholic
University of America in Washington, DC konzentriert sich auf eine systematische
Klärung der Begriffs Li in der Ethik des Konfuzius. Damit richtet er
sich auf das am meisten umstrittene Problem in Konfuzius’ Denken. Er betont
den komplexen Charakter dieses Begriffs, der nicht auf eine »notwendige Verbindung
von [traditionellem] Ritual und Moralität« eingeschränkt werden darf. Es geht
vielmehr darum, dass das Ritual, welches
»Gebräuche, Konventionen oder formale Regeln richtigen Verhaltens umfasst«,
wobei letztere um eine subtile Fassung der sogenannten »Goldenen Regel« (Was
du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu) gruppiert
sind, lediglich den »Ausgangspunkt der individuellen Moralität bereit stellt«.
[128]
Nach dem ideologisch dominierten Streit um Konfuzius in
der Ära Maos
[129]
ist eine differenzierte Betrachtung gerade dieses Begriffs
sicher notwendig. Dies betont auch Heiner Roetz, Sinologe aus Frankfurt/M.,
in seiner einführenden Konfuzius-Monographie. Bei aller Wichtigkeit, die dem
Ritual und der Tradition zukommt, zeigt ein genaueres Studium der von den
Schülern des Konfuzius etwa 50 Jahre nach dessen Tod (481 v.Chr.) aufgezeichneten
Gespräche (Lunyu), dass seine Ethik mehr ist »als die Ideologie
der Anpassung, auf die man sie oft reduziert«. Denn das Subjekt dieser Ethik
oder die eigentliche Handlungsinstanz »ist die integre moralische Person,
die bei aller Bereitschaft zur Integration zugleich um deren Grenzen weiß.
Erst die Einheit von Integration und Integrität macht die genuine konfuzianische
Ethik aus«.
[130]
Bei einer
Betrachtung der japanischen Philosophie als Dialogpartner der westlichen läge
es nahe, ebenfalls vom Buddhismus auszugehen, der von Indien über China ins
Land gekommen ist, und der in Japan die besondere Form des Zen-Buddhismus
angenommen hat. Das Besondere der japanischen Philosophie im Gegenüber zur
europäisch-westlichen liegt aber nun gerade darin, dass sie sich einerseits
bewusst den westlichen Einflüssen öffnet und andererseits ihre Besonderheit
im Blick auf diese Einflüsse selbst formuliert. Kitaro Nishida, der Begründer
der Kyoto-Schule, spricht von einer tiefen »Entzweiung« der japanischen Kultur
durch die Europäisierung. Dieser möchte er jedoch nicht begegnen, indem er
den Einfluss des europäisch-westlichen Denkens abschneidet, sondern indem
er mit dessen Mitteln eine »Wiederholung« der eigenen Tradition bewerkstelligt.
So zielt seine philosophische Arbeit, nach verschiedenen »Kehren« schließlich
auf eine »Auseinandersetzung mit dem Geschehen einer ‘Weltenbegegnung’«.
[131]
Rolf Elberfeld
hat Nishidas Kulturphilosophie als eine von fernöstlichen Prämissen aus formulierte
»Philosophie der Interkulturalität« interpretiert. Dabei spielt buddhistisches
Gedankengut eine entscheidende Rolle. Den Ausgangspunkt für diese Philosophie
sieht Elberfeld in Nishidas Schriften zur »Logik des Ortes«.
[132]
Der eigentliche Ort ist im Sinne des Buddhismus der »Ort
des absoluten Nichts«; er umfasst den »Ort des Seienden« und den »des relativen
Nichts«. Als solcher ist er der »Ort des lebendigen Geschehens selber«, das
der Subjekt-Objekt-Spaltung vorausliegt. Vom subjektiven Erkennen aus gesehen
ist es ein »leerer Ort«, welcher nur der »reinen Erfahrung« zugänglich ist.
[133]
Sofern der Ort für Nishida auch immer »welthafter Ort«
ist, in dem das Eine und das Viele immer schon in einander übergegangen sind,
gibt sich die Nähe seiner Philosophie zu Heideggers Denken zu erkennen. Der
individuelle Mensch und auch eine ganze Kultur streben danach, »welthaft«
zu werden. Die je einzelne Welt einer bestimmten Kultur wird Teil der »welthaften
Welt« auf dem Weg über eine »selbstverneinende Begegnung«, die dann zur »absoluten
Bejahung« der welthaften, das heißt mit anderen vereinigten Kultur führt,
welche sie in sich aufgenommen hat. Wenn die einzelnen Kulturen ihre Aufgabe
ernstnehmen, »welthafte Kulturen« zu werden, eine Aufgabe, die neben der philosophischen
sowohl religiöse als auch politische Dimensionen hat, kann daraus schließlich
eine »Weltordnung« entstehen.
[134]
Das Besondere
der japanischen Situation, im Vergleich zu Indien oder China, zeigt sich nach
Ryôsuke Ohashi, der selbst an der Universität von Kyoto lehrt und »Die Philosophie
der Kyoto-Schule« dokumentiert hat (Freiburg/München 1990), vor allem darin,
dass dieses Land einen eigenen Weg in die Moderne gefunden hat. Das ist rein
äußerlich an der fortgeschrittenen Technisierung und Industrialisierung Japans
abzulesen. Ohashi untersucht die Frage »nach dem ethisch-kulturellen Boden,
auf dem diese Moderne wachsen konnte«.
[135]
Wenn er hierfür nicht zuletzt auf den »Art Way (dô)« verweist,
zeigt sich die Nähe der japanischen Tradition zum Daoismus.
[136]
Dass in diesen intra- und interkulturellen Kontext auch
Heidegger gehört, ist nicht nur durch das Interesse Ohashis und vieler anderer
japanischer und koreanischer Philosophen an Heideggers Denken dokumentiert,
sondern auch durch die Anweisung dieses westlichen Denkers für die Gesamtausgabe
seiner Schriften: »Wege, nicht Werke!« Der Weg
oder die Wege japanischer Kunst findet man zu einem entscheidenden Teil im
Theater, von dessen Geschichte das Kabuki-Theater und das Nô-Theater weithin
bekannt geworden sind. Ohashi bezieht sich in einem Artikel über den »Art
Way« auf eine spezifische Art des Theaters, dessen ontologischer Status wichtige
Hinweise auf den Charakter der japanischen Modernität enthält. Chikamatsul
Monzaemons (1653-1724) schreibt Texte für eine bestimmte Art des Puppentheaters
und hat sich auch zur Theorie dieses Typus von Theater geäußert. Es heißt
»Ningyô Jôruri« und wird mit Puppen gespielt, die keinen Körper (kein Fleisch)
haben, sondern nur eine umhüllende Haut (skin membrane). Wenn sie vom
Puppenspieler in Bewegung versetzt werden, scheinen sie, die so wenig Wirklichkeitsbasis
besitzen, »wirklicher als wirkliche Menschen« zu sein. So entsteht ein »Zwischenraum«
oder eine Zwischensphäre (interspace) zwischen wirklich und nicht-wirklich.
[137]
Ohashi
zieht nun eine Linie von Chikamatsu und dem wesentlich älteren, in der japanischen
Tradition bekannten Nô-Schauspieler und -Theoretiker
Zeami (1364-1443), der auch bereits von der Dichtheit der spezifischen Wirklichkeit
des Theaters gesprochen hat, zu Laozi und zum Zen-Buddhismus. Laozi und die
Zen-Meister stellen den Menschen und die Intensität seiner inneren Welt in
Beziehung zur Erde, zum Himmel und zur Natur im Ganzen. Die Erfahrungen bei
den Meditationsübungen der Zen-Buddhisten werden mit dem Zustand einer Landschaft
verglichen. In diesem Sinn hat schon der Zen-Meister Dôgen (1200-1253) in
Berg und Wasser die Anwesenheit des Weges von Buddha selbst gesehen. Das führt
Ohashi schließlich zu der Schlussfolgerung: »Vielleicht eröffnet die Lehre
vom Weg der Kunst im mittelalterlichen und modernen Japan eine Perspektive
auf die moderne Welt. In dieser Welt des technischen Fortschritts scheint
die Natur auf dem Rückzug zu sein. Aber als Weg der Kunst könnte Natur auch
in dieser modernen Welt weiterhin existieren.« Diesen Beitrag einer nicht-westlichen
Modernität, welcher der westlichen Modernität möglicherweise den Weg aus einer
ihrer Krisen aufzeigen kann, sieht Ohashi selbst in der Nachbarschaft zur
westlichen, von Martin Seel von der Universität Konstanz entwickelten Ästhetik
der Natur.
[138]
2. Vergleichende Philosophie mit ihren regionalen
und methodischen Grenzen
IV. Ansätze zur Interkulturalität in Dialogen westlicher
Philosophie mit Philosophien anderer Kulturen
1. Die Methode oder der Weg interkulturell philosophischer
Dialoge
2. Dialoge mit östlichen Philosophien (Indien,
China, Japan)
3. Dialoge mit islamischer Philosophie
Im Islam sind die Ansprüche des Monotheismus und des
Besitzes der alleinigen oder letztgültigen Wahrheit, die er mit dem Judentum
und dem Christentum teilt, und die theoretischen Schwierigkeiten, die sich
daraus ergeben, auf die Spitze getrieben. Er positioniert sich nach dem
Judentum und Christentum, sucht deren »wahre«
Aspekte in sich aufzunehmen und deren Propheten, einschließlich Jesus
von Nazareth, als Vorläufer Mohammeds zu integrieren. Widersprüchliches und mit
den Prinzipien des Einen gerechten und gütigen Gottes nicht zu vereinbarende
Aspekte dagegen schließt er aus. Gegenüber dem Buddhismus und Hinduismus
bedeutet dieses Selbstverständnis, die letzte, höchste und darum in
gesteigertem Sinn allein wahre Religion zu sein, dass diesen vorgeworfen wird,
keinen konsequenten Monotheismus zu vertreten, sondern im Gegenteil, eine
Vielzahl von Göttern und göttlichen oder halbgöttlichen Wesen anzuerkennen. Den
Animismus nimmt der Islam noch weniger als gleichwertig ernst als etwa jüdische
oder christliche Theologen, ich erinnere an Hans Küng, als Hinduismus und
Buddhismus mit ihrem Streben, in animistische Gebiete zu expandieren, oder
Religionswissenschaftler wie der oben erwähnte Helmuth von Glasenapp.
Kann man in diesen Ansprüchen
eine Voraussetzung erblicken, dass Anhänger des Islam eher und mehr zum
Fanatismus neigen als die Gläubigen anderer Religionen, denen diese Haltung
gewiss auch nicht fremd ist? Oder lässt sich aus diesem Selbstverständnis des
Islam ein stärkerer Impuls zur geistig-geistlichen Fundierung des weltlichen
und insbesondere des politischen Handelns herleiten, der dieses Handeln gerade
in seiner Vorläufigkeit belässt und ihm damit jeden Anspruch auf Absolutheit
nimmt?
Ein eindeutiges und gut
unterbautes Plädoyer für eine positive Antwort auf die zweite Frage findet sich
in dem Buch des Obersten Richters des Hohen Gerichts (High Court) von Ägypten
Muhammad Saïd al-Ashmawy über den Islam und die politische Sphäre.[139]
Dieses Buch beginnt mit dem Satz: »Gott wollte, dass der Islam eine Religion
ist, aber die Menschen haben versucht, ihn ins Politische zu wenden.« In den
weiteren Ausführungen wird dann gezeigt, dass in der politischen Sphäre eine
liberale, demokratische Staatsform durchaus mit den Grundaussagen des Koran zu
vereinbaren ist. Sie können als eine Aufforderung gelesen werden, dass die
Menschen ihre eigene Verantwortung auf sich nehmen und ihrer Freiheit auch
politisch Gestalt verleihen sollen. Dabei werden alle Bemühungen als Blasphemie
und Gotteslästerung abgetan, die bestimmten politischen Positionen und
Handlungen eine religiöse Weihe verschaffen. Insoweit wendet sich al-Ashmawy im
Namen des Islam gegen die Islamisten und ihren politischen Fundamentalismus. In
dem weiteren Horizont der allgemeinen kulturellen und auch der spirituellen und
religiösen Voraussetzungen des menschlichen Handelns versteht er indessen
gerade die Freiheit des Menschen als von Gott gewollt, als Ausdruck der
göttlichen Allmacht und Liebe. Insoweit plädiert sein Text für einen
»authentischen, das ist vernünftigen und spirituellen Fundamentalismus«, der
auch im Kontext europäisch-westlicher Philosophie als Position eines
Dialogpartners wichtig und interessant ist.
Mit diesen Gedankengängen
schließt al-Ashmawy bei einer Tradition des Austauschs zwischen
europäisch-westlicher und arabisch-islamischer Philosophie an, die ihre
Vorgeschichte in der Zeit vor der europäischen Aufklärung hat mit ihren radikal
ethnozentrischen Auffassungen zur Geschichte und Philosophie. Ich verweise nur
auf den Astronomen und Kosmologen al-Bumazar (805-885), den Logiker al-Farabi
(gest. 950) und die Aristoteles-Kommentatoren Avicenna (Ibn Sina, 980-1037) und
Averroes (Ibn Rushd, 1126-1198), die großen Einfluss auf die mittelalterliche
christliche Theologe und Philosophie, insbesondere auf Albertus Magnus, Thomas
von Aquin und Roger Bacon, ausgeübt haben. Bertrand Russell widmet in seiner
umfassend angelegten »Geschichte der westlichen Philosophie« der mittelalterlichen
»Mohammedan Culture and Philosophy« ein eigenes Kapitel.[140]
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass
philosophische Probleme, etwa das der Gerechtigkeit, im Kontext des
Islam strenger und ausschließlicher vom Offenbarungsdokument dieser Religion aus
durchdacht und beurteilt werden als in jeder anderen Religion. Wie islamisches
Recht in seiner letzten Begründung Gottesrecht ist, ist Gerechtigkeit im Islam
letztlich die Gerechtigkeit Allahs. Daraus sind alle anderen Überlegungen,
welche die menschliche Welt betreffen, abzuleiten. Die konkreten Formen, die
sich aus dieser Grundvoraussetzung in der Geschichte ergeben haben, und die
entsprechenden theoretischen Überlegungen kann man aber durchaus kritisch
sehen. Nasr Hamid Abu Sayd, ein ägyptischer Sprach- und Islamwissenschaftler,
der zur Zeit an der Universität Leiden in den Niederlanden unterrichtet, sucht
die konkreten geschichtlichen Erscheinungsformen an eine genaue und
hermeneutisch verantwortbare Lektüre des Koran zurück zu binden. Er nennt dies »Re-kontextualisierung«
der Koran-Lektüre und wendet sich von hier aus gegen autoritäre, äußerlich
auferlegte Interpretationen. Dabei wird nicht übersehen, dass »selbst heute, da
der Koran ein gedruckter Text ist«, der jedermann zugänglich ist, »die Rezitation
des Koran eine sehr wichtige Praxis in der Gemeinschaft wie im individuellen
Leben ist«. Und die Gesamtheit der Koranwissenschaften wird einer kritischen
Würdigung unterzogen. In einem Artikel zur Frage der »Gerechtigkeit« beruft er sich hierfür auf zwei seiner
Bücher: The Concept of the Text. A Study in the Sciences of the Qur’an
(Beirut 1999, 5. Aufl.), sowie Islam und Politik. Zur Kritik des religiösen
Diskurses (Frankfurt/M. 1996).[141]
Die
göttliche Gerechtigkeit schließt nach der Meinung Abu Sayds ein, dass auch
Atheisten und Polytheisten in einer muslimischen Gemeinschaft gerecht behandelt
werden müssen. Denn die göttliche Gerechtigkeit lässt »keine Ungerechtigkeit im
ganzen Universum« zu. Gerechtigkeit ist »ein allumgreifendes oder sogar kosmologisches
Gebot«. Für die menschlichen Verhältnisse als solche widerlegt Abu Sayd, dass
»die Mehrehe, die Stellung sowohl der Frauen als von Nicht-Muslimen oder auch
die Religionsfreiheit«, die zur Gerechtigkeit im Widerspruch stehen, aus dem
Koran zu rechtfertigen sind. Was der Koran über die Mehrehe sagt, bezieht sich
auf die Situation von Waisen, die Schutz und Fürsorge brauchen, wenn sie einen
oder beide Elternteile verloren haben, wie es in der Schlacht bei Uhud (625
n.Chr) geschehen ist, »als die Muslime ernsthaft geschlagen und zehn Prozent
ihres Heeres – insgesamt 700 Krieger – getötet wurden, die ihre Kinder
hinterließen«. Auch die »Stellung der Frauen, wie sie im Koran ausgedrückt
wird», wenn man die entsprechenden Passagen re-kontextualisiert, »ist im
allgemeinen, relativ und historisch gesprochen, fortschrittlich« und entspricht
dem »Prinzip der Gleichheit«, das dem der Gerechtigkeit inhärent ist. Da der
Islam in allen heiligen Schriften und bei allen Propheten, wenn auch vor
Mohammed in vorläufiger und noch widersprüchlicher Weise offenbart worden ist,
sofern der Glaube an einen Gott und an das Jenseits darin enthalten ist,
»spielt es keine Rolle, ob der Glaubende ein Jude, ein Christ, ein Sabäer ist
oder irgendeiner anderen Religion angehört«.
Besonders
der Begriff des Jihad wird nach Abu Sayd ent-kontextualisiert, sofern daraus
eine »verbindliche religiöse Pflicht« zur kriegerischen Ausbreitung des Islam
abgeleitet wird. Die berühmte Passage des Koran (2:190-193) muss im Ganzen
gelesen und im Kontext des Verhaltens des Propheten interpretiert werden, der
seinen Feinden verzeiht und dafür betet, dass Gott ihnen vergebe. Der Tenor der
genannten Passage erweist sich dann als Aufruf zur Verteidigung und Vergeltung,
bei denen das Maß nicht überschritten werden darf. Bei der ökonomischen
Gerechtigkeit stehen das Gebot, Almosen zu geben, und das Verbot, Geld gegen
Zinsen zu verleihen, im Vordergrund. Dass das Verhalten islamischer Banken,
entgegen anders lautenden Beteuerungen, in diesem Punkt »identisch mit dem
Handel innerhalb des bestehenden Bankensystems« ist, lässt sich nach Abu Sayd
rechtfertigen, weil die Ausleger der entsprechenden Stellen im Koran »die Natur
und die Umstände ignorierten, unter denen der Wucher verboten wurde«.[142]
Abschließend
verweist Abu Sayd darauf, dass die rationalen muslimischen Theologen, die
»Mu’tazila«, das Feststehen Gottes in der Gerechtigkeit unter den fünf
Hauptprinzipien des Islam nach dem der »Göttlichen Einheit« an zweiter Stelle
nennen. Wenn man dies mit dem Gedanken der »Sufis« zusammennimmt, die eine eher
mystische Theologie vertreten, dass der Mensch »nach dem Bilde Gottes«
geschaffen ist, hat sein Handeln auch das Urbild der göttlichen Gerechtigkeit
wiederzuspiegeln. Es geht im Endeffekt darum, in allem, nicht nur bei Maßen und
Gewichten, das richtige Maß zu finden oder das Ungleichgewicht, das durch die
Sünde in die Welt gekommen ist, mit Gottes Hilfe »wieder ins Gleichgewicht« zu
bringen.[143]
Das Verfahren der Re-kontextualisierung, wie Abu Sayd es
anwendet, kann bestimmte Auslegungen des Koran, die auch zu teilweise sehr
rigiden Gebräuchen und Handlungsrechtfertigungen in islamischen Gemeinschaften
führen, etwa in Hinsicht auf die Mehrehe und die Stellung der Frau oder auch
den Jihad, nach meiner Auffassung nicht in überzeugender Weise entkräften. Es
gelingt mir nicht, ein konsistentes Verständnis seiner Argumentation im Rahmen
der gegenwärtigen Theorie und Praxis des Islam zu gewinnen. Dennoch muss ich
und will ich diese Argumente von ihrem internen Zusammenhang aus respektieren.
Um so mehr freue ich mich, hier auch einen Text besprechen zu können, in dem
der scheinbar überzogene Anspruch des Islam auf alleinigen Besitz der Wahrheit
und die Prinzipien der Toleranz und des Dialogs in philosophisch schlüssiger Weise
mit einander vermittelt sind. Es handelt sich um einen Artikel von Yasin
Ceylan, türkischer Philosoph kurdischer Abstammung an der Technical
University of the Middle East in Ankara, den er für eine Konferenz an der
Erasmus Universität Rotterdam im November 1997 geschrieben hat.[144]
Der
Prozess der Globalisierung hat für Ceylan den ironischen Aspekt, dass in
Verbindung damit eine säkulare Weltanschauung, die sich um eine »friedliche
Koexistenz verschiedener Gesellschaften in verschiedenen Teilen der Welt«
bemüht, als eine Art »neuer Religion« auftritt, die »alle anderen
[traditionellen] Religionen zu eliminieren versucht«. Dem können und sollen die
traditionellen Religionen das Streben entgegensetzen, die bestehenden
Verschiedenheiten zu akzeptieren, eine Atmosphäre der Toleranz zwischen ihnen
zu befördern und darauf zu verzichten, ihre jeweilige Region auf andere
auszudehnen. Sie bilden damit ein notwendiges Gegengewicht zur Globalisierung
und Universalisierung, eine Tendenz zur Partikularisierung oder Regionalisierung.
Die Notwendigkeit der
Partikularisierung beruht auf der Einsicht, dass die absolute Wahrheit der
Religionen und Weltanschauungen von Menschen immer nur partiell und nie von
irgendjemand vollständig erkannt werden kann. Dabei ist der Teil für mich der
beste, der zu der bestimmten Region und Kultur gehört, in der ich lebe.
Zugleich ist Offenheit wichtig, von anderen Religionen und Kulturen Elemente zu
übernehmen, die mir im Zuge multi- und interkultureller Kommunikation bekannt
werden und gerade für diese Situation und die darin stattfindenden
Veränderungen angemessen sind. Eine Einheitsreligion wird daraus nicht
entstehen, weil dieser die natürliche Neigung des Menschen zur Differenzierung
entgegenwirkt. Für die inter-religiösen Dialoge, die der interkulturellen Welt
angemessen sind, ist die Bereitschaft zu hören wichtig und eine Haltung, die
den Anderen nicht daran hindert, seine tiefsten Überzeugungen und fundamentalen
Gedanken offen darzulegen.
Bevor es zu solchen Dialogen
kommen kann, ist aber nun nach Ceylan wichtig, dass »der Mensch mit sich selbst
einen Dialog beginnt, in dem er sein Bewusstsein vertieft und versucht, zu den
letzten Zielen der Religiosität vorzudringen«. Dabei wird sich zunächst einmal
zeigen, dass Fanatismus in den meisten Fällen auf flacher Kenntnis der Religion
beruht. Des weiteren ergibt sich von der jeweiligen Religion aus, dass Religion
und Weltanschauung mit dem »tiefsten Grund der Rationalität« (basic ground of
rationality) nicht identisch sind, diesen nicht erschöpfen. Denn die ersteren
können sich ändern, indem jemand von einer Religion oder Weltanschauung zu
einer anderen übertritt, der letztere jedoch ist der bleibende Grund, auf dem
dies geschieht: die »stetige Dynamik in der [wechselnden] Konfiguration der Weltanschauungen«.
Zu diesem Grund dringen nur wenige vor; er ist zugleich der Grund
»prophetischer Erkenntnis«. Denn die
Propheten als göttliche oder heilige Persönlichkeiten richten sich an die
Menschheit im Ganzen, ihre Worte übersteigen kulturelle Grenzen: heilig ist
ganzheitlich (such words are holy because they are holistic).
Die Moslems haben seit dem
Anfang ihrer Religion Anhänger anderer Religionen in ihrer Mitte geduldet.
Ceylan plädiert nun dafür, dass diese »historisch tolerante Haltung, die ihre
Vorfahren gegenüber Christen und Juden
als Minderheiten in ihren Gesellschaften angenommen haben«, von den
heutigen Moslems »ausgedehnt werden sollte auf die Völker anderer Religionen,
die nicht notwendigerweise ein Jenseits kennen, oder auf Kulturen, die nicht
christlich oder jüdisch sind«. Dem liegt ein Religionsbegriff zu Grunde, der
weiter und offener ist, als wir ihn bislang, etwa bei Küng und von Glasenapp,
gefunden haben. Denn er ist nicht auf die »Buchreligionen« und auch nicht auf
die großen »Weltreligionen« begrenzt, sondern bezieht andere Völker und
Kulturen mit ihren jeweiligen Traditionen ein. Diese »erweiterte Haltung der
Toleranz« kann meines Erachtens nur bedeuten, dass auch die von mir als
animistisch bezeichneten Religionen als Dialogpartner ernstgenommen
werden.
Bei dem allen konfrontiert
Ceylan seine Dialogik mit der Dialektik, die er ablehnt, weil sie von dem
Streit zwischen Gegensätzen ausgeht. Das ist aber ein zu enger Begriff der
Dialektik, die ja auch auf »Versöhnung« gerichtet ist, wenn wir an die
Hegelsche Version denken, oder auf die gemeinsame Suche nach der Wahrheit in
der Platonischen Form. Voll zu unterstützen ist indessen, was Ceylan über die
Praxis der von ihm beabsichtigten Dialoge sagt. Sie bewirkt, dass »die Ethik des
Gesprächs« und der Wille, von dem und den Anderen zu lernen, als Bedingungen
des fruchtbaren Vollzugs dieser Dialoge erkannt werden. So werden die
gegenseitige Kenntnis der Dialogpartner und auf jeder Seite die Bereitschaft,
die eigenen Überzeugungen und Haltungen kritisch zu prüfen, unvermeidlich
zunehmen. Der Gewinn an ethischen Handlungsimpulsen wird dabei wichtiger sein
als die abstrakten metaphysischen Spekulationen. Das weist auf die wichtigste
und schwierigste Pflicht des Menschen, sich auf die Schicksalsschläge
vorzubereiten, die ihn treffen können.
4. Dialoge mit lateinamerikanischer Philosophie
Im Mittelpunkt der europäisch-westlichen Dialoge mit der
lateinamerikanischen Philosophie, wie sie seit 1989 geführt werden, steht die
»Befreiungsethik« des aus Argentinien stammenden Philosophen Enrique Dussel,
der später in Mexiko lehrt. Die Befreiungsethik ist ein Beitrag zur
»Philosophie der Befreiung«, die in Lateinamerika parallel zur »Theologie der
Befreiung« entwickelt wird und die aus einer Kritik an der Situation der Armut
und der Verelendung hervorgeht, wie sie besonders in den großen Städten dieses
Kontinents als Folge der (neo)kolonialen Politik Spaniens und Portugals
besteht. Die Nähe zum Denken von Karl Marx und zur Theorie-Praxis des Marxismus
liegt vor der Hand. Der Zusammenhang von Theologie und Philosophie der
Befreiung wird 1988 von Raúl Fornet-Betancourt in einer Monographie
herausgearbeitet.[145]
In seiner Wiener Dissertation
beschreibt Hans Schelkshorn die »Herausforderungssituation der Befreiungsethik«
durch einen Hinweis auf die Abhandlung des peruanischen Philosophen Augusto
Salazar Bondy von 1969: »Gibt es eine Philosophie unseres Amerikas?« Nach
Schelkshorn fragt Bondy in dieser Abhandlung nicht danach, ob es überhaupt eine
lateinamerikanische Philosophie gibt, sondern worin der besondere Charakter
dieser Philosophie zu erblicken ist. Dabei spielen einerseits, freilich bisher
nur am Rande, »die Weisheitstraditionen der amerindischen Völker« eine Rolle,
andererseits und vor allem aber »die Rezeption europäischer Philosophien«, wie
sie an den »von den Spaniern gegründeten theologischen Fakultäten spätestens
seit dem 16. Jahrhundert« stattfindet. Bondys Charakteristik, dass es der
lateinamerikanischen Philosophie an »Originalität« und »Authentizität« fehle,
wird von Leopoldo Zea, dem bekanntesten mexikanischen Philosophen, noch in
demselben Jahr entschieden kritisiert, da eine »Philosophie … ihre Identität
allein durch ein radikales Fragen nach der Wahrheit, d.h. als Philosophie
schlechthin« und nicht durch eine Eigenständigkeit im Sinn der Vermeidung
fremder Einflüsse erlange. Wohl sei es wichtig, dass der »kontextuelle
Ausgangspunkt« dieses radikalen Fragens reflektiert werde.[146]
Der Hinweis auf das Denken der
»amerindischen«, das heißt der einheimischen indianischen Völker Amerikas ist
freilich sehr verkürzt. Dass Schelkshorn von »Weisheitstraditionen« spricht,
zeigt ferner an, dass er sie nicht im vollen Sinn als philosophische
Traditionen ernstnimmt. Es gibt generell nur wenige Zeugnisse indianischer
Philosophie, die im Druck zugänglich sind. Ihre primär mündliche Überlieferung
lässt sich indirekt, etwa aus ethnographischen Darstellungen, erschließen. Das ist ein Problem, auf das ich im
Zusammenhang des nächsten Abschnitts zurückkommen werde, sofern darin »Dialoge
mit afrikanischen und anderen primär mündlich überlieferten Philosophien«
behandelt werden.
Die weithin bekannte Auseinandersetzung zwischen den
sehr unterschiedlichen Ethik-Entwürfen von Karl-Otto Apel, der zunächst in Bonn
und Kiel und dann vor allem in Frankfurt/M. lehrt, und von Enrique Dussel
findet zum großen Teil in unmittelbaren
Gesprächen zwischen beiden Autoren auf einer Reihe von Tagungen in Deutschland
sowie in Mittel- und Südamerika statt, die »von Raúl Fornet-Betancourt 1989
initiiert und über mehr als fünf Jahre hindurch betreut worden« sind. Die Akten
dieser Tagungen sind in entsprechenden, vom Initiator und Organisator
herausgegebenen Bänden (Aachen 1990-1996) veröffentlicht. Apel und auch Dussel
streben eine universale Begründung ihrer Ethik-Konzeptionen an. Während es sich
bei Apels Diskursethik um eine formal-prozedurale Universalität handelt,
die im vernünftigen Argumentieren begründet ist, verlangt Dussel für seine Befreiungsethik
auch eine materiale Universalität, die sich an dem Recht auf die Möglichkeit
der Aufrechterhaltung und Entfaltung des gemeinschaftlichen menschlichen Lebens
orientiert.
Schelkshorn zeigt in seiner
ausführlichen kritischen Würdigung
dieser Auseinandersetzung, dass beide Positionen aus konträren Blickwinkeln
aufgestellt worden sind. Apel wendet sich gegen den ethischen Skeptizismus, der
in der europäisch-westlichen Tradition vorherrscht, und zwar sowohl in den
szientistischen, auf die Bedingungen der Wissenschaft und Technologie bezogenen
als auch in den existenzphilosophischen und hermeneutisch-relativistischen
Richtungen. Mithilfe einer sprachphilosophischen Transformation der
Transzendental-Philosophie im Kantischen Sinn, die sich auf formale
Geltungsansprüche konzentriert, möchte er die »normativen Grundfesten moderner
Demokratien wieder freilegen«. Dussel hingegen sucht inhaltliche,
gesellschaftlich-politische Fragen, insbesondere die Kritik des »Elends der
Massen« und der bleibenden Situation des »schreienden Unrechts« ihrer Armut in
seinem philosophischen Ansatz mit aufzunehmen. Für diese Situation wird die
»(neo)koloniale Unterwerfung der Länder der Dritten Welt«, die »durch
ethnozentrisch verkürzte Versionen eines ethischen Universalismus (Christentum,
Aufklärung) legitimiert worden ist«, als Hauptursache angeführt. Dussel bleibt
indessen nicht bei einer »kontextualistischen Negation« stehen, sondern strebt
die »kritische Reformulierung einer globalen Verantwortungsethik« an. Dabei
bleibt ein entscheidender Ausgangspunkt seine Bindung an jüdische Traditionen,
besonders auch an die Ethik-Konzeption des in Paris lehrenden jüdischen
Philosophen Emmanuel Lévinas. Das zeigt sibh besonders deutlich an der
Prämisse, dass die Befreiungsethik »ihren Diskurs primär unter dem fordernden Blick
der Armen« entwickelt.[147]
In dem schon mehrfach herangezogenen Heft Nr. 6 (2000)
der Zeitschrift polylog findet sich ein aktueller Beitrag von Enrique
Dussel zum Thema »Gerechtigkeit« aus der Perspektive der »Ethik der Befreiung«.[148]
Sein Ausgangspunkt ist hier die »ethische Kritik der Ökonomie« des aus Indien
stammenden und in den USA lehrenden Ökonomen und Philosophen Amartyas Sen. Die
von den herrschenden ökonomischen Theorien vorausgesetzte Rationalität, dass
die »Maximierung des [egoistischen] Eigeninteresses« der Wohlfahrt aller zugute
kommt, ist nach Sen auf jeden Fall in dem Sinn zu ergänzen, dass eine
»ökonomische Maßnahme die den Nutzen eines Betroffenen vergrößert, den Nutzen eines anderen nicht verringern
darf«. Für die »volle Erfüllung des Personseins« ist nach seiner Meinung »der
‘freie’ Zugang zu Wohlstand und Nutzen notwendig«.
Dussel findet jedoch, dass auch
Sen trotz des Erfahrungshintergrundes der indischen Realität die Situation
»extremer Armut« nicht hinreichend in seinen Ansatz aufnimmt, eine Situation,
in der es nicht um die »Verwirklichungschancen« von Wohlfahrt und Nutzen geht,
sondern um die tiefere Ebene der »Überlebensstrategie«. Von daher macht Dussel
das »menschliche Leben als eines solchen« zum universalen Kriterium seiner materialen
Ethik. Seine Prägung durch eine kritische Marx-Lektüre ist unverkennbar, wenn
er sagt: »Das menschliche Sein soll sich produzieren, reproduzieren und das
menschliche Leben in Gemeinschaft mit allen Aspekten entwickeln«. Wenn dann die
Möglichkeiten der Verwirklichung dieses menschlichen Seins konkretisiert
werden, geschieht dies im Kontext »einer bestimmten Kultur«, der »den
geschichtlichen Horizont vorgibt, von dem her seine Verwirklichung hinsichtlich
der Individuen, der Gemeinschaften bis hin zur Menschheit« zu verstehen und
auch zu messen ist. Der Universalismus Dussels erweist sich so als ein konkret
gegebener, der von der je eigenen Situation aufsteigt zur makroethischen
Berücksichtigung der gesamten Weltlage.
In kritischer Ergänzung zu dem
großen Entwurf einer Handlungstheorie, wie sie Jürgen Habermas, Kollege und
Partner Apels an der Frankfurter Universität, entwickelt und in der die
kommunikative, praktische Handlung neben der instrumentellen, technischen und
der expressiven, ästhetisch-kritischen steht,[149]
konzipiert Dussel die »ökonomische Handlung«, in der praktische, den Austausch
von Gütern bestimmende und instrumentelle, Güter produzierende Beziehungen
zusammen wirken. Dieser Handlungstyp verwirklicht sich in der Arbeit in
einem weiten Sinn, in dem diese als »eine Weise zu sein, zu leben«
verstanden wird: »nämlich leben, indem man in kultureller Weise Neues und damit
Geschichte schafft, nachdem man von der bloßen Reproduktion befreit ist; dies
wäre ein Arbeiten als Entwicklung des Lebens«, das neben der Produktion auch
Tausch und Distribution einschließt. Auf dieser Grundlage erscheint »die
Beziehung zwischen Ethik und Ökonomie in einem neuen Licht.« Anders als es auch
bei Sen geschieht, stehen die ethischen Prinzipien »nicht einfach neben oder
außerhalb der Ökonomie, sondern konstituieren die Ökonomie von Innen her«.[150]
Rückblickend fasst Dussel von
diesem Standpunkt aus den »Dialog zwischen Befreiungsethik und Diskursethik«
folgendermaßen zusammen: »Wenn die Moral keinen materialen, d.h. inhaltlichen
Aspekt formuliert, der im universalen Prinzip der Reproduktion und Entfaltung
des menschlichen Lebens besteht, bleibt die Gültigkeit einer solchen Ethik bloß
formal. In diesem Fall subsumiert die Befreiungsethik die formal-diskursive
Moral«, freilich nicht, ohne deren Anspruch auf eine Letztbegründung als
»abstrakten Universalismus« abzuweisen. Ob es indessen wirklich von einer
überlegenen Position zeugt, wenn nun für das »materiale Kriterium des
menschlichen Lebens … absolute Gültigkeit« beansprucht und von daher gefordert
wird, es müsse »der letzte Referenzpunkt jedes Modells, jedes Arguments, jedes
ökonomischen Systems sein«, muss fraglich erscheinen.[151]
Wäre es nicht angemessener, im Sinn eines konkreten Universalismus für die
jeweils gegebene Situation und deren durch die eigene Sicht bedingten
Erkenntnis zu sprechen? Dabei würden dann der kulturelle und historische
Kontext vor Beliebigkeit und Relativismus schützen.
Die Dialoge zwischen westlichen und östlichen
Philosophien sind etwas prinzipiell anderes als die Arbeiten der Vergleichenden
Philosophie, die sich auf diese beiden Weltregionen beziehen, wobei die
ersteren die letzteren voraussetzen und das von ihnen angesammelte Material
verwenden und verwerten. Indem von der europäisch-westlichen Philosophie aus
Dialoge mit der arabisch-islamischen Philosophie angegangen werden, die im
Mittelalter eine beachtliche Vorgeschichte haben, werden nicht nur die methodologischen,
sondern auch die regionalen Grenzen der Vergleichenden Philosophie
überschritten. Die Dialoge westlicher mit lateinamerikanischer Philosophie
bringen eine Weltregion in den internationalen philosophischen Diskurs ein, die
bis dahin nicht in dessen Blickfeld gelegen hat. Dabei ist mit der Wendung
gegen die koloniale und neokoloniale Haltung des europäisch-westlichen Denkens
eine Hinwendung zu unterprivilegierten Gruppen der Bevölkerung verbunden. Der
Hauptakzent der »Ethik der Befreiung« liegt auf der Situation der Armen, die in
die Philosophie einbezogen werden muss. Die Traditionen des Denkens der
einheimischen indianischen Völker werden bisher nur am Rande beachtet. In
diesem Punkt führen die Dialoge mit afrikanischer Philosophie einen entscheidenden
Schritt weiter, sofern darin von der heutigen Situation aus der Zugang zu dem
durch die Jahrhunderte primär mündlich überlieferten philosophischen
Gedankengut, der auf verschiedenen Wegen gesucht wird, mit zur Diskussion
steht.
So wird
man sagen können, dass die Dialoge europäisch-westlicher mit afrikanischer
Philosophie den Testfall darstellen. Afrikanische Philosophie steht dabei für
die Philosophie in Afrika südlich der Sahara. Die nordafrikanischen Länder, die
im frühen Mittelalter arabisiert und islamisiert worden sind, fallen in dieser
Hinsicht unter eine andere Kategorie.
In den Dialogen mit der Philosophie des subsaharischen Afrika geht es in
wesentlicher Hinsicht, wie in den internen Debatten der Philosophen aus diesem
Gebiet, um die Erweiterung dessen, was Philosophie heißt, über die in Texten
dokumentierten Philosophien hinaus auf primär mündlich überliefertes
philosophisches Gedankengut. Damit wird dann allererst die Dimension des
Interkulturellen in der Philosophie erreicht. Denn interkulturelle Philosophie
geht davon aus, dass Philosophie nicht das Privileg bestimmter einzelner
Kulturen ist, welche die »Kunst des Schreibens« beherrschen, sondern wesentlich
zu jeder Kultur gehört, also auch zu denen mit primär mündlichen Formen der Kommunikation
und Überlieferung. Es ist klar, dass auf diese Weise der Philosophiebegriff und
auch die Philosophiegeschichte erweitert werden und neuer Präzisierung
bedürfen. Darauf werde ich weiter unten in den »Abschließenden Überlegungen«
näher eingehen.
Von
Jacques Derrida und seiner Philosophie der Differenz lässt sich lernen, dass
der Gegensatz von mündlich und schriftlich der Denkweise der
europäisch-westlichen Philosophie entstammt und parallel zum Logozentrismus und
Ethnozentrismus dieser Denkweise deren Phonozentrismus charakterisiert. Die
vorherrschende europäisch-westliche philosophische Tradition bevorzugt
einerseits die gesprochene Sprache und bewertet die Schrift nur als äußerliches
Mittel, als Gedächtnisstütze, um das gesprochene Wort nicht zu vergessen.
Derrida bezieht sich in diesem Zusammenhang besonders auf Platon, Rousseau und
Hegel. Andererseits beurteilt dieselbe philosophische Tradition Kulturen,
welche die »Kunst des Schreibens« nicht kennen, als niedriger stehend im
Vergleich zu denjenigen mit primär schriftlichen Formen der Kommunikation und
Überlieferung. Derrida will diese Rangordnung nicht umkehren, sondern
gesprochene Sprache und Schrift als gleichwertig und gleichursprünglich denken.
Dazu bedarf es eines radikal erweiterten Schriftbegriffs, so dass das
Hinterlassen jedweder Art einer »lesbaren Spur« Schrift heißen kann.[152]
Eine hierarchische Ordnung der Kulturen auf der Grundlage ihrer wohl oder nicht
bestehenden Schriftlichkeit ist damit obsolet geworden. Jede Kultur beruht nicht
nur auf gesprochener Sprache, sondern auch auf einer spezifischen Art von
Schrift in dem genannten weiten Sinn. Diese neue Betrachtungsweise hat mich
dazu veranlasst zu fragen, wie sich im afrikanischen Kontext von der »Politik
der Differenz« aus der »Gegensatz von mündlich und schriftlich« ausräumen
lässt, indem »der philosophische Text in der afrikanischen mündlichen
Tradition« sichtbar gemacht wird.[153]
Von afrikanischer Philosophie ist zum ersten Mal in dem
oben bereits genannten Buch des aus Flandern stammenden belgischen Missionars
Placide Tempels über »Bantu Philosophie« die Rede, das er ursprünglich in
niederländischer Sprache verfasst hat.[154]
Tempels rekonstruiert die Philosophie der Luba, eines Volkes im Nordosten des
damaligen Belgisch Kongo (der heutigen Demokratischen Republik Kongo), bei dem
er sich als Missionar aufhält, aus dessen Sprache, besonders den Sprichwörtern,
Mythen, religiösen Riten und alltäglichen Gebräuchen. Er kennt ihnen damit
implizit Philosophie zu, meint aber, dass sie nicht selbst in der Lage sind,
diese explizit zu machen. Besonders seit der politischen Unabhängigkeit, die
für die meisten afrikanischen Völker um 1960 verwirklicht wird, entbrennt eine
heftige Debatte darüber, ob es afrikanische Philosophie (im strengen Sinn des
Wortes) gibt und in der Geschichte dieser Völker gegeben hat. Diese Debatte hat
selbst unzweifelhaft philosophischen Charakter, so dass man auch zu der These
gelangt, die afrikanische Philosophie entstehe in der Debatte um die Frage, ob
es sie gibt oder gegeben hat.[155]
Nach
Tempels haben auch afrikanische Autoren die implizite Philosophie ihrer Völker
explizit zu machen gesucht. Diese Unternehmung, die zunächst nicht von allen
afrikanischen Philosophen akzeptiert wird, heißt »Ethnophilosophie«. Der
entschiedenste Kritiker ist Paulin J. Hountondji, ein Philosoph aus Cotonou im
heutigen Benin. Sein Buch: Sur la philosophie africaine. Une critique de
l’ethnophilosophie (Paris 1977) ist auf Deutsch als Übersetzung der
englischen Ausgabe erschienen, in welcher der kritisch auf die Ethnophilosophie
bezogene Untertitel nicht übernommen wird.[156]
Wie die an der Herausgabe der deutschen Übersetzung Beteiligten haben sich auch
viele andere westliche Leser der Kritik Hountondjis angeschlossen. Der
paternalistische Aspekt der Studie von Tempels wird jedoch weggenommen, wenn
die Rekonstruktion der Philosophie eines afrikanischen Volkes aus seiner
Sprache und den anderen genannten Quellen von afrikanischen Autoren vorgenommen
wird. In dieser Form erscheint mir die Ethnophilosophie als ein legitimes und
hochinteressantes philosophisches Projekt. Ich erinnere an die bereits
erwähnten Arbeiten von Kwame Gyekye aus Ghana und Gerald J. Wanjohi aus Kenia
sowie an die besondere Bedeutung, die sie Sprichwörtern als Quelle der Philosophie
zumessen. Ferner sind der heute in Washington, DC lehrende Segun Gbagedesin und
die Philosophie-Professorin aus Lagos Sophie B. Oluwole aus dem Gebiet der
Yoruba in Nigeria genannt worden, wobei die letztere auch vielfach Texte der
oralen Literatur ihres Volkes heranzieht.[157]
Dass aus dem alltäglichen Sprachgebrauch eine philosophische Begriffssprache
entwickelt wird, geschieht auch an der Wiege der europäisch-westlichen
Philosophie, wenn Aristoteles für seine Begriffsbildung immer wieder vom légetai,
von dem was man sagt, ausgeht.
Die
traditionelle afrikanische Philosophie, die primär mündlich praktiziert und
überliefert wird, ist zum ersten Mal durch den kenianischen Philosophen Henry
Odera Oruka als solche thematisiert worden. Darauf habe ich oben (in Kapitel
II,3 und III,2) bereits hingewiesen. Hier soll sein Projekt etwas genauer
vorgestellt werden. Selbst eines der 21 Kinder eines sage (als
englisches und französisches Wort im Gebrauch), das heißt eines philosophischen
Weisheitslehrers, der Luo in Westkenia, hat er nach seinem Philosophiestudium
in Schweden und den USA maßgeblich an der Errichtung einer
Philosophie-Abteilung an der Universität Nairobi mitgewirkt. Von diesen
Voraussetzungen aus gelangt er zu der These, dass der Gegenstand seiner Studien
an europäisch-westlichen Universitäten sachlich damit übereinkommt, was er in
seiner Jugend als die Tätigkeit seines Vaters erfahren hat. Um diese These zu
erhärten und die traditionelle afrikanische Philosophie zu dokumentieren, hat
er damit begonnen, gemeinsam mit einer Reihe von Mitarbeitern der Universität
Nairobi möglichst viele sages in verschiedenen Völkern Kenias
aufzusuchen, mit ihnen zu sprechen und ihr Gedankengut schriftlich
festzuhalten. Sein erstes wichtiges Buch zur Sage Philosophy erscheint
1990.[158]
Ohne
auf Orukas Projekt in allen Einzelheiten eingehen zu können, ist es wichtig zu
betonen, dass er einen strengen Philosophiebegriff anwendet, mit dem er gerade
auch den Ansprüchen der analytisch orientierten angelsächsischen Philosophie
dieser Zeit gerecht zu werden sucht. Die Gesichtspunkte »rational begründend«,
»kritisch« und »selbstständig denkend«
stehen dabei im Vordergrund. Das bringt ihn dazu, bei den Weisheitslehrern und
Weisheitslehrerinnen, die er besucht und befragt, einen etwas künstlich
anmutenden Unterschied zwischen Volksweisen (folk sages) und philosophischen
Weisen (philosophical sages) anzubringen. Das dient jedoch dem Ziel
nachzuweisen, dass es Philosophie im strengen Sinn in den traditionellen
afrikanischen Gemeinschaften gegeben hat und bis heute gibt. Die Funktion der sages
in diesen Gemeinschaften besteht darin, dass sie einzelnen Personen oder auch
Familienoberhäuptern und politischen Leitern (chiefs) praktische Ratschläge
erteilen, für die sie auf den Wissensvorrat zurückgreifen, der ihnen mündlich
überliefert worden ist.
Wie
ebenfalls oben bereits erwähnt wurde, hat Amadou Hampaté Bâ, ein Philosoph aus
Mali, der in Frankreich studiert und lange Zeit im Senegal gelebt hat, über
»Leben und Lehre« des traditionellen philosophischen Weisheitslehrers Tierno
Bokar geschrieben, dessen Schüler er in seiner Heimatstadt Bandiagara, der
Hauptstadt des Dogon-Gebiets im heutigen Mali, selbst gewesen ist. Mit diesem
Text, der schon 1980, das heißt zehn Jahre vor Orukas Sage Philosophy
veröffentlicht wird,[159]
hat Bâ nicht die Absicht, die Philosophie dieses sage als solche zu
thematisieren oder nachzuweisen, dass es sie gibt. Er schreibt im Auftrag einer
Untersuchungskommission islamischer Gelehrter und Richter, die dem Moslem und
Koran-Lehrer Tierno Bokar Ketzerei vorwerfen, ein Gutachten, das die dem
Sufismus und anderen der Mystik verwandten islamischen Lehren der Philosophie
seines Meisters herausstellt. Eine bis heute noch nicht recht beachtete
Besonderheit des traditionellen Philosophen Tierno Bokar, die in der Wiedergabe
seiner Lehre durch Hampaté Bâ zutage tritt, besteht darin, dass er eine eigene
symbolische Darstellung der logischen Struktur seiner Argumente entwickelt hat.[160]
Das kann man der These des britischen Kulturanthropologen Robin Horton
entgegenhalten, der heute nigerianischer Staatsbürger ist und an der
Universität von Port Harcourt lehrt, wenn er behauptet, die Afrikaner seien
nicht fähig, eine eigene Philosophie zu entwickeln, weil ihr Denken sich nicht
eigne, Erkenntnistheorie und Logik, besonders formale Logik, hervorzubringen,
die er als Kerndisziplinen jeder Philosophie ansieht.[161]
Mit dem
Buch über Tierno Bokar vergleichbar sind die ebenfalls aus einem gegebenen
zufälligen Anlass aufgeschriebenen Lehren von zwei äthiopischen sages
aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Diese einzigartigen Quellen beruhen darauf,
dass es in Äthiopien, anders als in den
übrigen Ländern des subsaharischen Afrika sehr wohl schriftlich überlieferte
philosophische Texte gibt, die bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen. Das hängt
mit der Gründung der äthiopischen christlichen Kirche im 4. Jahrhundert
zusammen, die eine eigene Sprache und Schrift, das Ge’ez, vergleichbar mit dem
Gebrauch des Lateinischen in der römisch-katholischen Kirche, einführt und
benutzt. Das Manuskript »Leben und die Maximen des Skendes« stammt aus dem
ersten Viertel des 16. Jahrhunderts. Es ist aufgeschrieben worden, weil Skendes
auf Grund einer schweren moralischen Verfehlung das Gelübde getan hat nie
wieder zu sprechen. Als er vom König von Axum (im Norden des heutigen
Äthiopiens) an dessen Hof gerufen wird, um dort als sage zu wirken,
bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine philosophisch unterbauten Ratschläge
schriftlich zu erteilen.[162]
Hier folgen zwei Beispiele aus den 55 Fragen und Antworten der zweiten, stark
philosophisch-spekulativen Abteilung seines Textes:
Sie fragten den weisen Mann und
sagten zu ihm: »Was ist die Seele?« Er antwortete [indem er schrieb]: »Die
Seele ist ein himmlisches Feuer, ein unsterbliches Geschöpf wie die Engel; eine
Lampe, … ein gutes und vernünftiges [rational] Feuer, voll Wissen, eine
Intelligenz; sie spricht, regt den Körper an und lehrt ihn Vernunft [reason].«
Sie fragten den weisen Mann und
sagten zu ihm: »Was ist der Verstand?« Er antwortete [indem er schrieb]: »Der
Verstand ist ein verborgenes Gut; er ist das Licht der Seele, ein Feuer, das
viele Gedanken hervorbringt; er vollbringt Handlungen; er hat Gewalt über die
Sprache; er ist vernünftig [rational]; er kontrolliert das Denken; … er ernährt
und stärkt die Intelligenz; er ist die Ehre des Körpers, die Zierde der
Weisheit, die er richtig konzipiert [setting it up rightly].«[163]
Die
»Abhandlung von Sera Jakob« (1667) bildet nach Claude Sumner, dem kanadischen
Philosophen, der seit langen Jahren in Addis Abeba lebt und lehrt und der diese
Texte entdeckt, transkribiert, kommentiert und veröffentlicht hat, das
Gegenstück zu einem hochwichtigen Text aus der europäisch-westlichen
philosophischen Tradition, dem Discours de la Méthode (Abhandlung über
die Methode) von René Descartes aus dem Jahr 1637. Der Titel dieser Abhandlung
ist: hatäta, was so viel bedeutet wie »Schritt für Schritt befragen, …
in und durch etwas hindurch suchen, genau untersuchen, prüfen, inspektieren«.
In dem Streit der orthodox-äthiopischen, römisch-katholischen jüdischen und
islamischen Theologen, der zu seiner Zeit in Äthiopien geführt wird, sucht er
durch vernünftiges Nachdenken die logische Stimmigkeit und Konsistenz der
Argumente zu prüfen und zu einer rational unterbauten Position zu gelangen.[164]
Sera
Jakob hat diese Abhandlung aufgeschrieben auf die Bitte eines seiner Schüler,
des Sohnes des Kaufmanns Habtu aus Enfraz, den er im Auftrag des Vaters
unterrichtet. Wie aus der Lebensgeschichte am Beginn der Abhandlung hatäta
hervorgeht, hat er diese 40 Jahre vor ihrer Niederschrift konzipiert, als er
1627 vor dem zum katholischen Glauben übergetretenen König Susenyos fliehen
muss und jahrelang in einer Höhle nicht weit vom heutigen Addis Abeba lebt.
Kapitel VIII der Abhandlung zur »Natur des Wissens« beginnt mit den Sätzen:
»Der Wille Gottes [zu diesem Thema] ist
durch die kurze Feststellung [statement] unserer Vernunft [reason] bekannt, die
uns sagt: ‘Diene und verehre [worship] Gott deinen Schöpfer und liebe alle Menschen
wie dich selbst’. Weiterhin sagt unsere Vernunft: ‘Füge anderen nicht zu, was
du nicht willst, das sie dir tun, sondern handle so gegenüber anderen wie du
willst, dass sie dir gegenüber handeln’. Die Zehn Gebote in den Fünf Büchern
Moses drücken den Willen Gottes aus, wobei sie das Einhalten des Sabbath
ausnehmen, denn unsere Vernunft sagt nichts über das Einhalten des Sabbath.«[165]
Damit hoffe ich, die Existenz, den Rang als Philosophie
im strengen Sinn und die Eigenart der traditionellen primär mündlich
überlieferten Philosophie im subsaharischen Afrika hinreichend verdeutlicht zu
haben. Vergleichbare Forschungen zu den Philosophien anderer Kulturen mit
primär mündlichen Formen der Kommunikation und Tradition, etwa bei den
malaiischen Völkern Südostasiens, den Bewohnern Ozeaniens, des vorkolonialen
Nord-, Mittel- und Südamerika oder Nord- und Zentralasiens, sind noch kaum
ausgeführt. Wegen des noch stets vorherrschenden Philosophiebegriffs, der sich
nur auf geschriebene Texte bezieht, und der methodologischen Schwierigkeiten,
da diese Philosophien nur indirekt aus anderen Quellen (Sprache, Sprichwörtern,
Mythen, Sitten und Gebräuchen) oder durch Auskünfte der wenigen heute noch
lebenden traditionellen Philosophen zu erheben sind, ist auf diesem Gebiet noch
wenig geschehen. Enorme Vorräte an philosophischem Wissen der Menschheit drohen
so verloren zu gehen. Hampaté Bâ hat einmal gesagt, dass mit dem Tod eines
jeden sage dasselbe geschieht, wie wenn eine Bibliothek mit einmaligen
Dokumenten abbrennt. Einige wenige orale Texte, die zufällig aufgeschrieben
worden sind und die als Quellen zur Philosophie der Indianer Nordamerikas
dienen können, bilden hier eine Ausnahme.[166]
Neben der primär mündlich
praktizierten und überlieferten Philosophie im subsaharischen Afrika sind die
schriftlichen Texte zur politischen Philosophie zu erwähnen, die von den
Leitern der Kämpfe um Unabhängigkeit als Theorie dieser Kämpfe und praktische
Beiträge zu ihnen formuliert worden sind. In diesem Zusammenhang sind einige
wichtige Monographien entstanden; zahlreiche dieser Texte sind auch die
gedruckten Fassungen von Reden vor politischen Parteien, Parlamenten,
Kongressen. Hier sind zu nennen: Léopold S. Senghor aus dem Senegal, Sékou
Touré aus Guinea, Amilcar Cabral aus Guinea-Bissao, Kwame Nkrumah aus Ghana,
Jomo Kenyatta aus Kenia, Julius Nyerere aus Tansania, Kenneth Kaunda aus Sambia
und (im historischen Kontext des Kampfes gegen die Apartheid) Stephen Biko aus
Südafrika.
Ferner ist die Arbeit der
Professoren und Dozenten an den Philosophie-Abteilungen der seit den 50er
Jahren entstehenden Universitäten der afrikanischen Länder sowie an
Universitäten in den USA, an die zahlreiche afrikanische Philosophen berufen
worden sind, als die aktuell bedeutsame Betätigung auf dem Gebiet der
afrikanischen Philosophie zu erwähnen. Es lässt sich beobachten, dass in den
Curricula dieser Abteilungen die Beschäftigung mit westlich-europäischer
Philosophie im Vordergrund steht, dass aber zunehmend auch die eigenen
philosophischen Traditionen dabei berücksichtigt werden. Da Philosophie an der
Abteilung einer Universität auf der Grundlage schriftlicher Texte betrieben
wird, müssen zunächst solche Texte zur eigenständig afrikanischen Philosophie
produziert werden, bevor sie in Forschung und Lehre benutzt werden können.
Daran wird intensiv gearbeitet; in einer »Bibliographischen Übersicht« über die
»Philosophische Forschung in Afrika«, die unter der Redaktion von Hountondji
zusammengestellt worden ist, werden für die Zdit von 1900 bis 1985 bereits 3365
Titel aufgeführt.[167]
Auf dem von Alwin Diemer an
seiner Heimatuniversität Düsseldorf 1978 organisierten XVI. Weltkongress für
Philosophie wird die afrikanische Philosophie mit ihren verschiedenen
Richtungen zum ersten Mal in den weltweiten internationalen philosophischen
Diskurs einbezogen. Das Symposium on Philosophy in the Present Situation of
Africa, das dort stattgefunden hat, ist in einer eigenen von A. Diemer
herausgegebenen Veröffentlichung dokumentiert (Wiesbaden 1981). Vier Jahre nach
dem Weltkongress ruft Diemer eine sehr viel größere Anzahl afrikanischer
Philosophen zu einem Symposium in Düsseldorf zusammen, zu dem er auch Vertreter
aus nordafrikanischen Ländern einlädt. Die Akten dieses Symposiums erscheinen
dann 1985.[168]
Seitdem haben viele Symposien und Kongresse
stattgefunden, und es sind Zeitschriften und Sammelbände herausgegeben worden,
die dazu dienen, Dialoge zwischen europäisch-westlicher und
subsaharisch-afrikanischer Philosophie über gemeinsam interessierende Themen in
Gang zu bringen und zu dokumentieren.[169]
Als Beispiel seien einige Themen der Symposien afrikanischer und
niederländischer, sowie belgischer und deutscher Philosophen in Rotterdam
(1989-1997) genannt: Person und Gemeinschaft, Philosophie und Demokratie, Das
Multiversum der Kulturen, Zeit und Entwicklung, Gemeinsinn in Kunst und
Politik. Von beiden Seiten werden auch kritische Fragen an den Dialogpartner
gestellt.
Die kritische Haltung
afrikanischer Philosophie gegenüber westlichem Denken kommt am deutlichsten in
zwei Artikeln von Odera Oruka zum Ausdruck, auf die hier kurz Bezug genommen
wird. Es handelt sich um ethische Reflexionen zur Gerechtigkeit in der
Weltgesellschaft.[170]
In einer »Philosophie der Entwicklungshilfe« vertritt Odera Oruka entschieden
die Position der empfangenden Länder. Er stellt neben das Recht auf
»territoriale Souveränität«, nach dem »militärische Einmischung« in die inneren
Angelegenheiten eines Staates nicht gerechtfertigt ist, das »Prinzip der
[Entwicklungshilfe als] nationaler Mehrleistung [zu der ein Staat nicht
verpflichtet ist]«, nach dem »ökonomische Einmischung« der Geberstaaten ebenso
wenig gerechtfertigt sein sollte. Dennoch nimmt sich im Fall der
Entwicklungshilfe »der Geber das absolute Recht, über die Bedingungen und die
Zeit der Vergabe zu entscheiden«.[171]
Ferner
hält Oruka die drei Prinzipien, nach denen Entwicklungshilfe oder »Kredite
reicher Nationen« gerechtfertigt werden, nicht für ausreichend. Diese
Prinzipien sind: »(1) das Gesetz des internationalen Handels«, das überall in
der Welt Partner bzw. Mitspieler braucht, »(2) das Prinzip historischer
Wiedergutmachung«, durch das die Ungerechtigkeiten der Kolonisation abgemildert
werden sollen, und »(3) die Wohlfahrtsmaxime«, nach der Reiche den Armen helfen
sollen. Oruka fügt als viertes Prinzip hinzu (4) »das Recht auf ein
menschliches Minimum«, das nicht nur innerhalb bestehender staatlicher
Gesellschaften, sondern weltweit, innerhalb der »Weltgesellschaft« auch für
Völker, die »weit entfernt« leben, allen eine Verantwortung zur Sicherung dieses
Rechts als Menschenrecht auferlegt. Das
»Prinzip der territorialen Souveränität« wird so im Sinn einer Kritik an der
absoluten Verfügung über nationales Eigentum relativiert, nicht aber das
politische »Recht auf nationale Souveränität«.[172]
Oruka sieht in diesem vierten
Prinzip zur Rechtfertigung der Entwicklungshilfe einen »Beitrag zur normativen
Ökonomie«, da aus philosophischer Sicht Ökonomie rein als positive Wissenschaft
nicht zureichend ist. Das Recht auf ein menschliches Minimum schließt ein, dass
die Mittel zur Befriedigung von drei Grundbedürfnissen jedem zur Verfügung
stehen: »physische Sicherheit, Gesundheit und Subsistenz«, wobei durch das
letztere die Mittel zur Selbsterhaltung des Lebens bezeichnet werden: Essen,
Trinken, Kleidung, Behausung, Liebe. Die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse ist
vorausgesetzt, damit ein Mensch »als Person agieren kann«. Oruka beruft sich
auf maßgebliche Studien, die zeigen, dass, wenn die Welt der reichen Nationen
»überflüssige militärische Ausgaben und überflüssigen Konsum der Haushalte
vermeidet und diese Einsparungen vernünftig unter den an Armut leidenden
Nationen aufteilen würde, der Welthunger dann abgeschafft werden könnte«.
Ulrich Lölke, der zunächst
einen Lehrauftrag an der Universität Hamburg hat und jetzt an der Universität
Lüneburg doziert, zieht die Linie von Orukas »Philosophie der
Entwicklungshilfe« durch zu dem zweiten
der erwähnten Artikel (s. Anm. 168), in dem dieser das Prinzip der »elterlichen
Fürsorge« zum Grundprinzip einer »für die gesamte Erde gültigen Ethik«
(parental earth ethics) macht. Wenn er das afrikanische Gemeinschaftsdenken,
das auf der Großfamilie (extended family) basiert, in der die Mitglieder
einander nicht in absoluter Not verkehren lassen, in dieser Weise auf die
Weltgesellschaft anwendet, plädiert Oruka nach Lölke nicht für einen
»afrikanischen« Begriff der Gerechtigkeit, sondern für einen allgemeingültigen,
der aber stark durch die »afrikanische Erfahrung« geprägt ist. Die
europäisch-westliche Philosophie, wir als »Teilnehmer an einem Diskurs im
Norden«, werden auf diese Herausforderung noch antworten müssen oder vielmehr
allererst lernen müssen, »auf Stimmen aus dem Süden zu hören.«[173]
In seiner
1999 an der Universität Düsseldorf von Norbert Henrichs, dem Nachfolger auf
dem Lehrstuhl von Alwin Diemer, angenommenen Dissertation, geht Lölke vor
allem einen Dialog an mit Kwame Gyekye, Philosoph an der University of
Ghana in Legon/Accra.
[174]
Er weist freilich auch darauf hin, dass afrikanische Philosophie
an den deutschen Universitäten noch kein allgemein anerkanntes Thema ist.
So sagt er über den XV. Deutschen Kongress für Philosophie in Hamburg im Jahr
1990: »Es ist interessant, dass die von Jürgen Hengelbrock geleitete Sektion
‘Gegenwart der Philosophie in Afrika’ von den deutschen Philosophen nicht
besucht wurde und damit als solche nicht anerkannt wurde«. Afrikanische Kultur
und afrikanische Philosophie werden vielmehr in der Tradition Hegels als »die
Anwesenheit einer vorgeschichtlichen Vergangenheit« betrachtet, »die nie den
Status einer zeitgemäßen (d.h. modernen) Antwort auf spezifische regionale
Herausforderungen angenommen hat«.
Der
gemeinsame Ausgangspunkt von Lölke und Gyekye ist, dass das subsaharische
Afrika gegenwärtig in einem »Raum des Zwischen« (intermediate space) existiert,
der »zwischen Tradition und Modernität« liegt. Sie sind auch darin einig, dass
Tradition nicht von sich aus autoritär ist, sondern reflexiv, so dass ein
kritisches Verhältnis zu ihr jederzeit möglich ist.[175]
Der näheren Bestimmung des Begriffs Tradition, die Gyekye in seinem Buch Tradition
and Modernity ausarbeitet, kann Lölke indessen nicht folgen. Gyekye will
von Tradition sprechen, wenn ein Ritual oder ein Zusammenhang kultureller Werte
(a set of cultural values) über mindestens zwei Generationen, also zwei Mal 20
bis 30 Jahre als gültig oder maßgebend anerkannt wird.[176]
Nach Lölke ist der Terminus »Generation« in dieser Begriffsbestimmung in
verdinglichter Weise gedacht. Er möchte Tradition deutlicher als »lebendige
Tradition« auffassen. Deshalb definiert er: »Eine Tradition ist ein Muster, ein
Ritual oder auch ein komplexer kultureller oder sozialer Zusammenhang, dessen
Wiedergabe nicht mehr in den Händen jener liegt, die sie erfunden haben.«
So
entsteht bei Gyekye ein nicht adäquates Verhältnis zur Tradition, wenn er – wie
übrigens auch Odera Oruka – seine Gespräche mit jetzt lebenden sages als
Beweis dafür nimmt, dass es Philosophen in Afrikas kultureller Vergangenheit
gegeben hat. Lölke kritisiert dies, indem er von der »Historisierung einer tradition
vivante« spricht und dabei einen Terminus von Hampaté Bâ aufnimmt. Wenn man
den »Raum des Zwischen« ernstnimmt, ist das Jetzt, die Gegenwart Afrikas nicht
bestimmbar. Die sages gehören ebenso sehr dazu wie die
Wirtschaftsmanager und die Universitätsprofessoren, die Souvenirhändler und die
Tricksters in den Straßen mancher Großstädte. In der nachkolonialen Periode hat
dieser Kontinent seine Identität verloren, und er kann sie nur durch den
Prozess entschiedener Dekolonisierung wieder finden. In diesem Prozess kann die
Philosophie, wie Lölke mit Kwasi Wiredu betont,[177]
eine wichtige Rolle spielen. Ein entscheidender Beitrag der Philosophie kann
darin bestehen, den spezifischen Rationalitätstyp anzugeben, der in Afrikas
lebendiger Tradition verkörpert ist. Yacouba Konaté, Philosoph an der
Universität von Abidjan, arbeitet daran, diesen Rationalitätstyp zu bestimmen.
Dies führt ihn inmitten der »Krisen des gegenwärtigen Afrika« an eine »Wegkreuzung«, an der dessen Untergang,
aber auch dessen »Wiedergeburt« möglich werden.[178]
Erweiterung und neue Präzisierung des Philosophiebegriffs und der
Philosophiegeschichte
Für Hegel, aber auch für Nietzsche und für Heidegger,
ebenso für Russell und seinen Lehrer Alfred N. Whitehead beginnt Philosophie in
der griechischen Antike, in einem vorläufigen Sinn mit den Vorsokratikern und
definitiv mit Platon und Aristoteles. Philosophie wird damit für Europa und
seine Geschichte reklamiert. Dass die Geschichte der Philosophie ihren
Weg nimmt über das antike römische Reich ins Europa nördlich der Alpen ist noch
immer communis opinio. Es gibt nach diesen Auffassungen zwar eine
Vorgeschichte der Philosophie, die bis zu den Upanishaden in der indischen
Tradition (750-550 v.Chr.) und Laozi in der chinesischen Tradition (geb. 604
v.Chr.) zurückreicht, und es gibt Einflüsse aus dem Vorderen Orient mit seinen
orphischen Geheimlehren und aus Ägypten mit seiner Mysterienreligion. Im
Mittelalter dringen die Auffassungen islamischer Gelehrter, besonders von al-Farabi,
Avicenna und Averroes, in die europäische Theologie und Philosophie ein. Das
kann aber nichts an der Annahme verändern, dass die Philosophie einen
europäischen Charakter hat. Sofern sich mit der Entwicklung von Nordamerika
seit etwa 1800 die europäische Zivilisation auf diesem Kontinent ausbreitet,
ist es dann angemessen, von einem nordatlantischen oder in einer etwas weniger
geographisch orientierten Terminologie von einem europäisch-westlichen
Charakter d(l)er Philosophie zu sprechen.
Hegel
hat die Philosophie von Platon und Aristoteles bis zu ihm selbst als die innere
Linie der Weltgeschichte aufgefasst, die er bekanntlich als »Fortschritt im
Bewusstsein der Freiheit« begreift. Auch Nietzsche sieht die Geschichte der
europäischen Philosophie, für ihn die Geschichte der Philosophie überhaupt,
unter einem einheitlichen Gesichtspunkt, nach dem sie freilich eher eine
Geschichte des Verfalls als des Fortschritts ist. Der »christliche Platonismus«
mit seiner zunehmenden Leibfeindlichkeit und Abstraktheit ist insgesamt die
»Heraufkunft des europäischen Nihilismus«. Heideggers Betrachtung der
Geschichte der Philosophie als anwachsende »Seinsvergessenheit« schließt bei
Nietzsche an, geht aber einen entscheidenden Schritt weiter. Zum Verständnis
des »Seins des Seienden« wird in dieser Geschichte immer nur auf wechselnde Art
und Weise auf ein »höchstes Seiendes« verwiesen, ohne an das Sein selbst zu
denken. Sofern Heidegger die Frage nach dem Sein neu stellt, geht er zugleich
zu dem ältesten Alten zurück, etwa zu Anaximander, bei dem es noch »eine frühe
Spur des Unterschieds« von Sein und Seiendem gibt, die aber auch hier schon
»ausgelöscht« ist. So scheint es, dass »die Vergessenheit des Seins in das
durch sie selbst verhüllte Wesen des Seins« gehört.[179]
Heidegger selbst positioniert
sich nach der Geschichte der Seinsvergessenheit oder – besser gesagt – dieser
Seinsvergessenheit der europäischen Geschichte der Philosophie, welche die
einzige ist, die es gibt. Was sich nun geändert hat, ist nicht, dass Heidegger
das Sein beziehungsweise die »Wahrheit des Seins« unverhüllt zu sehen bekäme,
sondern dass er um die wesensgemäße Verhülltheit dieser Wahrheit weiß. Das
bringt ihn zu einer Bescheidenheit, die der Selbstbescheidung der
interkulturellen Philosophie durchaus verwandt ist, die keiner der durch eine
bestimmte Kultur geprägten Philosophien die absolute Wahrheit zuerkennt.
Heidegger kann sich jedoch von der Hegelschen Gleichsetzung von Philosophie und
Europa nicht lösen. Deshalb befindet er sich mit seiner Position in der
Nachgeschichte der (mit Europa und seiner Geschichte identifizierten)
Philosophie und bezeichnet sich selbst nicht mehr als Philosophen, sondern als
Denker. Es entbehrt nicht der Ironie, wenn seine denkende Explikation der
Seinsfrage, wie wir oben bereits gesehen haben, von nicht-europäischen, vor
allem japanischen und koreanischen Philosophen als verwandte Unternehmung zu
ihrer Philosophie erfahren wird.
Was als Philosophie verstanden wird, hängt also offenbar
mit der Auffassung über ihre Geschichte, wann und wo sie sich abgespielt hat,
auf das Engste zusammen. So ist es nicht verwunderlich, dass eine Erweiterung
und neue Präzisierung des Philosophiebegriffs, wie sie auf Grund der Einführung
der Dimension des Interkulturellen in die Philosophie notwendig sind, sich in
entsprechender Weise auch auf die Konzeption der Philosophiegeschichte
auswirken. Philosophie kann nicht länger ein Synonym für Europa sein. Auf dem
Weg über die Entdeckung der Philosophie im Osten, wobei Indien, China und Japan
nur Beispiele sind (besonders gern hätte ich noch über tibetische Philosophie
gesprochen), arabisch-islamische, latein- oder iberoamerikanische und
subsaharisch-afrikanische Philosophie (bei der die Ausnahme Äthiopien, nicht
aber die – umstrittene – Sonderstellung Ägyptens zur Sprache gekommen ist) hat
sich der Horizont geöffnet für einen Begriff der Philosophie, bei dem diese mit
dem Menschsein und menschlicher Kultur als solcher in einem wesensmäßigen
Zusammenhang steht.
Aber auch hier gibt es noch
eine Verwandtschaft der interkulturellen Philosophie mit Heideggers angeblich
nachphilosophischem Denken. In einer 1935 in Rom gehaltenen Rede »Europa und
die deutsche Philosophie« statuiert er, wenn auch im Kontext einer
befremdlichen Deutschtümelei, dass im »Bereich der Kunst« etwas geschieht, das
für die Philosophie wegweisend ist. Das gilt, wie oben in Abschnitt 3 der
Einleitung ausgeführt, auch für die interkulturelle Philosophie. Ferner sagt
der Denker Heidegger über die »Vielfältigkeit der Standpunkte« und den »Wechsel
der Systeme« in der (europäischen) Geschichte der Philosophie, über ihre sich
auftürmende Komplexität und ihre immer schwerer zugängliche Abstraktheit, dass
es darin im Grunde um die »Einfachheit des Einzigen und Selbigen« gehe, nämlich
die sich verbergende Wahrheit des Seins.[180]
Damit sucht Heidegger auch zu einer anderen Sprache zurück zu finden, die er
selbst als »das einfache Sagen« charakterisiert. Und er weiß, dass das
Einfachste oft das Schwerste ist. Jedenfalls erfahren dies Philosophen, die von
der europäisch-westlichen Tradition geprägt sind, gerade auch wenn sie von der
Grundlage des dieser Tradition Wesentlichen aus Dialoge mit anderen
philosophischen Traditionen angehen wollen.
Die Erweiterung der Philosophie
von Europa und seiner Geschichte auf
die gesamte Menschheit und ihre Geschichte verlangt wie auch andere Prozesse
der Globalisierung als Gegenbewegung eine Regionalisierung. Die eine
Weltphilosophie gibt es nur im Chor der vielen Stimmen
kulturspezifischer Philosophien. Dieter Senghaas, der von ganz anderen
Voraussetzungen aus zur interkulturellen Philosophie kommt, sieht die »große
Chance … für interkulturelle Philosophie« darin, dass »alle Kulturen«, in der
Gegenwart »mehr als je«, und dies gilt dann nicht nur geographisch »in der Welt
von heute«, sondern auch historisch in entsprechenden anderen Situationen der
Geschichte [der Menschheit], »mit sich selbst in Konflikt geraten und
darüber selbstreflexiv werden«.[181]
Eben dieses
Selbstreflexiv-Werden in Konflikt- oder Notsituationen einer Kultur ist die
Geburtsstunde der Philosophie in der Geschichte dieser Kultur. So erwartet
Heidegger in der angegebenen Rede von der Philosophie (in dem erwähnten
problematischen Kontext sagt er: »von der deutschen Philosophie und damit von der
Philosophie überhaupt«) durch eine »schöpferische Auseinandersetzung mit der
ganzen bisherigen Geschichte« einen Beitrag zur »Rettung Europas«, das sich
1935 auch wegen seiner »eigenen Entwurzelung und Zersplitterung« in
»gesteigerter Bedrängnis« befindet.[182]
Und Hegel spricht 1801 in seinem ersten philosophischen Buch, in dem er seine
eigene Position gegenüber derjenigen Fichtes und Schellings herauszustellen
sucht, von der »geschichtlichen Ansicht philosophischer Systeme«. Er sagt dort:
»Entzweiung ist der Quell des Bedürfnisses der Philosophie«.[183]
Entzweiung heißt dabei, dass eine Zeit oder eine Kultur in die Krise gerät,
weil die Menschen mit sich selbst, mit dem was sie »bewusstlos suchen«, und den
Strukturen und Institutionen ihrer Gemeinschaft, »dem Leben, das ihnen
angeboten und erlaubt wird«, in einen wachsenden »Widerspruch« geraten.[184]
Solche Situationen, die
Philosophie erfordern und hervorrufen, kommen in der Geschichte jeder
Gemeinschaft vor. Eine Kulturgemeinschaft, die in der einen oder anderen Weise
mit sich selbst in Konflikt gerät, muss sich und wird sich über ihre eigenen
Grundlagen, die Bedingungen ihres Bestehens und Fortbestehens inmitten anderer
Kulturen und der Natur vergewissern. Sie muss und wird in erster Linie
artikulieren. dass sie sich in Frage gestellt sieht, und dabei auffächern,
welche Fragen sich im Einzelnen stellen. Indem mit den Mitteln des Denkens,
Hegel sagt: der Vernunft, der Zusammenhang dieser Fragen und die möglichen
Antworten oder der Hinweis darauf, in welcher Richtung die Antworten gesucht
werden müssen, schrittweise entfaltet werden, entsteht die Philosophie der
betreffenden Kulturgemeinschaft.
Aus diesen Aussagen Hegels zur Entstehung und zum
Begriff der Philosophie in dem soeben angegebenen Kontext, ergibt sich seine
damalige Konzeption der Geschichte der Philosophie. Wie man leicht erkennen
wird, unterscheidet sich diese Konzeption radikal von Hegels späteren
Auffassungen. Hegel geht davon aus, dass »jede Vernunft, die sich auf sich
selbst gerichtet und sich erkannt hat,« unter den jeweiligen besonderen
Bedingungen »eine wahre Philosophie producirt, und sich die Aufgabe gelöst hat,
welche … zu allen Zeiten dieselbe ist«. Dies bedeutet, dass Philosophen auf
Grund der »verwandten Kraft des Geistes« einander erkennen, dass sie in der
Philosophie eines Anderen, auch wenn diese unter sehr unterschiedlichen
besonderen Bedingungen konzipiert worden ist, »Geist von ihrem Geist, Fleisch
von ihrem Fleisch« finden. Anders ausgedrückt: »Der lebendige Geist, der in
einer Philosophie wohnt, verlangt, um sich zu enthüllen, durch einen verwandten
Geist gebohren zu werden«.[185]
Auch dieser Gedanke Hegels, der
sich auf die Philosophie – und übrigens auch auf die Kunst – aus früheren
Perioden der eigenen Geschichte bezieht, bewährt sich in der Erfahrung der
interkulturellen Philosophie. Auch wenn unter fremden geschichtlichen und
geographischen Bedingungen eine Kultur selbstreflexiv wird und sich über ihr
Bestehen und Fortbestehen vergewissert, wird die Philosophie, die daraus
hervorgeht, für Philosophen einer anderen Kultur erkennbar sein. Die
Philosophien verschiedener Kulturen werden dann ebenso sehr wie die
Philosophien aus verschiedenen Perioden derselben Kultur bei allen inhaltlichen
und den Stil des Philosophierens betreffenden Unterschieden dem Rang nach
gleich, Hegel sagt: »in sich vollendet«, sein. Wie es in der Philosophie »weder
Vorgänger noch Nachgänger« gibt, sofern jede Philosophie ihre Aufgabe unter den
Bedingungen ihrer Zeit und Umgebung gelöst hat, so gibt es auch keine Rangunterschiede
zwischen Philosophien verschiedener Kulturen. Entscheidend ist (im Blick auf
die historischen und die kulturellen Unterschiede), dass die jeweiligen
Philosophien die Fraglichkeit ihrer Situation sowie den Zusammenhang einzelner
Fragen und möglicher Antwort(richtung)en mit den Mitteln der Vernunft, das
heißt des Denkens und nur des Denkens, reflektieren.
Für die
Philosophie innerhalb der europäisch-westlichen Tradition lässt sich aus der
hier herangezogenen Position Hegels von 1801 ableiten, dass es für das
eigentlich Philosophische keine Geschichte gibt, kein Bessersein oder
Höherstehen der Späteren gegenüber den Früheren. Dasselbe lässt sich, mit einer
größeren Erwartung auf Zustimmung für das eigentlich Künstlerische in der Kunst
sagen. Was sich ändert, ist »das
Bauzeug eines Zeitalters«, sind die herrschenden Vorstellungen und
Auffassungen, ist die Sprache einer Zeit. Auch die technischen Mittel sind
wichtig, in der Philosophie sind dies vor allem die Medien der Sprachlichkeit
und Schriftlichkeit. Bei ihnen gibt es Geschichte und auch geschichtliche
Fortschritte, man denke an Diskussionstechniken, Regelungen für Debatten,
persönliche oder telefonische Interviews oder auch an handgeschriebene
Manuskripte, gedruckte Bücher oder digitalisierte Texte. Das eigentlich
Philosophische, die Aufgabe der Philosophie und ihre Lösungswege, wird von den
technischen Mitteln nicht tangiert.
Wir
wagen es nun, die so gefasste »geschichtliche Ansicht philosophischer Systeme«
auf die kulturellen Unterschiede der Philosophien zu übertragen. Die
kulturellen Unterschiede betreffen nicht das eigentlich Philosophische, das in
den höchst unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen dasselbe ist und für
Philosophen aus anderen Kulturen als Philosophie erkennbar ist. Deshalb können
wir festhalten, dass es für die Philosophien in den verschiedenen Perioden der
eigenen Geschichte und in den verschiedenen Kulturen mit ihrer jeweiligen
Geschichte prinzipiell keine Rangunterschiede und keine Entwicklung von weniger
gut nach besser oder von tiefer stehend nach höher stehend gibt.
Das soll indessen nicht
heißen, in der Philosophie gäbe es überhaupt keine Rang- oder
Qualitätsunterschiede. Es ist lediglich gemeint, dass eine Philosophie nicht
deswegen geringeren Rang hat als eine andere, weil sie geschichtlich gesehen
früher ist oder weil sie geographisch gesehen aus einem anderen Weltteil und
einer anderen Kultur stammt. Innerhalb des geschichtlichen Zusammenhangs einer
bestimmten philosophischen Tradition oder innerhalb des kulturellen
Zusammenhangs einer bestimmten Form des Philosophierens gibt es durchaus
Unterschiede des Rangs, der Qualität und des sachlichen Gewichts. Und es gibt
auch kulturübergreifende Höhepunkte philosophischer Arbeit. Die letzteren
müssen jedoch mit besonderer Vorsicht beurteilt werden. Es darf nicht dazu
kommen, dass dann doch eine Kultur als philosophisch prinzipiell höherstehend
gegenüber anderen angesehen wird.
Die herausragende Bedeutung von
Platon und Aristoteles, Descartes und Spinoza, Kant und Hegel, Heidegger und
Wittgenstein in der europäisch-westlichen philosophischen Tradition soll ebenso
wenig in Abrede gestellt werden wie etwa diejenige Laozis und Kongzis in der
chinesischen oder der Upanishaden, der Bhagavadgita und der Brahma-Sutras in
der Vedanta-Tradition der indischen Philosophie. Der Deutsche Idealismus oder
die im angelsächsischen Bereich entstandene Ordinary language philosophy,
zwei herausragende Richtungen der europäisch-westlichen Philosophie, werden
schon innerhalb dieser Tradition durchaus unterschiedlich beurteilt. Dabei ist
die Bedeutung Kants am wenigsten umstritten. Gerade Kant genießt indessen in
nicht-westlichen Philosophien häufig relativ geringere Anerkennung.
Was sich am Beispiel der
indischen Philosophie zeigt, tritt im Kontext der afrikanischen und anderer
nicht primär schriftlich überlieferter philosophischer Traditionen noch stärker
in den Vordergrund, dass nämlich maßgebliche oder herausragende Beiträge nicht
immer mit den Namen ihrer Urheber verknüpft sind und wie im Fall afrikanischer
philosophischer Traditionen nicht als bestimmte benennbare und als solche
zugängliche Texte oder Textsammlungen anweisbar sind. Vielfach ist hier auch
die heutige Kenntnis zu begrenzt, weil die Traditionslinien primär mündlich
überlieferter Philosophien mit und seit der Alphabetisierung und Modernisierung
der entsprechenden Kulturen abgerissen sind. Wo überhaupt viel philosophisches
Wissen der Menschheit verloren gegangen ist, müssen wir auch den Verlust der
Kenntnis besonderer Höhepunkte in diesen Traditionszusammenhängen
beklagen.
Dass (a) spätere Philosophien prinzipiell nicht besser
sind als frühere oder (b) solche der eigenen Tradition prinzipiell nicht besser
sind als solche aus anderen Traditionen soll dann auch nicht heißen,
dass (a) spätere Philosophen sich nicht auf frühere zu beziehen brauchen und
dass sie nicht nach einer neuen Philosophie streben sollen, in der die
positiven Aspekte der älteren mit aufgenommen werden, oder (b) die Philosophien
des einen Kulturraumes nicht bereichert werden können und sollen durch Dialoge
mit Philosophien anderer Kulturräume.
Im ersteren Fall (a) gibt es
ferner so etwas wie einen tragenden Anfang, bei dem von den Früheren für die
Späteren der Möglichkeitsspielraum abgesteckt wird, der von diesen durchmessen
werden kann oder muss. Das meint Heidegger, wenn er auf den Anfang der
europäisch-westlichen Philosophie bei den Griechen verweist, der die Grundlage
für die philosophischen Bemühungen von Platon und Aristoteles bis zu Hegel und
Nietzsche bildet und demgegenüber im 20. Jahrhundert an der Vorbereitung eines
»anderen Anfangs« gearbeitet werden soll. Vergleichbares ließe sich auch hier
für die chinesischen und indischen philosophischen Traditionen sagen, die durch
Jahrtausende bestimmte anfänglich umgrenzte Möglichkeiten ausmessen.
Eine besondere Situation ist
dabei für einige religiös gebundene Philosophien gegeben, wie die
buddhistische, jüdische, christliche oder islamische Philosophie. Sie berufen
sich auf einen tragenden Anfang, dem zugleich eine nicht einholbare oder
ersetzbare Autorität zukommt. Die Religionsstifter und ihre Lehren behalten für
die sich darauf berufenden Religionen und die im Kontext dieser Religionen
konzipierten Philosophien diese Art von Autorität: Buddha Gautama für den
Buddhismus, Moses und die Propheten für das Judentum, Jesus und die Apostel für
das Christentum, und Mohammed als der letzte und maßgebende Prophet für den
Islam. Philosophien, die sich für den sie konstituierenden
Begründungszusammenhang auf den Hinduismus oder den Animismus beziehen, wie
bestimmte fernöstliche oder afrikanische philosophische Traditionen, stehen den
nicht religiös gebundenen Philosophien näher, sofern sie nicht von einem
Religionsstifter ausgehen oder einem solchen die beschriebene Form von
Autorität zuerkennen.
Der tragende Anfang kann für
die Späteren, die sich in dem davon eröffneten Möglichkeitsspielraum ansiedeln,
nur von Bedeutung sein, sofern er bei ihnen bekannt ist. Und bestimmte
auszumessende Möglichkeiten erhalten in dem Maße ihre Kontur, wie sie sich von
anderen im Allgemeinen und im Einzelnen absetzen. Bei den religiös gebundenen
Philosophien, die sich auf Religionsstifter und deren Lehren berufen, ist mit
dem tragenden Anfang ein unendlicher und nicht zu überschreitender
Möglichkeitsspielraum gegeben. Der Rückbezug auf den jeweiligen Anfang ist bei
ihnen immer notwendig und besonders intensiv. Bei philosophischen Traditionen,
die primär mündlich überliefert worden sind, ist es oft schwer auszumachen,
wann und wo der tragende Anfang zu suchen ist und welche darauf aufbauenden
oder diesen variierende Möglichkeiten bereits vorliegen. Im Fall der
subsaharisch-afrikanischen Philosophie wird von einigen Autoren auf das alte
Ägypten verwiesen,[186]
dessen Bevölkerung vor der Arabisierung und Islamisierung der Hautfarbe und dem
Phänotypus nach zu Schwarzafrika gehört haben soll.[187]
Die lateinamerikanische Philosophie konzentriert sich bislang sehr viel mehr
auf Dialoge mit europäisch-westlichen Partnern, insbesondere mit den Vertretern
der Diskursethik, als auf die Zuwendung zu einheimischen philosophischen
Traditionen.
Für die methodische Seite des
Umgangs späterer mit früheren Philosophien in einer bestimmten Tradition möchte
ich mich bei dem von Hans-Georg Gadamer vorgeschlagenen Modell von Dialogen mit
der Geschichte anschließen, auch wenn ich, wie oben bereits gesagt, in Bezug
auf das Ergebnis solcher Dialoge und das Maß der jeweils zu erreichenden
Verständigung vorsichtiger sein und ein mögliches bleibendes Nichtverstehen
immer in Rechnung stellen möchte.[188]
Wer der jeweilige Dialogpartner ist, ergibt sich aus den Besonderheiten und den
Bedürfnissen der jeweiligen Gegenwart. Daraus konstituiert sich auch das in
einer Gegenwart relevante Bild der Geschichte, nicht als eines Kontinuums von
Vorgängern und Nachgängern, sondern eher als eine Art Lostrommel, aus der,
freilich nicht blindlings, bestimmte Lose gezogen werden. Es versteht sich,
dass ausreichende Kenntnisse darüber vorhanden sein müssen, was sich in dieser
Lostrommel befindet, damit die Wahl bestimmter Lose begründbar und
verantwortbar ist.
So ist dann auch in dem Fall
(b) für das Umgehen von Philosophen verschiedener Kulturen mit einander von
europäisch-westlicher Seite aus das Modell des Dialogs vorzuschlagen. Das ist
oben schon genauer begründet worden (Kapitel IV, 1). Die Probleme der Gegenwart
bedürfen zu ihrer adäquaten Behandlung nicht nur der Zuwendung zu bestimmten
Instanzen, Autoren, Textkonstellationen oder Perioden der jeweils eigenen
Geschichte. Diese Probleme sind so schwierig und in ihrer Zuspitzung für große
Teile der Welt oder den Planeten Erde im Ganzen so bedrohlich, dass zu ihrer
Lösung oder – was von der Philosophie redlicherweise erwartet werden kann – zum
Aufweis der Richtung, in der diese Lösungen zu suchen sind, die
philosophischen Potentiale aller Kulturen genutzt werden müssen. Die
Vorräte an atomaren Waffen ermöglichen noch immer, nach verschiedenen
Abrüstungsabkommen, einen Overkill der gesamten Menschheit. Und die
Gefahr, dass diese Waffen in die Hände
von Fanatikern und/oder gewissenlosen Verbrechern geraten, ist in der letzten
Zeit sehr gewachsen. Aber auch die Risiken der so genannten friedlichen Nutzung
der Atomenergie sind in ihren Ausmaßen kaum abzuschätzen. Schließlich soll hier
noch auf die ungeklärten möglichen Folgen der Gentechnologie hingewiesen
werden. Die wissenschaftlich-technische Erforschung und Erprobung der
genetischen Manipulation, einschließlich des Klonens von Menschen, wird sich
nicht aufhalten lassen. Es wird darauf ankommen, dass die Philosophen aller
Länder und Weltteile ihre Potentiale und Kräfte zusammenfassen, um wenigstens
gesagt zu haben, wo die ethischen und vernünftigen Grenzen des Gebrauchs
solcher Energien und Technologien verlaufen.
Die
Zusammenfassung der philosophischen Potentiale aller Kulturen im Wege von
Dialogen zwischen ihnen setzt voraus, dass in der Philosophie einer jeden
Kultur ein Grundwissen von den Philosophien der anderen Kulturen vorhanden ist
und gepflegt wird.
Es ist leicht ersichtlich, dass im bisherigen Diskurs
zum Philosophiebegriff und zur Philosophiegeschichte primär von den
Voraussetzungen der kontinentalen europäischen Philosophie und den von hier aus
geführten Dialogen mit den Philosophien anderer Kulturen ausgegangen worden
ist. Abschließend möchte ich noch einmal den afrikanischen Philosophen Odera
Oruka zu Wort kommen lassen, der sich in seinem Philosophieverständnis
einerseits innerhalb der europäisch-westlichen Philosophie auf die
angelsächsisch geprägte Ausübung dieses Faches beruft, wie sie seit dem Ende
des Zweiten Weltkrieges bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts dort
vorherrschend ist, und andererseits, wie oben genauer aufgezeigt, auf die
Tradition der afrikanischen sages. Er steht also für einen im bisherigen
Diskurs weniger herangezogenen Traditionszusammenhang der europäisch-westlichen
Philosophie und für den Versuch, von diesem aus oder auf diesen hin die
Relevanz der afrikanischen philosophischen Tradition sichtbar zu machen. Die
Erörterung seines Philosophieverständnisses bildet eine aufschlussreiche
Fallstudie, welche die bisherigen mehr prinzipiellen Überlegungen ergänzen
soll.
Nun hat es in der
europäisch-westlichen Ausübung des Faches Philosophie vierzig Jahre gedauert,
bis das Schisma zwischen kontinental-europäischer und
britisch-nordamerikanischer Philosophie überwunden worden ist. Es wird also
vermutlich auch eine längere Zeitperiode erforderlich sein, bevor die
europäisch-westliche Philosophie sich in ihren offiziellen Vertretern und
Wortführern und in ihrer Breite für die Philosophien anderer Kulturen öffnet.
Orukas Bestimmung der Philosophie und des Umgangs mit ihrer Geschichte, die in
Hinsicht auf ihre Orientierung an einer spezifisch angelsächsischen Ausübung
der Philosophie bereits einer vergangenen Periode angehört, kann für die
Zukunftsaufgabe der Öffnung der Philosophien verschiedener Kulturen für
einander durchaus von Bedeutung sein. Was den Umgang mit der Geschichte der
eigenen Philosophie betrifft, steht Oruka mit der ihm eigenen Entschiedenheit
auf der Seite der soeben skizzierten interkulturell philosophischen Position.
Das hört sich im Originalton so an: »Wenn die Vergangenheit … ihm [dem
Afrikaner] Weisheit anbieten kann, um die Zukunft zu bewältigen, gut und schön.
Aber wenn sie das nicht kann, dann zur Hölle mit der [philosophischen] Weisheit
der Vergangenheit … Es gibt eine Menge in der Vergangenheit, das wir um der
Zukunft willen aufopfern müssen«.[189]
In der Bestimmung dessen, was
Philosophie ist, betont Odera Oruka ihre enge Verbindung mit den
Wissenschaften, insbesondere den exakten Naturwissenschaften. Er stimmt dem
Argument zu, es sei »die Hauptaufgabe der Philosophie … die Natur und die
Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft zu bestimmen«. Später präzisiert
und modifiziert er diesen Standpunkt dahingehend, dass es die Aufgabe der
Philosophie ist, die Grundlagen der Wissenschaften zu klären. Das kann nach
dieser Auffassung Orukas die Philosophie nur leisten, wenn sie auch ihre
eigenen Annahmen immer wieder in Frage stellt.[190]
Grundsätzlich gilt: »Im exakten Sinn ist Philosophie eine rationale und
kritische Reflexion auf den Menschen, die Gesellschaft und die Natur«. Wenn er
sagt, eine »Beschreibung« sei deshalb nicht genug, lässt er offensichtlich die
spezifischen Möglichkeiten der auf das
Wesen gerichteten phänomenologischen Beschreibung außer Acht. Wenn es sich um
die Philosophie einer bestimmten Gemeinschaft handelt, die nicht von einem
individuellen Philosophen konzipiert ist, handelt es sich allenfalls um
Philosophie in einem herabgesetzten Sinn (in a debased sense).
Dieser einseitig am
angelsächsisch geprägten Philosophieverständnis der Zeit bis etwa 1985
orientierte Philosophiebegriff Orukas
führt zu einigen recht problematischen Positionen. Dazu gehört, dass er religiös
gebundene Philosophien nicht als solche anerkennt. Zwischen Mythologie und
Philosophie sieht er eine tiefe Kluft. Das sicher mit einigen nicht adäquaten
Voraussetzungen belastete, aber im Ergebnis für die afrikanische Philosophie
positive Unternehmen von Placide Tempels, der als Europäer die Philosophie der
Bantu aus der Sprache, Mythologie und den Gebräuchen eines Bantu-Volkes
rekonstruiert, kann Oruka nur rundheraus ablehnen. Und im Blick auf die von ihm
entdeckte Philosophie der sages sieht er sich veranlasst, wie oben schon
angemerkt (s. Kapitel IV, 4), einen nicht sehr überzeugend durchgeführten
Unterschied zwischen folk sages und philosophical sages
einzuführen, wobei nur die letzteren seinem einseitigen Kriterienkatalog
entsprechen. Indessen, wer selbst bei der Anwendung dieser äußerst eng
gefassten Kriterien als Philosoph »im exakten Sinn« klassifiziert wird, dem
wird dieser Titel von niemandem mehr streitig gemacht werden können.
Schließlich gibt Oruka seinem
Philosophieverständnis eine Wendung, die sein oben besprochenes ethisches
Engagement für die armen Länder innerhalb der Weltgesellschaft ermöglicht.
Indem er die Philosophie von den Wissenschaften abgrenzt, betont er gerade für
afrikanische Verhältnisse, dass sie neben ihrer Aufgabe, Grundlagenforschung zu
betreiben, zum Entstehen und zum Ausbau einer »kulturellen Plattform« Wichtiges
beitragen kann. Sie kann mithelfen, dass einem rein technologisch orientierten
Entwicklungsbegriff eine kulturelle Dimension hinzugefügt wird, so dass ein
»besseres« Leben sich nicht nur auf den materiellen Lebensstandard bezieht,
sondern auch darauf, dass die Menschen »glücklicher, würdiger, im Umgang mit
einander freundlicher, friedlicher und wohlhabender« werden.[191]
Das sind Ziele, die nicht nur durch eine Modernisierung und Verwestlichung
nicht-westlicher Länder erreicht werden können, sondern die Einflüsse in beide
Richtungen, eine gemeinsame Arbeit der Philosophen aus verschiedenen Kulturen,
voraussetzen.
Es wird deutlich geworden sein, dass sich
interkulturelle Philosophie nicht ausschließlich am Schreibtisch oder vor dem
PC entwickeln lässt. Aus diesem Grund habe ich in dem Artikel Afrikanische
Philosophie als Weisheitslehre? Von einer »Methodologie der Tat«
gesprochen.[192]
Europäisch-westliche Philosophen müssen sich der anderen Kultur aussetzen, mit
deren Philosophie sie in einen Dialog kommen wollen, indem sie längere Zeit am
Ort und in der Umgebung der dortigen Kollegen am Prozess der Forschung und
Lehre teilnehmen sowie umgekehrt mit diesen Kollegen am eigenen Ort und in der
eigenen universitären Umgebung zusammen arbeiten. Das müsste auf die Dauer zu
einem Austausch von Professoren, Dozenten und Studenten führen. Die Arbeit der
Gesellschaften und Stiftungen für interkulturelle Philosophie mit ihren
Kongressen und Symposien sowie den wenigen bisher bestehenden Buchreihen und
Zeitschriften, die zum Teil auch im Internet präsent sind, bilden in dieser Hinsicht nur ein Anfang.
Die offiziellen, auch mit
entsprechenden Mitteln ausgestatteten europäisch-westlichen
Wissenschaftsinstitutionen, auf dem europäischen Kontinent stärker als in den
angelsächsischen Ländern, besonders den USA, geben der interkulturellen
Dimension der Philosophie nur wenig Raum. Das hat zur Folge, dass die Beschäftigung
mit buddhistischer und hinduistischer Philosophie zwar auf breiter Front, aber
überwiegend in außeruniversitären Kontexten geschieht. Das gilt noch mehr von
islamischer Philosophie, obwohl aktuelle Ereignisse, in denen der islamische
Fundamentalismus unübersehbar vor der Weltöffentlichkeit präsent ist, zu einer
gründlicheren Beschäftigung herausfordern. Die Dialoge mit lateinamerikanischer
Philosophie bleiben am Rande offizieller akademischer Arbeit. Das Schlusslicht
bilden afrikanische und andere traditionell primär mündlich überlieferte
Philosophien.
Sofern vor allem die letzteren
zu einer Neubesinnung auf den Philosophiebegriff und die Philosophiegeschichte
Anlass geben, wird ihre Einbeziehung vielleicht einen Umschlag herbeiführen, so
dass die eurozentrische Orientierung überwunden und die Philosophie der
heutigen Weltlage gerecht werden kann, die von der doppelten Bewegung der
Globalisierung und Regionalisierung gekennzeichnet wird. Damit kehrt dieser
Diskurs zu seinem Ausgangspunkt zurück.
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Philosophy and Democracy, a.a.O., S. 11-22.
Heinz Kimmerle, geb. 1930,
emeritierter Professor für Philosophie, von 1990-1995 Inhaber des besonderen
Lehrstuhls für Grundlagen der interkulturellen Philosophie, an der Erasmus
Universität Rotterdam. Hauptarbeitsgebiete: (historisch) Schleiermacher, Hegel,
Marx, Bloch, Derrida; (systematisch) Hermeneutik, Dialektik,
Religionsphilosophie, Theorie der Geistes- und Sozialwissenschaften,
Philosophien der Differenz, interkulturelle Philosophie (mit Schwerpunkt
afrikanische Philosophie).
Einleitung
[1]
M. Heidegger, Aus
einem Gespräch von der Sprache. Zwischen einem Japaner und einem Fragenden,
in: Ders., Unterwegs zur Sprache, Pfullingen 1959, S. 83-155.
[2]
J. Hengelbrock (Hg.),
Philosophie. Beiträge zur Unterrichtspraxis, Heft 26, Selbstverständnis
und Lehre – international, und Heft 29, Afrika. Texte zur afrikanischen
Philosophie, ausgewählt und eingeleitet von G.-R. Hoffmann, Frankfurt/M.
1991 und 1993.
[3]
H. Kimmerle, Die Dimension
des Interkulturellen. Philosophie in Afrika – afrikanische Philosophie.
Zweiter Teil: Supplemente und Verallgemeinerungsschritte, Amsterdam/Atlanta,
GA 1994 (Studien zur interkulturellen Philosophie 2), S. 131.
[4]
R.A. Mall, Philosophie
im Vergleich der Kulturen. Eine Einführung in die interkulturelle Philosophie,
Bremen (Bremer Philosophica) 1992, S. 10.
[5]
H. Kimmerle, Philosophien
der Differenz. Eine Einführung, Würzburg 2000 (Schriften zur Philosophie
der Differenz, Bd 9), s. bes. S. 46-49.
[6]
R.A. Mall, Interkulturelle
Philosophie und die Historiographie, in: M. Brocker und H. Nau (Hg.), Ethnozentrismus.
Möglichkeiten und Grenzen des interkulturellen Dialogs, Darmstadt 1997,
S. 69-89; s. für die Durchführung dieses Postulats F.M. Wimmer, Interkulturelle
Philosophie, Geschichte und Theorie. Band 1, Wien 1990.
[7]
Wimmer, Interkulturelle
Philosophie – Vom Dilemma der Kulturalität zum Polylog, Wien 2001, S. 3-5.
[8]
R. Fornet-Betancourt,
Einführung, in: Ders. (Hg.), Armut im Spannungsfeld zwischen Globalisierung
und dem Recht auf eigene Kultur. Dokumentation des VI. Internationalen Seminars
des philosophischen Dialogprogramms. Frankfurt/M. 1998 (Denktraditionen
im Dialog: Studien zur Befreiung und Interkulturalität, Bd 2), S. 8.
[9]
Fournet-Betancourt,
Lateinamerikanische Philosophie zwischen Inkulturation und Interkulturalität,
Frankfurt/M. 1997 (Denktraditionen Im Dialog: Studien zur Befreiung und
Interkulturalität, Bd 1), S. 102-105.
[10]
J. van Brakel, Interculturele
communicatie en multiculturalisme. Enige filosofische voorbeschouwingen,
Assen 1998 (Universitaire Pers Leuven. Wijsgerige Verkenningen 19), S. VII-VIII.
[11]
J. Loenhoff, Interkulturelle
Verständigung. Zum Problem grenzüberschreitender Kommunikation, Opladen
1992.
[12]
Mall, Philosophie
im Vergleich der Kulturen, a.a.O. (Anm. 4), S. 74-108, s. bes. S. 87 und
90-93. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen
Hermeneutik, Tübingen 1961, S. 279-283.
[13]
B. Waldenfels, Topographie
des Fremden. Studien zur Phänomenologie des Fremden I, Frankfurt/M. 1997,
s. bes. S. 35-37: Steigerungsgrade des Fremdseins, zum Folgenden S. 110-144..
[14]
E. Levinas, Die Spur
des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, übers.
aus dem Französischen von W.N. Krewani, Freiburg/München 1983, S. 209-235.
[15]
J. Kristeva, Fremde
sind wir uns selbst, übers. aus dem Französischen von X. Rajewsky, Frankfurt/M.
1990, s. bes. S. 184-210. Vgl. zu dem kritischen Argument gegen die paradoxe
Universalität des radikal »Fremden in uns« Waldenfels, a.a.O. (Anm. 13),
S. 40-42 und Kimmerle, Philosophien der Differenz, a.a.O. (Anm. 5), S. 192-195.
[16]
H. Münkler/K. Meßlinger/B.
Ladewig (Hg.), Die Herausforderung durch das Fremde, Berlin 1998 (Interdisziplinäre
Arbeitsgruppen. Forschungsberichte Bd 5), S. 23.
[17]
M. Duala-M’bedy, Xenologie.
Die Wissenschaft vom Fremden und die Verdrängung der Humanität in der Anthropologie,
Freiburg/München 1977, S. 19.
[18]
L.J.B. Duala M’bedy
(Hg.), Das Begehren des Fremden. Tagungsergebnisse 1991 des Kaiserswerther
Instituts für Xenologie, Essen 1992. (Beiträge zur Xenologie Bd 1.)
[19]
E. Holenstein, Kulturphilosophische
Perspektiven. Schulbeispiel Schweiz. Europäische Identität auf dem Prüfstand.
Globale Verständigungs-möglichkeiten, Frankfurt/M. 1998, S. 11-43, 257-312,
s. bes. S. 274, 277, 279.
[20]
D. Senghaas, Interkulturelle
Philosophie in der Welt von heute, in: Ders., Zivilisierung wider Willen.
Der Konflikt der Kulturen mit sich selbst, Frankfurt/M. 1998, S. 27-49,
s. bes. S. 32, 35, 37, 44, 48, auch zum Folgenden.
[21]
S.P. Huntington, Kampf
der Kulturen. The Clash of Civilizations. Die Neugestaltung der Weltpolitik
im 21. Jahrhundert, München/Wien 1996.
[22]
Kimmerle, Universale
Erkenntnis a posteriori. Das Universum und die Menschenrechte, in: Ders.,
Die Dimension des Interklulturellen, a.a.O. (Anm. 3), S. 145-152.
[23]
E. Loko/Th. Schönauer
(Hg.), Afrikanisch-Europäische Inspiration / Inspiration Afro-Européenne,
Rees 1993.
[24]
S. zu dieser Serie
von Ausstellungen interkultureller Kunst den Beitrag von C. Jacobs, Nicht-westliche
Kunst in westlichen Museen: Verschiebungen in einem interkulturellen Dialog,
in: H. Kimmerle (Hg.), Das Multiversum der Kulturen. Beiträge zu einer Vorlesung
im Fach ‘Interkulturelle Philosophie’ an der Erasmus Universität Rotterdam,
Amsterdam/Atlanta, GA 1996 (ELEMENTA. Studien zur Philosophie und ihrer
Problemgeschichte, Bd 67), S. 195-217.
[25]
S. in H. Kimmerle,
Philosophie in Afrika – afrikanische Philosophie. Annäherungen an einen
interkulturellen Philosophiebegriff, Frankfurt/M. 1991, die Abschnitte:
Zeit, Geschichte und Entwicklung, S. 163-172, und: Neokolonialismus und
die Sonderstellung von Kunst und Philosophie, S. 184-190; ders., Art and
Philosophy in the Development of Sub-Sahran
Africa, in: International Sociology 7, 1992, S. 173-186.
Kapitel I
[26]
H. Jonas, Das Prinzip
Verantwortung, Frankfurt/M. 1984.
[27]
A. Huxley, Schöne
neue Welt, aus dem Engl. übers. von H.E. Herlitschka, Frankfurt/M. 1953
(Engl. Originalausgabe 1932); ders.: Dreißig Jahre danach oder Wiedersehen
mit der Wackeren neuen Welt, aus dem Engl übers. von
H.E. Herlitschka, München 1959.
[28]
W. van den Daele,
Mensch nach Maß? Ethische Probleme der Genmanipulation und Gentherapie,
München 1985.
[29]
S. COMPAS Newsletter
for endogenous development, Leusden, nr. 1, Februar 1999.
[30]
G. Böhme, Weltweisheit,
Lebensform, Wissenschaft. Eine Einführung in die Philosophie, Frankfurt/M.
1994, S. 131-153, Hinweise auf weitere Literatur zu diesem Thema, S. 382-383.
[31]
H. Küng, Projekt Weltethos,
München/Zürich 1990; siehe zum Folgenden S. 123-127 und 158-161 (Kursivierung
im Zitat von mir, HK).
[32]
Die Einbeziehung des
Animismus wird in dem Text begründet: H. Kimmerle, Entgeistert. Ein Essay
über den Verlust des Geisterglaubens und den Wirklichkeitsstatus der Welt
der Geister, Zoetermeer 2001, der primär für eine Veröffentlichung im Internet
(http://kimmerle.nl) geschrieben
worden ist.
[33]
J. Fabian, Religious
and Secular Colonization: Common Ground, in: History and Anthropolgy 4,
1990, S. 339-355.
[34]
G. ter Haar, Standing
up for Jesus. A survey of new developments in Christianity in Ghana, in:
Exchange 23, 1994, S. 221-240, s. bes. S. 221.
[35]
G. Brand, The Nature
of Salvation. A Typology of Existing Approaches, in: Exchange 28, 1999,
S. 1-20. Brand stützt sich u.a. auf G. Wilmore/J. Cone (Hg.), Black Theology.
A Documentary History 1966-1979, Maryknoll 1979 und J. Parrat (Hg.), A Reader
in African Christian Theology, London 1997.
[36]
K. Helfrich/H. Jebens/W.
Nelke/C. Winckelmann, Asmat. Mythos und Kunst im Leben mit den Ahnen, Berlin
1996.
[37]
Schmuckmuseum Pforzheim,
H. Kuebler/F. Falk (Hg.), Ife, Akan und Benin. Westafrikanische Kunst in
2000 Jahren. Gold – Bronzen – Terrakotten, Stuttgart 2000.
[38]
S. in dem Lehrbuch
von G. Ferraro, Cultural Anthropology. An Applied Perspective, St. Paul,
MN u.a. 1992, S. 25-27.
[39]
K. Wiredu, Cultural
Universals and Particulars. An African Perspective, Bloomington / Indianapolis
1996, S. 1-2.
[40]
C. Geertz, Anti Anti-relativism,
in: American Anthropologist 86, 1984, S. 263-278.
[41]
Geertz, The Interpretation
of Cultures. Selected Essays, London 1993 (1973, 1. Aufl.), S. 3-30.
[42]
J. Hoogland, Over
de zin van een interculturele filosofie, in: Tijdschrift voor Filosofie
58, 1996, S. 519-544, s. bes. 537.
Kapitel II
[44]
Th. W. Adorno, Negative
Dialektik, Frankfurt/M. 1982, 3. Aufl., S. 314.
[45]
W. Capelle (Hg.), Die Vorsokratiker. Fragmente und Quellenberichte, Stuttgart
1953, 4. Aufl., S. 164.
[46]
Platon, Kratylos, 1B3 u.ö.
[47] M.
Heidegger, Europa und die deutsche Philosophie (1936), in: H.-H.
Gander (Hg.), Europa und die Philosophie. Frankfurt/M. 1993 (Martin-Heidegger-Gesellschaft.
Schriftenreihe. Bd 2), S. 31-41; s. bes. 31 und 33-35.
[48]
H. Odera Oruka, Sage
Philosophy. Indigenous Thinkers and Modern Debate on African Philosophy,
Leiden u.a. 1990; A. Hampaté Bâ, Vie et enseignement de Tierno Bokar. Le
Sage de Bandiagara, Paris 1980.
[49]
K. Gyekye, An essay
on African philosophical thought, The Akan conceptual scheme., Philadelphia
1995, 2. Aufl.; G.J. Wanjohi, The Wisdom and Philosophy of the Gikuyu Proverbs.
The Kihooto World-View, Nairobi 1997.
[50]
S. Gbadegesin, African
Philosophy. Traditional Yoruba Philosophy and Contemporary African Realities,
New York u.a. 1991; S.B. Oluwole, Philosophy and Oral Tradition, Ikeja 1997.
[51]
Fornet-Betancourt,
a.a.O. (Anm. 9), s. bes. S. 80, 150-151 und 161-165.
[52]
Hg. von R. Moritz,
H. Rüstau und G.-R. Hoffmann, Berlin 1988.
[53 ]K.
Rosenkranz, Hegel’s Leben, Berlin 1844, S. 189-190; G.W.F. Hegel, Gesammelte Werke, hg. im
Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Band 4, Jenaer Kritische Schriften,
hg. von H. Buchner und O. Pöggeler, Hamburg 1968, S. 12.
[54] U.
Libbrecht, Inleiding Comparatieve filosofie II. Culturen in het licht van
een comparatief model, Assen 1999, S. 472.
[55] Wie
und warum entstand Philosophie ...?, a.a.O. (Anm. 44), S. 7 am Rand.
[56] F.M.
Wimmer, Interkulturelle Philsophie, a.a.O. (Anm. 6), S. 14. (Hervorhebung
von mir, HK.)
[57] Ebenda,
S. 21.
[58] Ebenda,
S. 33-34.
[59]Ebenda,
S. 80 ff. und 73 ff.
[60] A.
Figl, Immanuel Kant und die wissenschaftliche Weihe des Rassismus, in:
Zeitschrift für Afrikastudien 13/14, 1992, S. 9-28, s. bes. S. 10.
[61] I.
Kant, Zum ewigen Frieden, in: Kants Werke. Akademie-Textausgabe (=AA).
Berlin 1968. Band VIII, S. 341-386, s. bes. S. 354-355.
[62] Kant,
Bestimmung des Begriffs einer Menschenrace, in: AA. Band VIII, S.
93.
[63]
Kant, Physische Geographie, hg. von F.Th. Rink. In: AA. Band
IX, S. 316.
[64] Kant,
Von den verschiedenen Racen der Menschen, in: AA. Band II, S. 438.
[65] Kant,
Physische Geographie, a.a.O. (Anm.63), S. 316.
[66] Ebenda,
S. 313.
[67] Figl,
a.a.O. (Anm. 60), S. 22.
[68] Vgl.
Wimmer, Rassismus und Kulturphilosophie, in: G. Heiß u.a. (Hg.),
Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938-1945, Wien 1989, S.
89-114, s. bes. S. 111, Anm. 45: »... so verzeichnet Johann Samuel Ersch,
‘Literatur der Geschichte und ihrer Hüfswissenschaften seit der Mitte des
18. Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit’ (Leipzig 1827) ... für den Zeitraum
von 1750 bis 1790 (in etwa Kants Lesezeit) 26 Werke im deutschen Buchhandel.«
[69] P.J.
Hountondji, Afrikanische Philosophie. Mythos und Realität, hg. von
G.R. Hoffmann, aus dem Englischen übers. von Ch. Neugebauer und F.M. Wimmer,
Berlin 1993 (Franz. Originalausgabe 1977), S. 123-148: Ein afrikanischer
Philosoph im Deutschland des 18. Jahrhunderts: Anton Wilhelm Amo.
[70] Hegel,
Grundlinien der Philosophie des Rechts, hg. von J. Hoffmeister, Hamburg
1955. 4. Aufl., §§ 243-245. Die Nachweise zu diesem Werk werden in § angegeben,
weil die Paragrapheneinteilung in den verschiedenen Ausgaben übereinstimmt.
[71] Hegel,
Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Band 1, Die Vernunft
in der Geschichte, hg. von J. Hoffmeister. Hamburg 1966. 5. Aufl., S. 192,
212.
[72] Ebenda,
S. 191.
[73] Ebenda,
S. 228.
[74] Ebenda,
S. 227.
[75]
Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Band 2, Die Naturreligion,
hg. von G. Lasson, Hamburg 1966, Nachdruck der 1. Aufl. von 1925, S. 77-119.
[76]
Die Vernunft in der Geschichte, a.a.O. (Anm. 71), S. 220-222.
[77] Ebenda,
S. 224-225.
[78] H.
Kimmerle, Die Dimension des Interkulturellen, a.a.O. (Anm. 3); darin: Hegel
und Afrika. Das Glas zerspringt S. 85-112, s. bes. 97-98.
[79] F. Nietzsche, Nachgelassene
Fragmente, in: Sämtliche Werke, hg. von E. Colli und M. Montinari, Berlin/New
York 1980, Bd 7, S. 106.
[80]
Nietzsche, Also sprach
Zarathustra, in: Sämtliche Werke, a.a.O. (vorige Anm.), Bd 4, S. 23, 41,
270-277, 288-291 u.ö.
[81]
Nietzsche, Die Philosophie
im tragischen Zeitalter der Griechen, in: Sämtliche Werke, a.a.O., Bd 1,
S. 799-872, s. bes. 806; vgl. zum Folgenden die Beiträge von H. Oosterling
und D. Tiemersma in: H. Kimmerle (Hg.), Das Multiversum der Kulturen, a.a.O.
(Anm. 24), S. 103-122, bes. 110-114 und S. 31-55.
[82]
M. Heidegger: Europa
und die deutsche Philosophie, a.a.O. (Anm. 47), S. 31-41, s. bes. 33-35;
auf diesen Text komme ich in den »Abschließenden Überlegungen« zurück.
[83]
Heidegger, Aus einem
Gespräch von der Sprache, a.a.O. (Anm. 1); Zwei Texte von Professor Tomio Tezuka: Eine Stunde mit Heidegger
und: Eine von den ‘Drei Antworten’, in: F. Vetsch, Martin Heideggers Angang
…, a.a.O. (oben im Text), S. 189-197.
[84]
J. Derrida, Grammatologie,
aus dem Franz. übers. von H.J. Rheinberger und H. Zischler, Frankfurt/M.
1974, S. 173-243.
[85]
Derrida, La crise
de l’enseignement philosophique, in: Ders., Du droit à la philosophie, Paris
1990, S. 155-170.
[87]
V.Y. Mudimbe, The
Invention of Africa. Gnosis, Philosophy, and the Order of Knowledge, Bloomington/Indianapolis
1988, Kapitel I-III.
[88]
Hegel, Über die unter
dem Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Mahabharata von Wilhelm von
Humboldt, in: G.W.F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden, hg. von E. Moldenhauer
und K.M. Michel, Bd 11, Berliner Schriften. 1818-1831, Frankfurt/M. 1970,
S. 131-204.
[89]
Eine neue Auflage
dieses Buches trägt den Titel: The origins of culture, 2 Bde, hg. von P.
Radin, New York 1958; s. zum Folgenden Bd 2, S. 195.
[90]
L. Lévy-Bruhl, L’Ame
primitive, Paris 1963. (1. Aufl. 1921.)
[91]
Mudimbe, a.a.O. (Anm.
87), S. 82 und 19-20.
[92]
M. Leiris, Das Auge
des Ethnographen. Ethnologische Schriften, Bd 2, aus dem Franz. übers. von
R. Wintermeyer, hg. von H.-J. Heinrichs, Frankfurt/M. 1985.
[93]
M. Griaule, Dieu d’eau.
Conversations avec Ogotemmêli, Paris 1966
[94]
Derrida, Grammatologie,
a.a.O. (Anm. 84), S. 178-243, s. bes. S. 193.
[95]
J. Fabian, Time and
the Other. How Anthropolgy Makes Its Object, New York 1983.
[96]
Ferraro, Cultural
Anthropology, a.a.O. (Anm. 38), S. 107-126, 261-300; R.M. Keesing, Cultural
Anthropology. A Contemporary Perspective, New York u.a. 1981, 2. Aufl.,
S. 76-90, 316-347.
[97]
P. Radin, Primitive
Man as Philosopher, New York/London 1927.
[98]
K. Gyekye, An essay
on African philosophical thought, a.a.O. (Anm. 49); G.J. Wanjohi, The Wisdom
and Philosophy of the Gikuyu Proverbs, a.a.O. (Anm. 49).
[99]
H. Odera Oruka, Sage
Philosophy, a.a.O. (Anm. 48); A.Hampaté Bâ, Vie et enseignement de Tierno
Bokar, a.a.O. (Anm. 48).
[100]
Hegel, a.a.O. (Anm.
88); s. zum Folgenden bes. S. 133, 142-143, 190-191.
[101]
Hegel, Gesammelte
Werke, Band 19, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse
(1827), hg. von W. Bonsiepen und H.-Ch. Lucas, Hamburg 1989, S. 408-409.
[102]
R. Ohashi (Hg.), Die
Philosophie der Kyoto-Schule. Texte und Einführungen. München/Freiburg 1990.
[103]
J.L. Mehta, India and the West.
The Problem of Understanding, Chico, CA 1985; Y. Masih, Comparative Study
of Religion, New Delhi 1990; P.T. Raju, Introduction to Comparative Philosophy,
New Delhi 1992.
[104]
Y.C. Ting, A Way towards
the Confrontation between Heidegger and Lao tzu. The Approach through Language,
Diss phil Louvain-la-Neuve 1990; Cheng Chung-ying, Remarks on Onto-Theo-Logical
Formations of Language in Heidegger and Lao Tzu, in: Journal of Chinese
Philosophy 5, 1978, S. 335-340; B. Gupta, Buddha and Hume. A popular comparison
revisited, in: International Philosophical Quarterly 17, 1977, S. 135-146.
[105]
Mao Tsetung, Kritik
an Liang Schu-mings reaktionären Ideen (1953), in: ders., Ausgewählte Werke,
Bd 5, hg. vom Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1978, S. 134-144;
Verblichener Geist des Konfuzius, Wunschträume neuer Zaren, Verlag für fremdsprachige
Literatur, Peking 1974; Kritik an Lin Biao und Konfuzius. Ausgewählte Artikel,
2 Bde, Verlag für fremdspraschige Literatur, Peking 1975.
[106]
U. Libbrecht, Inleiding.
Comparatieve Filosofie II, a.a.O. (Anm. 54), S. 606-607.
[107]
Libbrecht, Inleiding.
Comparatieve Filosofie I. Opzet en ontwikkeling van een comparatief model,
Assen 1995, S. 13-14.
[108]
Libbrecht, Inleiding.
Comparatieve Filosofie II, a.a.O (Anm. 54), S. 4 und 147.
[109]
Ebenda, S. XIII, 150-252,
331-362.
[110]
Libbrecht, Inleiding.
Comparatieve Filosofie I, a.a.O. (Anm. 107), S. 16.
Kapitel IV
[111]
M. Leiris, Das Auge
des Ethnographen (1930), in: ders., Das Auge des Ethnographen, a.a.O. (Anm.
92), S. 29-35.
[112]
M. Buber, Das dialogische
Prinzip, Heidelberg 1984, 5. Aufl. (1954, 1. Aufl.)
[113]
Gadamer, Wahrheit
und Methode, a.a.O. (Anm. 12), S. 359-360.
[114]
G. Böhme, Platons
theoretische Philosophie, Stuttgart/Weimar 2000, S. 1-3, 100-109, s. auch
zum Folgenden.
[115]
polylog. Zeitschrift
für interkulturelles Philosophieren, hg. von der Wiener Gesellschaft für
interkulturelle Philosophie, 1998 ff; polylog (online), Forum für interkulturelles
Philosophieren / Forum for Intercultural Philosophizing, 2000 ff.
[116]
Pfad zur Erleuchtung.
Buddhistische Grundtexte, übers. und hg. von H. von Glasenapp, Düsseldorf/Köln
1978, S. 15-16.
[117]
S. Cho, Selbstlosigkeit.
Zu einer buddhistischen Vision von sozialer Gerechtigkeit, in: polylog.
Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, nr. 6, 2000, S. 30-37,
s. auch zum Folgenden.
[118]
D. Tiemersma (Hg.),
Advaita Vedanta. De vraag naar het zelf-zijn. Symposium 2000, Gouda/Rotterdam
2001, S. 104.
[119]
D. Tiemersma, De actuele
betekenis van de Advaita Vedanta, in: Ders. (Hg.), Advaita Vedanta, a.a.O.
(vorige Anm.), S. 37-52, s. bes. S. 50-51; Ankündigung des Advaita-Symposiums
2001, De ander en ik: eenheid en scheiding in westerse, joodse en upanishadische
tradities, a.a.O., S. 123.
[120]
H. Kimmerle, Philosophie
in Afrika – afrikanische Philosophie, a.a.O. (Anm. 25), S. 8.
[121]
H. von Glasenapp,
Die fünf Weltreligionen. Hinduismus, Buddhismus, Chinesischer Universismus,
Christentum, Islam, Kreuzlingen/München 1963; Nachdruck in Diederichs Gelber
Reihe als Nr. 170: Weltkulturen 2001, s. zum Folgenden S. 152-154.
[122]
S. oben (in Anm. 31
und 32 mit dem zugehörigen Text) die etwas vollständigere Aufzählung von
H. Küng und meine kritische Ergänzung.
[123]
Stichting Filosofie
Oost-West, Nieuwsbrief 3, 2000, Nr. 4, S. 6-7, 14-15.
[124]
R.E. Allinson, An
Overview of the Cinese Mind, in Ders. (Hg.), Understanding the Chinese Mind.
The Philosophical Roots, Hong Kong u.a. 1989, S. 1-25.
[125]
Ebenda, S. 1, s. zum
folgenden Absatz S. 11, 13, 23, vgl. dazu auch S. 266-271 und 290-291.
[126]
Ebenda, S. 46-47.
[127]
Ebenda, S. 167, 178-180,
203-206.
[128]
Ebenda, S. 209, 225-227.
[129]
S. oben Anm. 105.
[130]
H. Roetz, Konfuzius,
München 1995, S. 8.
[131]
W. Tomaschitz, Nishida
als Kulturphilosoph. Zu R. Elberfeld: Kitaro Nishida, in: polylog Nr.5,
2000, S. 82-83.
[132]
K. Nishida, Die Logik
des Ortes. Der Anfang der modernen Philosophie in Japan, übers. und hg.
von R. Elberfeld, Darmstadt 1999.
[133]
R. Elberfeld, Kitaro
Nishida (1870-1945). Moderne japansiche Philosophie und die Frage nach der
Interkulturalität, Amsterdam/Atlanta, GA 1999, S. 113-114.
[134]
Ebenda, S.212-219.
[135]
R. Ohashi, Reflexion
der nicht-europäischen Moderne, in: R.A. Mall und D. Lohmar (Hg.), Philosophische
Grundlagen der Interkulturalität, Amsterdam/Atlanta, GA 1993, S. 147-158,
s. bes. S. 148-149.
[136]
Ohashi, The Japanese
‘Art Way’ (dô). Sensus communis in the Context of the Question of
a Non-Western Concept of Modernity, in: H. Kimmerle und H. Oosterling (Hg.),
Sensus communis in Multi- and Intercultural Perspective. On the Possibility
of Common Judgments in Arts and Politics, Würzburg 2000, S. 53-59.
[137]
Ebenda, S. 54-56,
s. zum folgenden Absatz auch S. 56-59.
[138]
M. Seel, Ästhetik
der Natur, Frankfurt/M. 1991, S. 168-169.
[139]
M.S. al-Ashmawy, Islam
and the Political Order, Washington, DC 1994, s. zum Folgenden S. 11 und
das Vorwort (S. 1-9) von George F. McLean, dem Herausgeber der Reihe: Cultural
Heritage and Contemporary Change, in dem die englischsprachige Fassung des
Buches erschienen ist.
[140]
B. Russell, A History
of Western Philosophy, London 1984 (1949, 1. Aufl.), S. 413-421.
[141]
N.H. Abu Zayd, Der
Begriff von ‘Gerechtigkeit’ nach
dem Koran, in: polylog, a.a.O. (Anm. 117), S. 38-52, s. zum folgenden Absatz
bes. S.42-45.
[142]
Ebenda, S. 46-49.
[143]
Ebenda, S. 50-52.
[144]
Y. Ceylan, Islam and
Global Dialogue, in: H. Kimmerle und H. Oosterling (Hg.), Sensus communis
in Multi- and intercultural Perspective, a.a.O. (Anm. 135), S. 129-140;
s. auch zu den folgenden Absätzen.
[145]
R. Fornet-Betancourt,
Philosophie und Theologie der Befreiung. Mit einem Vorwort von E. Dussel,
Frankfurt/M. 1988.
[146]
H. Schelkshorn, Diskurs
und Befreiung. Studien zur philosophischen Ethik von Karl-Otto Apel und
Enrique Dussel, Amsterdam/Atlanta, GA 1997, S. 23-26.
[147]
Ebenda, S. 5, 11-15, 31-33.
[148]
E. Dussel, Ethische
Prinzipien und Ökonomie aus der Perspektive der ‘Ethik der Befreiung’, in
polylog, a.a.O. (Anm. 117), S. 17-29, s. zum Folgenden in diesem und dem
nächsten Absatz bes. S. 17-21.
[149]
J. Habermas, Theorie
des kommunikativen Handelns, Frankfurt/M. 1981, 2 Bde.
[150]
E. Dussel, a.a.O.
(Anm. 148), S. 22-25.
[151]
Ebenda, S. 28-29.
[152]
J. Derrida, Garmmatologie,
a.a.O. (Anm. 84), S. 173-207.
[153]
H. Kimmerle, The Philosophical
Text in the African Oral Tradition. The Opposition of Oral and Literate
and the Politics of Difference, in: H. Kimmerle und F.M. Wimmer (Hg.), Philosophy
and Democracy in Interculural Perspective / Philosophie et démocratie en
perspective interculturelle, Amsterdam/Atalanta, GA 1997, S. 43-56.
[154]
Die erste Veröffentlichung
der Bantoe Filosofie erfogt in französischer Sprache: P. Tempels,
La philosophie bantoue. Elisabethville 1945. Auf Französisch und Englisch
wird das Buch 1949 in Paris in der Reihe »Présence Africaine« herausgegeben;
eine deutsche Übersetzung (Bantu Philosophie. Ontologie und Ethik) erscheint
1956 in Heidelberg.
[155]
G. Blocker, African
Philosophy, in: African Philosophical Inquiry 1, 1987, S. 1-7.
[156]
P.J. Hountondji, Afrikanische
Philosophie. Mythos und Realität, a.a.O. (Anm. 69).
[157]
Die Angaben zu K. Gyekye und G.J. Wanjohi,
s.o.. in Anm. 49; zu S. Gbagedesin und S. B. Oluwole in Anm. 50.
[158]
H. Odera Oruka, Sage
Philosophy. Indigenous Thinkers and Modern Debate on African Philosophy,
a.a.O. (Anm. 48).
[159]
A.H. Bâ, Vie et enseignement
de Tierno Bokar. Le Sage de Bandiagara, a.a.O. (Anm. 48).
[160]
Kimmerle, Afrika in
Amerika, in: Ders., Die Dimension des Interkulturellen, a.a.O. (Anm. 3),
S. 43-75, s. S. 65-66.
[161]
R. Horton, Traditional
thought and the emerging African Philosophy Departments, in: Second Order
VI, 1977, S. 64-80.
[162]
C. Sumner, The Source
of African Philosophy: The Ethiopian Philosophy of Man, Stuttgart 1986,
S. 32-37.
[163]
Ebenda, S. 113.
[164]
Ebenda, S. 37-40,
s. auch zum ersten Teil des folgenden Absatzes..
[165]
Ebenda, S.131.
[166]
The Speech of Chief
Sealth (1854), hg. von H.A. Smith, Seattle 1887 (Niederländische Übers.
von A.F. de Groot, Soest 1984); Der Gesang des Schwarzen Bären. Lieder und
Gedichte der Indianer, zweisprachig (englisch und deutsch) hg. von W. Arens
und H.-M. Braun, München 1992; American
Indian Prophecies. Conversations with Chasing Deer, hg. von K. Kaltreider,
Carlsbad, CA 1998.
[167]
P.J. Hountondji (Hg),
Bilan de recherche philosophique africaine. Répertoire alphabétique / Philosophical
Research in Africa. A Bibliographical Survey, Cotonou 1987, 2 Bde.
[168]
A. Diemer / P.J. Hountondji
(Hg.), Africa and the problem of its identity / L’Afrique et le problème
de son identité / Afrika und das Problem seiner Identität, Frankfurt/M.
u.a. 1985.
[169]
Seit
1987 erscheint zunächst in Lusaka (Sambia) und ab 1991 in Groningen (Niederlande)
die halbjährlich herauskommende Zeitschrift »Quest. Philosophical Discussions.
An International African Journal of Philosophy / Un Journal International
Philosophique Africain«. 1989 beginnt ferner der »SAPINA Newsletter. A Bulletin
of The Society for African Philosophy in North America« zu erscheinen, der
sich 1996 zu einer Zeitschrift mausert und ab 1999 die Begrenzung auf Nordamerika
überschreitet und in Basingstoke (Großbritannien) unter dem Titel »African
Philosophy« veröffentlicht wird. Von 1989 bis 1997 haben an der Erasmus
Universität Rotterdam im Abstand von zwei Jahren regelmäßïg Symposien afrikanischer
und niederländischer, sowie belgischer und deutscher Philosophen stattgefunden,
deren Akten in den Schriften zur Philosophie der Differenz (Band
3, Amsterdam und Band 8, Würzburg) sowie in den Studien zur interkulturellen
Philosophie (Bände 3 und 4 Amsterdam/Atlanta, GA) veröffentlicht sind.
Schließlich erwähne ich noch den von den Wiener Philosophen Herta Nagl-Docekal
und Franz M. Wimmer herausgegebenen Sammelband Postkoloniales Philosophieren:
Afrika (Wien/München 1992). Von afrikanischen
Philosophen in Afrika und in den USA sind eine Reihe von Readern zur afrikansichen
Philosophie zusammengestellt worden, die auch von europäisch-westlichen
Lesern benutzt werden.
[170]
H. Odera Oruka, Philosophy
of Foreign Aid: A Question of the Right to a Human Minimum (1989) und Ecophilosophy
and the Parental Earth Ethics (On the Complex Web of Being) (1994), in:
A. Graness und K. Kresse (Hg.), Sagacious Reasoning. Henry Odera Oruka in
memoriam, Frankfurt/M. u.a. 1997, S. 47-59 und 119-131. Der erste Artikel
ist in deutscher Übersetzung, die von den Herausgebern des Gedenkbandes
an Odera Oruka gemacht worden ist, auch in polylog Nr. 6, 2000, S. 6-16
erschienen. Diesen Text zitiere ich nach der deutschen Übersetzung.
[171]
polylog, a.a.O. (vorige
Anm.), S. 7; fúr das »principle
of national supererogation« habe ich eine eigene Übersetzung mit erklärenden
Einschüben gewählt.
[172]
Ebenda, S. 8-15; s.
zum folgenden Absatz S. 15-16.
[173]
U. Lölke, Parental
Care as a Principle of Development, in: A. Graness und K. Kresse (Hg.),
Sagacious Reasoning, a..a.O. (Anm. 168), S. 219-231; s. bes. S. 224 und
228.
[174]
Lölke, Kritische Traditionen.
Afrika. Philosophie als Ort der Dekolonisation, Frankfurt/M. 2001, S. 5;
s. zum folgenden Hinweis bes. S. 116, mit Anm. 3.
[175]
Ebenda, S. 169-218,
s. zum Folgenden bes. S. 203.
[176]
K. Gyekye, Tradition
and Modernity. Philosophical Reflections on the African Experience, New
York/Oxford 1997, S. 219-232.
[177]
K. Wiredu, The Need
of Conceptual Decolonization in African Philosophy, in: Ders., Cultural
Universals and Particulars a.a.O. (Anm. 39), S. 136-144.
[178]
J. Konaté, Aktualität
der Philosophie in Afrika. Traditionen und wissenschaftlich-technischer
Fortschritt, in: H. Nagl-Docekal und F.M. Wimmer (Hg.), Postkoloniales Philosophieren,
a.a.O. (Anm. 169), S. 156-169; s. auch Lölke, Kritische Traditionen, a.a.O.
(Anm. 174), S. 116-119.
Abschließende Überlegungen
[179]
M. Heidegger, Der
Spruch des Anaximander, in: Ders., Holzwege, Frankfurt/M. 1952, S. 296-343,
s. bes. S. 336.
[180]
Heidegger, Europa
und die deutsche Philosophie (1935), a.a.O. (Anm. 47), S. 31-41, s. bes.
S. 32-34.
[181]
D. Senghaas, Interkulturelle
Philosophie in der Welt von heute, a.a.O. (Anm. 20), S. 48.
[182]
Heidegger, a.a.O.
(Anm.47), S. 31.
[183]
G.W.F. Hegel, Differenz
des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie (1801), in:
Gesammelte Werke, hg. im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Band
4: Jenaer Kritische Schriften, a.a.O. (Anm. 53), S. 1-92, s. bes. S. 9 und
12.
[184]
Hegel, Der immer sich
vergrößernde Widerspruch … (1799/1800), in: Werke in zwanzig Bänden, hg.
von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Band 1: Frühe Schriften, Frankfurt/M.
1971, S. 457-460, s. bes. S. 457.
[185]
Hegel, a.a.O. (Anm.
183), S. 9-10 und 12, s. auch zum Folgenden.
[186]
Für die religiöse
und philosophische Tradtion des Ma’at im alten Ägypten gibt es mündliche
und schriftliche Überlieferungen. Das wichtigste Zeugnis der letzteren ist
das Ägyptische Totenbuch, eine um 1550 v.Ch. verfertigte Sammlung
von zum Teil viel älteren Sprüchen, die bis zu den Pyramiden-Texten von
2500 v.Chr. zurückreichen. S. die Einleitung von B. van der Meer in: Het
Egyptische dodenboek, aus dem Altägyptischen ins Niederländische übers.
von M.A. Geru, Deventer 1992, S. 25-26.
[187]
Die These von der
schwarzafrikanischen Bevölkerung des alten Ägypten ist von dem senegalesischen
Philosophen, Historiker, Physiker und Politiker Cheikh Anta Diop (in Texten
von 1959 bis 1981) aufgestellt und näher ausgearbeitet und vielfach sowohl
bestritten als auch verteidigt worden. Die altägyptische Philosophie soll
nicht nur für Afrika, sondern auch für das antike Griechenland und über
die Griechen für Europa eine konstituive Bedeutung haben.
S. L. Harding und B. Reinwald (Hg.), Afrika – Mutter und Modell der
europäischen Zivilisation. Zur Rehabilitierung des Schwarzen Kontinents
durch Cheikh Anta Diop, Berlin 1990.
[188]
Gadamer, Wahrheit
und Methode, a.a.O. (Anm. 12 und 113), s. auch den obigen Text, auf den
sich diese Anmerkungen beziehen.
[189]
Odera Oruka, Mythologies
as African Philosophy (1972), in: A. Graness und K. Kresse (Hg.), Sagacious
Reasoning, a.a.O. (Anm. 170), S. 23-34,
s.bes. S. 24.
[190]
Odera Oruka, Philosophy
and other Disciplines, in: Graness und Kresse (Hg.), Sagacious Reasoning
a.a.O (vorige Anm.), S. 35-45, s.bes. S. 42-43, s. zum Folgenden den in
Anm. 189 genannte Aufsatz S. 28-31.
[191]
Odera Oruka, a.a.O.
(vorige Anm.), S. 43-45.
Nachtrag
[192]